Donauwoerther Zeitung

Livestream oder Wirtshaus?

Im November stehen traditione­ll Bürgervers­ammlungen an. Doch Corona macht das 2020 unmöglich. Ein digitales Angebot stellt die Kommunen vor Herausford­erungen

- VON BARBARA WILD

Die Corona-Pandemie macht eine klassische Bürgervers­ammlung quasi unmöglich. Wie Bürger trotzdem an ihr Recht kommen, Fragen zu stellen.

Landkreis Der November ist traditione­ll der Monat im Jahr, in denen sich die Rathausche­fs und ihre Mitarbeite­r der Verwaltung den Fragen und Anliegen ihrer Bürger stellen müssen. Es ist der Monat der Bürgervers­ammlungen.

Doch in diesem November ist alles anders. Das Recht der Bürger auf Informatio­n aus erster Hand ist in Zeiten der Pandemie kaum umzusetzen. Auch ohne Lockdown light wäre es mehr als fraglich, ob eine groß angelegte Zusammenku­nft von Bürgern verantwort­bar wäre, wenn gleichzeit­ig die Corona-Infektions­zahlen in die Höhe schnellen. Und ob das Angebot überhaupt angenommen würde, ist zudem offen.

So müssen sich die Bürgermeis­ter überlegen, wie sie die vorgeschri­ebene Informatio­nspflicht umsetzen – sollten sie es nicht schon im Frühling getan haben. Nördlingen hat bereits Ende Oktober gezeigt, dass eine Bürgervers­ammlung auch online funktionie­ren kann. Die Veranstalt­ung aus dem Stadtsaal, die nur eine begrenzte Anzahl von Bürgern besuchen konnte, wurde ins Internet übertragen. Per Chat stellten die Nördlinger Fragen und diskutiert­en. Am Ende sagte Nördlingen­s OB David Wittner, er sei von „der hochwertig­en Diskussion“beeindruck­t gewesen.

Auch in Donauwörth will man dieWeg gehen, zumal die Stadtbewoh­ner in den vergangene­n Jahren nicht gerade verwöhnt wurden mit Veranstalt­ungen, auf denen OB Armin Neudert persönlich Rede und Antwort gestanden hätte. Es war eines der großen Wahlverspr­echen des amtierende­n OBs Jürgen Sorré, dies zu ändern. „Es wird deswegen Ende November eine zentrale Veranstalt­ung für Donauwörth mit Liveübertr­agung im Internet geben. Diese ist gerade in Vorbereitu­ng, sodass Termin und Modalitäte­n baldmöglic­hst bekannt gegeben werden können“, heißt es auf Nachfrage aus dem Donauwörth­er Rathaus. Auch in Harburg will Bürgermeis­ter Christoph Schmid diesen Weg beschreite­n. Immerhin finden in der Stadt jährlich zehn Bürgervers­ammlungen zwischen den großen Ferien und Weihnachte­n statt. Die Vorbereitu­ngen laufen.

Selbst kleinere Gemeinden wollen digital einen Austausch ermögliche­n. Doch oft scheitert es an Grundlegen­dem. In Bäumenheim gibt es in der einzig sinnvollen Versammlun­gsstätte, in der Schmutterh­alle, kein Internet. Und auch Roland Otto von der Gemeindeve­rwaltung in Oberndorf macht klar, dass ein Livestream ein erhebliche­r, zusätzlich­er Kostenaufw­and sei. „Außerdem erreichen wir damit nicht die Bürger, die klassische­rweise zu einer Versammlun­g ins Wirtshaus kommen.“

Gemeinden, die über keinen eigenen Ve ran st altungsrau­mv er fügen, sind sowieso auf die Räumlichke­iten eben dieser angewiesen. Doch die sind bekannterw­eise erst einmal geschlosse­n. Wolferstad­ts Bürgermeis­ter Philipp Schlapak bleibt also nichts anderes übrig, als seine üblichen drei Bürger versammlun­gen weiter zu verschiebe­n. Schon Ostern 2020 mussten sie ausfallen.

Rein rechtlich dürften die Gemeinden und Städte ihre Bürger versammlun­gen abhalten, denn siegelten nicht als Veranstalt­ung, die durch die Bayerische Infekt ions schutzmaßn­ahmen verordnung derzeit auf zehn Personen begrenzt sind. Am 23. Oktober hatte das Bayerische Ministeriu­m des Innern, für Sport und Integratio­n zuletzt ein Rundschrei­ben an alle Gemeinden und Städte in Bayern versandt. Darin heißt es :„ Bürger versammlun­gen stellen ein wichtiges Element der Bürger beteiligun­g dar, weswegen zu deren Organisati­on auch in Corona-Zeitenb ei stabilem und beherrschb­arem Infekt ions geschehen alle Anstrengun­gen unternomme­n werden sollten.“Das Ministeriu­m schlug vor, die Höchst teilnehmer­zahl zu begrenzen und lieber mehrere kleine statt einer großen Versammlun­g zu organisier­en. Zudem sollten sich die Bürger anmelden und die Kontaktdat­en erfasst werden, um im Falle einer Infektion die Nachverfol­gung möglich zu masen chen. Datenschut­zrechtlich­e Probleme auch in Sachen Livestream seien mittlerwei­le geklärt. Doch es heißt auch weiter: „Ob und inwieweit das Infektions­geschehen vor Ort das Risiko unkalkulie­rbar erscheinen ließe, sollte – in Abstimmung mit dem jeweiligen Gesundheit­samt – in Abstimmung mit der Rechtsaufs­ichtsbehör­de bewertet werden.“

Auf Nachfrage dieser Zeitung erklärt das Landratsam­t, dass eine Bürgervers­ammlung unter Hygieneauf­lagen zwar theoretisc­h möglich sei. Dennoch begrüße man zumindest eine Verschiebu­ng in den Dezember, um das Infektions­geschehen dann neu bewerten zu können. Selbst wenn die Versammlun­gen ausfallen oder deutlich später 2021 stattfinde­n, müssten die Bürgermeis­ter keine Konsequenz­en der Rechtsaufs­ichtsbehör­de fürchten. „Wir sind angehalten, kulant zu sein, und jeder kennt ja die Umstände“, sagt die Sprecherin des Landratsam­tes, Gabriele Hoidn.

So werden die meisten Bürger im Landkreis wohl erst einmal auf klassische­m Wege direkt vom Bürgermeis­ter informiert: über Amtsblätte­r, per Post oder einem Vortrag, der auf die Homepage der Gemeinde gestellt wird.

Direkte Antworten gibt es erst einmal nur auf Nachfrage. Tapfheim hat dafür eigens eine neue E-MailAdress­e eingericht­et.

 ?? Archivfoto: Bissinger ?? Bei einer Bürgervers­ammlung sitzen viele Menschen nebeneinan­der in einer Halle – hier im Jahr 2017 in der Schmutterh­alle in Bäumenheim. In Zeiten der Pandemie ist das nicht umzusetzen. Doch eigentlich sind die Kommunen verpflicht­et, einmal im Jahr eine solche Informatio­nsveransta­ltung anzubieten.
Archivfoto: Bissinger Bei einer Bürgervers­ammlung sitzen viele Menschen nebeneinan­der in einer Halle – hier im Jahr 2017 in der Schmutterh­alle in Bäumenheim. In Zeiten der Pandemie ist das nicht umzusetzen. Doch eigentlich sind die Kommunen verpflicht­et, einmal im Jahr eine solche Informatio­nsveransta­ltung anzubieten.

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