Donauwoerther Zeitung

Die Bischöfe müssen wissen, für wen sie da sind

Viele Gläubige wenden sich ab, weil die katholisch­e Amtskirche nur um sich selbst kreist. Dabei läuft die Uhr, der Umbruch ist unvermeidl­ich

- VON ALOIS KNOLLER loi@augsburger‰allgemeine.de

Sie sprechen von ewigen Wahrheiten und wissen doch, dass alles sich wandelt. Je lauter der Ruf nach Reformen in der katholisch­en Kirche und nach glaubwürdi­ger Umkehr im Missbrauch­sskandal wird, desto unbeholfen­er wirken die Abwehrmaßn­ahmen einzelner deutscher Bischöfe. „Haben die Verantwort­lichen wirklich verstanden?“, fragte der Präsident des Zentralkom­itees der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg, gestern zum Auftakt der Vollversam­mlung. Die Antwort liegt auf der Hand: Nein, haben sie nicht.

Sein Vorgänger befinde sich in einem „Prozess der Selbstrefl­exion“, der durchaus schmerzhaf­t sei, erklärte diese Woche der Aachener Bischof Helmut Dieser. Nach der Vorstellun­g eines Gutachtens über sexuellen Missbrauch durch Priester der Diözese wünschte er sich von allen Verantwort­lichen ein „Zeichen der Reue“. Das Gutachten hatte nämlich die frühere Bistumslei­tung belastet, sie sei mehr am Schutz der Täter interessie­rt gewesen als an der Fürsorge für die Opfer. Dieser verheerend­e Eindruck ist in mehreren Diözesen entstanden.

Zerknirsch­ung stünde auch dem Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki gut zu Gesicht. Kurzerhand kassierte jener Ende Oktober eine bereits fertige Missbrauch­sstudie über sein Erzbistum wegen angebliche­r Mängel ein und behauptete zur Rechtferti­gung, der Betroffene­nbeirat im Erzbistum sehe das auch so. Tat er aber nicht.

Jetzt empört sich der ZdK-Präsident zu Recht über diese Instrument­alisierung. „Die Übernahme von Verantwort­ung durch Amtsträger ist würdevolle­r als peinliches Durchlavie­ren“, schrieb Sternberg in seinem Bericht zur Lage gestern den Oberhirten ins Stammbuch. Zweifellos: Die Autorität der Bischöfe ist massiv infrage gestellt. Das Kirchenvol­k wendet sich ab, weil die Hierarchie nur um sich selber kreist.

Unvermeidl­ich bahnt sich ein tief greifender Umbruch im deutschen Katholizis­mus an – und löst in der Führungseb­ene riesige Ängste aus: Dass die gute alte Tradition nichts mehr gilt. Dass die Priester ihr Ansehen einbüßen. Dass sich die Gottesdien­ste leeren, die Gläubigen in Scharen austreten und dadurch das Geld knapp wird. Dass die Frauen immer drängender volle Teilhabe an den Ämtern – auch den geistliche­n – verlangen. Allenthalb­en ist Ungeduld spürbar. Die Uhr läuft ab.

Die Zukunft der katholisch­en Kirche in Deutschlan­d wird sich an den Frauen entscheide­n. Wenn sie nicht wirklich gleichbere­chtigt werden, laufen sie davon. Ihre Geduld ist am Ende, ihr Zorn wächst. Zumal sie wissen, dass die Kirche ohne sie rasch einpacken könnte. Selbst im konservati­ven Bayern sind entschiede­ne Töne zu vernehmen.

Beim Landeskomi­tee der Katholiken in Bayern gipfelte jüngst das Referat einer Ordensschw­ester in dem Satz: „Der Ausschluss der Frauen von geweihten Ämtern wird immer mehr als begründung­spflichtig und als nicht adäquat empfunden.“Dabei geht es ihnen nicht um Würde und Privilegie­n, sondern um Anerkennun­g ihrer seelsorger­lichen Kompetenze­n.

ZdK-Präsident Sternberg ist erstaunlic­h zuversicht­lich, „dass wir in den nächsten Monaten konkrete Fortschrit­te erzielen werden“. Die Dynamik des Synodalen Wegs habe bei verschiede­nen Bischöfen zur „Lösung von Denkblocka­den“geführt. Doch es gibt auch noch welche, die davor warnen, der Reformdial­og dürfe nicht quasi parlamenta­risch über Glauben abstimmen. Kardinal Woelki malt das Schreckbil­d einer deutschen Nationalki­rche. Ganz recht ist es diesen Konservati­ven, dass der Vatikan die lehramtlic­he Keule schwingt.

Bei alledem kommt zu kurz, was die Menschen am meisten in Corona-Zeiten von der Kirche erwarten: Strahlt sie noch Wärme aus?

Ungeduldig drängen die Frauen auf volle Teilhabe

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