Wie die Seniorenheime den zweiten Lockdown erleben
Die Sorge vor Corona in den Senioren- und Pflegeheimen ist groß. Doch ohne Besuche vereinsamen die Menschen. So bewerten die Verantwortlichen und eine Bewohnerin die Lage
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Landkreis „Irgendwann kann Corona auch unser Heim treffen. Verhindern kann man das nicht, aber wir geben unser Bestes“, versichert Sabine Böhm, Leiterin des Seniorenheims in Rain. Um diese Einrichtungen hatte es in der vergangenen Woche einige Verwirrungen gegeben: So vermeldete die Kassenärztliche Vereinigung, dass ein Mann im Rainer Seniorenheim mit oder an Covid-19 gestorben wäre. Allerdings war der Labor-Test auf einen Tag datiert, an dem der Mann gar keinen Corona-Test gemacht hatte. Das Gesundheitsamt prüft den Fall derzeit.
Doch unabhängig davon: Böhm ist es wichtig, dass die Bewohner nicht zu isoliert leben und ihre sozialen Kontakte halten können. In Rain könne maximal eine Person täglich von Montag bis Sonntag einen Heimbewohner besuchen, erklärt die Heimleiterin. Die Treffen finden auf dem Zimmer oder im Garten unter den Hygienemaßnahmen statt. Die momentan 116 Bewohner in der Lechstadt halten auf ihren Stationen untereinander Kontakt, essen oder sitzen zusammen.
Die Bewohner gingen ganz unterschiedlich mit den beschränken Besuchszeiten um. Manche seien positiv und telefonierten wieder mehr, andere seien eher niedergeschlagen, sagt Böhm. Ein Bewohner säße immer am großen Fenster vorne am Eingang und rede von dort aus mit seiner Tochter, die in der Straße wohne und öfters vorbeischaue. Besonders in Erinnerung geblieben ist Böhm der Satz einer Bewohnerin: „Mei, was wir alles schon überstanden haben. Da werden wir das auch noch schaffen“, zitiert die Heimleiterin und fügt hinzu: „Das hat mir auch wieder Mut gemacht.“
Nach wie vor sei die Situation für viele Heimbewohner sehr schwer. Seit Monaten könnten sie dem Personal und den Angehörigen nur mit Mundschutz und auf Abstand begegnen, ergänzt Jennifer Sax, Pflegedienstleiterin des BRK-Pflegezentrums in Donauwörth. Das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes erschwere die Kommunikation mit vielen Bewohnern, vor allem denen mit kognitiven Einschränkungen wie Demenz. Die sonst so wichtige Mimik, ein Lächeln oder eine Umarmung fehlt Menschen unheimlich. Manche Bewohner verständen durch die Mundbedeckungen akustisch nur schlecht, sagt Sax.
Die Besuche im BRK-Pflegezentrum finden aktuell nur im Foyer statt. Dort könnten alle Hygienemaßnahmen eingehalten werden. Einen Bewohner kann maximal eine Person pro Tag für höchstens 30 Minuten besuchen. Die Maske müsse dauerhaft getragen werden, wenn möglich von den Heimbewohnern ebenfalls. Eine Ausnahme gelte für Bewohner, die wegen ihres Zustandes nicht in das Foyer gebracht werden können – sie können Personen auf dem Zimmer empfangen. Die Besuchszeiten sind von Montag bis Freitag zwischen 14 und 16 Uhr sowie nach vorheriger Terminvergabe am Sonntag von 10.30 bis 16.30 Uhr.
Bei einem Corona-Ausbruch im Pflegezentrum in Donauwörth befürchtet Sax noch eingeschränkteren Besuchsverkehr, weniger Betreuungsangebote und Personalengpässe. Es sei dabei nicht das Virus, das ihr persönlich Angst mache. Eventuelle weitere Maßnahmen vom Gesundheitsamt wären schwer umzusetzen und würden den oftmals ohnehin nicht leichten Pflegealltag zusätzlich erschweren. „Es sind die Folgen der Maßnahmen, die mir Sorge bereiten – wie Ängste und Depressionen sowie Vereinsamung“, sagt sie.
Berta Bauer lebt im BRK-Pflegezentrum in Donauwörth. Vor ein paar Tagen ist sie 87 Jahre geworden. Eigentlich kommt sie aus dem Bayerischen Wald. Vor 20 Jahren zog sie mit ihrem mittlerweile gestorbenen Mann in die Große Kreisstadt. Ihr gehe es aktuell recht gut. „Ich muss die Pflegekräfte loben: Sie achten darauf, dass wir uns an alle Regeln halten“, betont Bauer. Manchmal komme sie sich zwar ein wenig wie im Gefängnis vor, sagt sie, lacht und fügt hinzu: „Streng sind’s alle, aber sie passen eben auf uns auf.“Einfach sei es nicht. Aber lieber so, bevor etwas passiere. Kontakt hat Bauer nur zu anderen Personen auf der Etage im Heim. Im Park kann sie draußen ihre Runden drehen. Besuch erhalte sie prinzipiell schon, aber momentan sei ihr Enkel erkältet und dürfe nicht vorbeikommen. Ihre ältere Tochter aus Würzburg fahre alle paar Wochen zu ihr. Aber ihre jüngere Tochter aus Donauwörth besuche sie häufiger, sagt Bauer.
„Schlimmer als Corona ist die Einsamkeit“, sagt Michael Kupke, Pflegedienstleiter des Ellen-Märker-Hauses der Diakonie in Harburg. Im Frühjahr war dort genau das passiert, wovor sich andere Einrichtungen nun fürchten: ein heftiger Corona-Ausbruch. 14 Bewohner starben mit oder an den Folgen einer Covid-19-Erkrankung. Für sechs Wochen hatte es damals im Heim in Harburg eine „Totalsperre“gegeben. Das müsse man selbst erleben, um die Situation nachvollziehen zu können. Es sei schwierig zu beschreiben, sagt der Pflegedienstleiter. Für die Bewohner fielen damals alle persönlichen Kontakte weg. Er schildert den Fall einer 95-Jährigen im Heim, die sagte, dass sie lieber Corona habe als keine Kontakte.
Momentan ist das Harburger Pflegeheim mit 48 Bewohnern in zwei Gruppen geteilt. Abwechselnd können die Angehörigen die Familienmitglieder im Heim besuchen. Das bedeutet: Dienstag, Freitag und Sonntag beziehungsweise Montag, Mittwoch und Samstag sind die Besuchszeiten jeweils von 14 bis 16 Uhr. Donnerstags ist besuchsfrei. Wenn möglich sollten die Besuche im Freien stattfinden. Diese Regelungen gelten zumindest für den November.„Den Bewohnern geht es ganz gut damit, solange es keine weiteren Beschränkungen gibt“, sagt Kupke.
Für die Pflegekräfte sei die Lage angespannt, aber man könne nun besser mit allem umgehen. Man wisse, wie das Virus funktioniert, und sei für Symptome sensibilisiert. Er hofft, dass es keine weiteren Fälle gebe. „Wahrscheinlich wird sich das aber nicht vermeiden lassen, wenn ich die steigenden Zahlen im Landkreis sehe“, schätzt Kupke.