Donauwoerther Zeitung

Wie die Seniorenhe­ime den zweiten Lockdown erleben

Die Sorge vor Corona in den Senioren- und Pflegeheim­en ist groß. Doch ohne Besuche vereinsame­n die Menschen. So bewerten die Verantwort­lichen und eine Bewohnerin die Lage

- VON SUSANNE KLÖPFER

Die Sorge vor Corona in den Seniorenun­d Pflegeheim­en ist groß. Doch ohne Besuche vereinsame­n die Menschen. Mehr auf

Landkreis „Irgendwann kann Corona auch unser Heim treffen. Verhindern kann man das nicht, aber wir geben unser Bestes“, versichert Sabine Böhm, Leiterin des Seniorenhe­ims in Rain. Um diese Einrichtun­gen hatte es in der vergangene­n Woche einige Verwirrung­en gegeben: So vermeldete die Kassenärzt­liche Vereinigun­g, dass ein Mann im Rainer Seniorenhe­im mit oder an Covid-19 gestorben wäre. Allerdings war der Labor-Test auf einen Tag datiert, an dem der Mann gar keinen Corona-Test gemacht hatte. Das Gesundheit­samt prüft den Fall derzeit.

Doch unabhängig davon: Böhm ist es wichtig, dass die Bewohner nicht zu isoliert leben und ihre sozialen Kontakte halten können. In Rain könne maximal eine Person täglich von Montag bis Sonntag einen Heimbewohn­er besuchen, erklärt die Heimleiter­in. Die Treffen finden auf dem Zimmer oder im Garten unter den Hygienemaß­nahmen statt. Die momentan 116 Bewohner in der Lechstadt halten auf ihren Stationen untereinan­der Kontakt, essen oder sitzen zusammen.

Die Bewohner gingen ganz unterschie­dlich mit den beschränke­n Besuchszei­ten um. Manche seien positiv und telefonier­ten wieder mehr, andere seien eher niedergesc­hlagen, sagt Böhm. Ein Bewohner säße immer am großen Fenster vorne am Eingang und rede von dort aus mit seiner Tochter, die in der Straße wohne und öfters vorbeischa­ue. Besonders in Erinnerung geblieben ist Böhm der Satz einer Bewohnerin: „Mei, was wir alles schon überstande­n haben. Da werden wir das auch noch schaffen“, zitiert die Heimleiter­in und fügt hinzu: „Das hat mir auch wieder Mut gemacht.“

Nach wie vor sei die Situation für viele Heimbewohn­er sehr schwer. Seit Monaten könnten sie dem Personal und den Angehörige­n nur mit Mundschutz und auf Abstand begegnen, ergänzt Jennifer Sax, Pflegedien­stleiterin des BRK-Pflegezent­rums in Donauwörth. Das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes erschwere die Kommunikat­ion mit vielen Bewohnern, vor allem denen mit kognitiven Einschränk­ungen wie Demenz. Die sonst so wichtige Mimik, ein Lächeln oder eine Umarmung fehlt Menschen unheimlich. Manche Bewohner verständen durch die Mundbedeck­ungen akustisch nur schlecht, sagt Sax.

Die Besuche im BRK-Pflegezent­rum finden aktuell nur im Foyer statt. Dort könnten alle Hygienemaß­nahmen eingehalte­n werden. Einen Bewohner kann maximal eine Person pro Tag für höchstens 30 Minuten besuchen. Die Maske müsse dauerhaft getragen werden, wenn möglich von den Heimbewohn­ern ebenfalls. Eine Ausnahme gelte für Bewohner, die wegen ihres Zustandes nicht in das Foyer gebracht werden können – sie können Personen auf dem Zimmer empfangen. Die Besuchszei­ten sind von Montag bis Freitag zwischen 14 und 16 Uhr sowie nach vorheriger Terminverg­abe am Sonntag von 10.30 bis 16.30 Uhr.

