Livestream oder Wirtshaus?
Im November stehen traditionell Bürgerversammlungen an. Doch Corona macht das 2020 unmöglich. Ein digitales Angebot stellt die Kommunen vor Herausforderungen
Die Corona-Pandemie macht eine klassische Bürgerversammlung quasi unmöglich. Wie Bürger trotzdem an ihr Recht kommen, Fragen zu stellen.
Landkreis Der November ist traditionell der Monat im Jahr, in denen sich die Rathauschefs und ihre Mitarbeiter der Verwaltung den Fragen und Anliegen ihrer Bürger stellen müssen. Es ist der Monat der Bürgerversammlungen.
Doch in diesem November ist alles anders. Das Recht der Bürger auf Information aus erster Hand ist in Zeiten der Pandemie kaum umzusetzen. Auch ohne Lockdown light wäre es mehr als fraglich, ob eine groß angelegte Zusammenkunft von Bürgern verantwortbar wäre, wenn gleichzeitig die Corona-Infektionszahlen in die Höhe schnellen. Und ob das Angebot überhaupt angenommen würde, ist zudem offen.
So müssen sich die Bürgermeister überlegen, wie sie die vorgeschriebene Informationspflicht umsetzen – sollten sie es nicht schon im Frühling getan haben. Nördlingen hat bereits Ende Oktober gezeigt, dass eine Bürgerversammlung auch online funktionieren kann. Die Veranstaltung aus dem Stadtsaal, die nur eine begrenzte Anzahl von Bürgern besuchen konnte, wurde ins Internet übertragen. Per Chat stellten die Nördlinger Fragen und diskutierten. Am Ende sagte Nördlingens OB David Wittner, er sei von „der hochwertigen Diskussion“beeindruckt gewesen.
Auch in Donauwörth will man dieWeg gehen, zumal die Stadtbewohner in den vergangenen Jahren nicht gerade verwöhnt wurden mit Veranstaltungen, auf denen OB Armin Neudert persönlich Rede und Antwort gestanden hätte. Es war eines der großen Wahlversprechen des amtierenden OBs Jürgen Sorré, dies zu ändern. „Es wird deswegen Ende November eine zentrale Veranstaltung für Donauwörth mit Liveübertragung im Internet geben. Diese ist gerade in Vorbereitung, sodass Termin und Modalitäten baldmöglichst bekannt gegeben werden können“, heißt es auf Nachfrage aus dem Donauwörther Rathaus. Auch in Harburg will Bürgermeister Christoph Schmid diesen Weg beschreiten. Immerhin finden in der Stadt jährlich zehn Bürgerversammlungen zwischen den großen Ferien und Weihnachten statt. Die Vorbereitungen laufen.
Selbst kleinere Gemeinden wollen digital einen Austausch ermöglichen. Doch oft scheitert es an Grundlegendem. In Bäumenheim gibt es in der einzig sinnvollen Versammlungsstätte, in der Schmutterhalle, kein Internet. Und auch Roland Otto von der Gemeindeverwaltung in Oberndorf macht klar, dass ein Livestream ein erheblicher, zusätzlicher Kostenaufwand sei. „Außerdem erreichen wir damit nicht die Bürger, die klassischerweise zu einer Versammlung ins Wirtshaus kommen.“
Gemeinden, die über keinen eigenen Ve ran st altungsraumv er fügen, sind sowieso auf die Räumlichkeiten eben dieser angewiesen. Doch die sind bekannterweise erst einmal geschlossen. Wolferstadts Bürgermeister Philipp Schlapak bleibt also nichts anderes übrig, als seine üblichen drei Bürger versammlungen weiter zu verschieben. Schon Ostern 2020 mussten sie ausfallen.
Rein rechtlich dürften die Gemeinden und Städte ihre Bürger versammlungen abhalten, denn siegelten nicht als Veranstaltung, die durch die Bayerische Infekt ions schutzmaßnahmen verordnung derzeit auf zehn Personen begrenzt sind. Am 23. Oktober hatte das Bayerische Ministerium des Innern, für Sport und Integration zuletzt ein Rundschreiben an alle Gemeinden und Städte in Bayern versandt. Darin heißt es :„ Bürger versammlungen stellen ein wichtiges Element der Bürger beteiligung dar, weswegen zu deren Organisation auch in Corona-Zeitenb ei stabilem und beherrschbarem Infekt ions geschehen alle Anstrengungen unternommen werden sollten.“Das Ministerium schlug vor, die Höchst teilnehmerzahl zu begrenzen und lieber mehrere kleine statt einer großen Versammlung zu organisieren. Zudem sollten sich die Bürger anmelden und die Kontaktdaten erfasst werden, um im Falle einer Infektion die Nachverfolgung möglich zu masen chen. Datenschutzrechtliche Probleme auch in Sachen Livestream seien mittlerweile geklärt. Doch es heißt auch weiter: „Ob und inwieweit das Infektionsgeschehen vor Ort das Risiko unkalkulierbar erscheinen ließe, sollte – in Abstimmung mit dem jeweiligen Gesundheitsamt – in Abstimmung mit der Rechtsaufsichtsbehörde bewertet werden.“
Auf Nachfrage dieser Zeitung erklärt das Landratsamt, dass eine Bürgerversammlung unter Hygieneauflagen zwar theoretisch möglich sei. Dennoch begrüße man zumindest eine Verschiebung in den Dezember, um das Infektionsgeschehen dann neu bewerten zu können. Selbst wenn die Versammlungen ausfallen oder deutlich später 2021 stattfinden, müssten die Bürgermeister keine Konsequenzen der Rechtsaufsichtsbehörde fürchten. „Wir sind angehalten, kulant zu sein, und jeder kennt ja die Umstände“, sagt die Sprecherin des Landratsamtes, Gabriele Hoidn.
So werden die meisten Bürger im Landkreis wohl erst einmal auf klassischem Wege direkt vom Bürgermeister informiert: über Amtsblätter, per Post oder einem Vortrag, der auf die Homepage der Gemeinde gestellt wird.
Direkte Antworten gibt es erst einmal nur auf Nachfrage. Tapfheim hat dafür eigens eine neue E-MailAdresse eingerichtet.