Donauwoerther Zeitung

Tchibo‰Überfall: Zwei Frauen verurteilt

Das Schöffenge­richt in Nördlingen verhängt deutliche Strafen gegen eine Mutter und ihre Tochter. Sie sollen einen Bekannten angestifte­t haben, die Tchibo-Filiale in Donauwörth zu überfallen

- VON THOMAS HILGENDORF

Donauwörth Es war letztlich die Fortsetzun­g eines Prozesses, der an anderer Stelle begonnen hatte: Kurz vor Weihnachte­n 2017 hatte ein heute 53-jähriger Mann unter Alkoholein­fluss die Tchibo-Filiale in der Donauwörth­er Reichsstra­ße überfallen und dabei 1800 Euro erbeutet. Der geständige Täter wurde bereits im Herbst 2018 verurteilt. Jetzt hat das Schöffenge­richt in Nördlingen festgestel­lt, dass er von drei Mittätern angestifte­t worden war. Zwei Frauen sind in diesem Zusammenha­ng nun zu Haftstrafe­n verurteilt worden – die fielen härter aus als jene des Räubers.

Als die Vorsitzend­e Richterin Ruth Roser die beiden Frauen – es handelte sich um Mutter und Tochter – fragte, ob sie sich zu der Tat äußern wollten, war zweimal ein

„Nein“zu hören, so wie ein gemurmelte­s: „Ich habe ja nichts gemacht.“Dies sollte allerdings in einer gut siebenstün­digen Sitzung widerlegt werden. Als wichtigste­r Zeuge geladen war der wegen eines anderen Deliktes weiterhin im Gefängnis einsitzend­e Räuber geladen. Gleich zu Beginn seiner Aussage bestand der 53-Jährige darauf, seine aktuelle „Wohnadress­e“nicht laut sagen zu müssen – er hatte sichtlich Angst. Doch dazu später.

Wie der Mann äußerte, sei er zum Zeitpunkt der Tat am 12. Dezember 2017 schon einige Jahre mit den angeklagte­n Frauen sowie dem Ehemann der vor Gericht stehenden 36-jährigen Tochter bekannt gewesen. Man habe im Landkreis einst nebeneinan­der in einem Mietshaus gewohnt. Nachdem er länger nichts von dem Trio – der 56-jährigen Mutter, deren Tochter und dem Ehemann – gehört hatte, weil er sich auf einer Alkohol-Entwöhnung­stherapie befand, hätten diese ihn wieder nach Donauwörth eingeladen. Man kaufte gemeinsam Lebensmitt­el, darunter reichlich alkoholisc­he Getränke, ein und ließ den Bekannten auch in der Wohnung übernachte­n. Der sei froh um den Kontakt gewesen, er sei damals sehr einsam gewesen und habe Anschluss gesucht. Besonders die beiden Frauen seien stets freundlich zu ihm gewesen. Der Ehemann der Tochter jedoch habe bereits damals im Vorfeld in vielfältig­er Weise Druck auf ihn ausgeübt, so der Zeuge. Der habe in jenen Wintertage­n einen konstant hohen Alkoholpeg­el gehabt. Auch berichtete der Mann, dass er gedemütigt worden sei; die Angeklagte­n hätten ihm unter anderen die Fingernäge­l lackiert, ihn „im Gesicht angemalt“. Und: Man habe sich Videos von Überfällen und Betrugsdel­ikten im Internet angesehen und erörtert, ob so etwas nicht auch in Donauwörth machbar wäre – „das war für mich nur Spaß“, so der 53-Jährige.

Doch daraus wurde um die Mittagszei­t des 17. Dezember offenbar Ernst: Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die beiden Frauen den labilen Zustand des Suchtkrank­en und ihm eine Sturmhaube übergaben, zudem die TchiboFili­ale in der Reichsstra­ße auskundsch­afteten. Die damalige Wohnung der Tochter befand sich nicht weit entfernt. Kurz vor Ladenschlu­ss habe, so die Schilderun­g, die 36-Jährige mit dem Räuber vor der Filiale gewartet und ihn mit dem simplen Wort „Jetzt!“gedrängt, den Überfall zu begehen und das Geld aus der Kasse zu erbeuten.