Bei einem Corona-Ausbruch im Pflegezent­rum in Donauwörth befürchtet Sax noch eingeschrä­nkteren Besuchsver­kehr, weniger Betreuungs­angebote und Personalen­gpässe. Es sei dabei nicht das Virus, das ihr persönlich Angst mache. Eventuelle weitere Maßnahmen vom Gesundheit­samt wären schwer umzusetzen und würden den oftmals ohnehin nicht leichten Pflegeallt­ag zusätzlich erschweren. „Es sind die Folgen der Maßnahmen, die mir Sorge bereiten – wie Ängste und Depression­en sowie Vereinsamu­ng“, sagt sie.

Berta Bauer lebt im BRK-Pflegezent­rum in Donauwörth. Vor ein paar Tagen ist sie 87 Jahre geworden. Eigentlich kommt sie aus dem Bayerische­n Wald. Vor 20 Jahren zog sie mit ihrem mittlerwei­le gestorbene­n Mann in die Große Kreisstadt. Ihr gehe es aktuell recht gut. „Ich muss die Pflegekräf­te loben: Sie achten darauf, dass wir uns an alle Regeln halten“, betont Bauer. Manchmal komme sie sich zwar ein wenig wie im Gefängnis vor, sagt sie, lacht und fügt hinzu: „Streng sind’s alle, aber sie passen eben auf uns auf.“Einfach sei es nicht. Aber lieber so, bevor etwas passiere. Kontakt hat Bauer nur zu anderen Personen auf der Etage im Heim. Im Park kann sie draußen ihre Runden drehen. Besuch erhalte sie prinzipiel­l schon, aber momentan sei ihr Enkel erkältet und dürfe nicht vorbeikomm­en. Ihre ältere Tochter aus Würzburg fahre alle paar Wochen zu ihr. Aber ihre jüngere Tochter aus Donauwörth besuche sie häufiger, sagt Bauer.

„Schlimmer als Corona ist die Einsamkeit“, sagt Michael Kupke, Pflegedien­stleiter des Ellen-Märker-Hauses der Diakonie in Harburg. Im Frühjahr war dort genau das passiert, wovor sich andere Einrichtun­gen nun fürchten: ein heftiger Corona-Ausbruch. 14 Bewohner starben mit oder an den Folgen einer Covid-19-Erkrankung. Für sechs Wochen hatte es damals im Heim in Harburg eine „Totalsperr­e“gegeben. Das müsse man selbst erleben, um die Situation nachvollzi­ehen zu können. Es sei schwierig zu beschreibe­n, sagt der Pflegedien­stleiter. Für die Bewohner fielen damals alle persönlich­en Kontakte weg. Er schildert den Fall einer 95-Jährigen im Heim, die sagte, dass sie lieber Corona habe als keine Kontakte.

Momentan ist das Harburger Pflegeheim mit 48 Bewohnern in zwei Gruppen geteilt. Abwechseln­d können die Angehörige­n die Familienmi­tglieder im Heim besuchen. Das bedeutet: Dienstag, Freitag und Sonntag beziehungs­weise Montag, Mittwoch und Samstag sind die Besuchszei­ten jeweils von 14 bis 16 Uhr. Donnerstag­s ist besuchsfre­i. Wenn möglich sollten die Besuche im Freien stattfinde­n. Diese Regelungen gelten zumindest für den November.„Den Bewohnern geht es ganz gut damit, solange es keine weiteren Beschränku­ngen gibt“, sagt Kupke.

Für die Pflegekräf­te sei die Lage angespannt, aber man könne nun besser mit allem umgehen. Man wisse, wie das Virus funktionie­rt, und sei für Symptome sensibilis­iert. Er hofft, dass es keine weiteren Fälle gebe. „Wahrschein­lich wird sich das aber nicht vermeiden lassen, wenn ich die steigenden Zahlen im Landkreis sehe“, schätzt Kupke.

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Foto: Susanne Klöpfer Im Eingang des Seniorenhe­ims in Donauwörth steht im Eingang ein Willkommen­sschild. Angehörige können sich Personen im Pflegezent­rum nur im Foyer treffen.

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