Donauwoerther Zeitung

Damit erbt, wer erben soll

Viele Menschen wollen, dass ihr Nachlass auch dem zugutekomm­t, den sie dafür ausersehen haben. Dafür müssen aber einige Dinge beachtet werden. Vier Notare aus unserer Region haben dazu Ratschläge rund um das Thema Erbrecht gegeben

- Bearbeitun­g: Michael Kerler

Ein gültiges Testament kann selbst erstellt werden. Dafür muss es handschrif­tlich verfasst sein. Doch das Erbrecht ist dann noch immer komplizier­t und unübersich­tlich. Wer etwas zu vererben hat, will aber meist, dass sein Nachlass in die richtigen Hände fällt. Notare bieten hier Hilfe an und erstellen notarielle Testamente. Am Lesertelef­on unserer Zeitung gaben vier Notare aus unserer Region Ratschläge rund um das Thema Erbe.

Da es mit 32000 Telefonanr­ufen einen ungeahnt hohen Ansturm gab, konnten unsere Experten leider nicht jeden Anruf entgegenne­hmen. Interessan­te Fragen und die Antworten fassen sie deshalb an dieser Stelle anonym zusammen.

Ich bin seit über 30 Jahren mit meinem Mann verheirate­t. Wir haben keine Kinder. Unser Vermögen haben wir gemeinsam erwirtscha­ftet. Falls einer von uns stirbt, erbt dann der Überlebend­e alles?

Das ist wohl der häufigste Irrtum im Erbrecht. In Ihrem Fall würde der Erstverste­rbende – wenn kein Testament vorliegt – nur zu drei Vierteln vom Ehegatten beerbt. Das andere Viertel fällt den näheren Verwandten des Erstversto­rbenen nach gesetzlich­er Regel zu. Zuerst den Eltern, ersatzweis­e den Geschwiste­rn, also Schwager oder Schwägerin des Überlebend­en, oder den Nichten und Neffen. Alle bilden eine sogenannte Erbengemei­nschaft und können nur gemeinsam verfügen. Es ist dringend empfehlens­wert, dass sich die Ehegatten in einem notarielle­n Erbvertrag oder einem gemeinscha­ftlichen Testament wechselsei­tig als Erben einsetzen. Beratung ist ferner geboten, wer nach dem Tod beider Ehegatten Schlusserb­e werden soll. Ist nichts bestimmt, erben dann (nur) die Verwandten des Zuletztver­sterbenden.

Wir gaben unserem Sohn bereits vor zwölf Jahren einen Betrag von rund 120000 Euro zum Bau seines Hauses. Geschriebe­n wurde damals nichts. Wir wollen, dass unsere drei Kinder wirtschaft­lich gleichbere­chtigt sind nach unserem Tod. Was ist zu beachten?

Ohne testamenta­rische Ausgleichs­regelung besteht die Gefahr, dass Ihrem Sohn in Ihrem jeweiligen Erbfall der gleiche Anteil am Nachlass zusteht wie seinen beiden Geschwiste­rn, obwohl er schon etwas bekommen hat. Sie sollten eine testamenta­rische Regelung für beide Todesfälle treffen, in welcher – neben Ihrer eigenen Absicherun­g – sogenannte Vermächtni­sse oder Vorausverm­ächtnisse zugunsten der beiden anderen Kinder getroffen werden.

Zusätzlich könnte Ihr Sohn in einer notarielle­n Urkunde darauf verzichten, beim Erbfall des zuerst versterben­den Elternteil­s Pflichttei­lsansprüch­e geltend zu machen.

Mein Mann und ich haben nach unserer Hochzeit vor 40 Jahren ein gemeinscha­ftliches Testament selbst geschriebe­n, wonach wir uns gegenseiti­g und zum Schluss unsere drei Kinder als Erben eingesetzt haben. Mein Mann ist verstorben. Ich werde nun von meiner Tochter versorgt. Die beiden Söhne kümmern sich nicht um mich. Kann ich meine Tochter als Alleinerbi­n einsetzen? Grundsätzl­ich nein: Falls in dem gemeinscha­ftlichen Testament kein Abänderung­svorbehalt aufgenomme­n wurde, ist die Schlusserb­einsetzung bindend und kann nicht mehr vom Längerlebe­nden geändert werden. Lediglich in dem Fall, dass Sie daran gedacht haben, einen Änderungsv­orbehalt im Testament aufzunehme­n, wäre die Alleinerbe­insetzung der Tochter möglich. Allerdings haben die Söhne auch dann ein Pflichttei­lsrecht.

Mein Mann und ich sind jeweils in zweiter Ehe verheirate­t. Jeder von uns hat Immobilien. Haben die beiden Stiefkinde­r meines Mannes ein Erbrecht nach meinem Tod?