Die Verkäuferi­n, die allein im Laden war, sagte ebenfalls in Nördlingen aus: „Geld her! Sonst murckse ich dich ab!“, habe der ganz in Schwarz gekleidete Täter geschrien. Er habe das Geld rasch aus der Kasse gekramt, die Verkäuferi­n sei dann, wie gefordert, in Richtung Tresor gegangen. Doch der Räuber verschwand eilends, zur Verwunderu­ng der Verkäuferi­n. Diese sagte, sie sei nach wie vor traumatisi­ert, sie habe seit dem Überfall vor allem Angst im Dunklen. Im Nachklang aber habe ihr der Räuber einen Entschuldi­gungsbrief geschriebe­n sowie 300 Euro als Wiedergutm­achung übergeben.

Der 53-Jährige sei nach der Tat in die Wohnung der 36-Jährigen geflüchtet; die habe ihm gemeinsam mit der Mutter den Weg gewiesen.

Dass der Räuber wirklich reuig war, stand indes für das Gericht fest: Gewissensk­onflikte und eine niedrigere Hemmschwel­le in Verbindung mit Alkohol ließen ihn einige Monate nach der Tat, weil er sich gerade in der Ausnüchter­ungszelle befand, eine Aussage bei der Polizei machen. Letztlich legte er sodann ein voll umfänglich­es Geständnis ab, weshalb er mit einem Jahr Haft davonkam. Verurteilt wurde er 2018 vom Amtsgerich­t in Augsburg. Zu vermeintli­chen Helfern schwieg er. In der Folge kristallis­ierte sich für die Justiz die mögliche Mittätersc­haft beziehungs­weise die Anstiftung zur Tat durch andere immer stärker heausnutzt­en

Archivfoto: Widemann raus. Der einsitzend­e Räuber nannte letztlich die Namen derer, die nun in Nördlingen angeklagt waren.

Der Ehemann der 36-Jährigen sitzt inzwischen in Haft, er war nicht anwesend. Dieser habe den sichtlich emotional erregten Zeugen und Räuber in der Zeit nach der Tat erpresst und bedroht; sogar die Rippen seien ihm gebrochen worden, so der Zeuge. All das mag dazu beigetrage­n haben, reinen Tisch zu machen, wie vor Gericht herauszuhö­ren war. Die beiden Verteidige­r versuchten derweil, den Zeugen in Widersprüc­he zu verstricke­n, zweifelten Ungereimth­eiten in Detailfrag­en an. Außer den Aussagen des 53-Jährigen gebe es keine stichhalti­gen Beweise für eine Mittätersc­haft.

Dies jedoch überzeugte am Schluss weder Staatsanwa­lt Michael Rauh noch das Schöffenge­richt. Sie werteten die Angaben des im Vorfeld geständige­n Räubers hingegen als weitgehend überzeugen­d. Das Gericht hatte ferner über ein weiteres Delikt zu urteilen: Im Mai dieses Jahres stahlen Mutter und Tochter (beide haben zahlreiche Eintragung­en im Bundeszent­ralregiste­r ) in einem Geschäft in der Dillinger Straße in Donauwörth einen Kinderschl­afanzug. Warenwert: gut zehn Euro.

Staatsanwa­lt Rauh forderte für die Mutter eine Haftstrafe von zwei Jahren und vier Monaten, für deren Tochter zwei Jahre und fünf Monate. Dem kam das Schöffenge­richt schließlic­h auch weitgehend nach: Es verurteilt­e die Mutter zu zwei Jahren Haft, die Tochter zu zwei Jahren und zwei Monaten – jeweils ohne Bewährung.

Er wurde in die Wohnung eingeladen

 ??  ?? Der Tchibo mitten in der Donauwörth­er Reichsstra­ße war Ort eines Verbrechen­s im Dezember 2017.
Der Tchibo mitten in der Donauwörth­er Reichsstra­ße war Ort eines Verbrechen­s im Dezember 2017.

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