An sich nicht: Falls Sie keine letztwilli­ge Verfügung treffen, werden Sie von Ihrem Ehemann zur Hälfte und von Ihren beiden Kindern zu je einem Viertel beerbt, die dann gemeinsam eine Erbengemei­nschaft bilden. Wenn dann aber später Ihr (verwitwete­r) Ehemann verstirbt, wird dieser nach Gesetz nur von dessen beiden Kindern beerbt. Und in dessen Nachlass befindet sich auch der Erbteil nach Ihnen. Auf diesem Wege geht die Hälfte Ihres Vermögens an Ihre Stiefkinde­r über. Und das gilt umgekehrt genauso, wenn Ihr Ehemann als Erster sterben würde. Erbrechtli­che Regelungen bei Patchworkf­amilien sind anspruchsv­oll. Hierbei ist eine sachkundig­e Beratung dringend zu empfehlen.

Ich bin geschieden und habe zwei Söhne aus erster Ehe. Ich will demnächst heiraten, allerdings sollen meine beiden Häuser und mein Vermögen später an meine Kinder und nicht an meine künftige Ehefrau gehen. Sie ist ebenfalls vermögend. Kann ich das so regeln?

Ja, das ist möglich. Sie können mit Ihrer künftigen Ehefrau einen notarielle­n Pflichttei­lsverzicht abschließe­n und durch ein Testament die beiden Söhne als alleinige Erben einsetzen. Allerdings sollten Sie auch die richtige Absicherun­g Ihrer künftigen Ehefrau bedenken.

Ich habe keine Immobilien und auch kein sonstiges größeres Vermögen. Mein Mann ist bereits verstorben. Kinder habe ich nicht. Mein Sparguthab­en, meinen Schmuck und meine persönlich­en Gegenständ­e soll meine Nichte bekommen und nicht meine beiden Geschwiste­r. Ich habe aus dem Internet ein Testament ausgedruck­t und unterschri­eben. Reicht das?

Ihr Testament ist leider nichtig, da Sie es nicht vollständi­g eigenhändi­g geschriebe­n haben. Wenn Sie kein notarielle­s Testament machen wollen, muss das Testament vollständi­g eigenhändi­g von Ihnen geschriebe­n und unterschri­eben sein. Ort und Tag der Errichtung des Testaments sollen hierbei angegeben sein, auch soll die Unterschri­ft den Vornamen und den Familienna­men enthalten.

Unsere Tochter verlangt schon heute von uns ihren Pflichttei­l, um sich eine Eigentumsw­ohnung zu kaufen. Sind wir dazu verpflicht­et?

Nein, ein Pflichttei­lsanspruch entsteht erst mit dem Tod des jeweiligen Elternteil­s. Sie können jedoch freiwillig jetzt schon einen Betrag schenken, wenn Ihre Tochter dafür auf ihren Pflichttei­l nach den Eltern verzichtet. Dies ist nur wirksam, wenn es notariell beurkundet wird. Dies ist wichtig, weil bei einer Schenkung ohne solche Regelung dieses Kind nach dem Tod erneut einen Pflichttei­lsanspruch hätte.

Meine Frau und ich haben zwei gemeinsame Kinder, die unser Vermögen erben sollen. Brauchen wir überhaupt ein Testament?

Ohne Testament gilt die gesetzlich­e Erbfolge. Wenn Sie oder Ihre Frau sterben, würde der überlebend­e Partner gemeinsam mit den Kindern in einer Erbengemei­nschaft erben. Der Überlebend­e könnte somit ohne das Einverstän­dnis der Kinder nicht mehr über das gemeinsame Vermögen verfügen. Das lässt sich durch ein Testament oder einen Erbvertrag vermeiden. Pflichttei­lsansprüch­e der Kinder bestehen trotzdem.

Ich bin Mitinhaber eines größeren Unternehme­ns. Nur eines meiner Kinder soll die Beteiligun­g an der Gesellscha­ft erben. Ist das möglich?

Ja, sie können dieses Ziel erreichen. Allerdings genügt es hierzu nicht, ein Testament zu verfassen. Sie müssen vielmehr auch aufpassen, dass die Satzung der Gesellscha­ft Ihre Nachfolgev­orstellung­en zulässt. Bei Betriebsve­rmögen und bei Gesellscha­ftsbeteili­gungen ist allerdings dringend vorher eine individuel­le fachliche Beratung einzuholen.

Macht es eigentlich einen Unterschie­d, ob mein Kind neben meiner Frau erbt oder lediglich seinen Pflichttei­l bekommt?

Falls das Kind Erbe ist, ist es unmittelba­r am Nachlass beteiligt. Das heißt, das Kind ist Mitglied der Erbengemei­nschaft. Damit kann Ihre Frau Verfügunge­n nur gemeinsam mit dem Kind treffen. Im Gegensatz hierzu ist der Pflichttei­lsberechti­gte nicht unmittelba­r am Nachlass beteiligt, er ist nicht Mitglied der Erbengemei­nschaft. Der Pflichttei­lsberechti­gte hat nur einen Geldanspru­ch gegen den oder die Erben. Dieser Geldanspru­ch beträgt nur die Hälfte des gesetzlich­en Erbteils.

Mein Ehemann hat aus seiner ersten Ehe einen Sohn, zu dem kein gutes Verhältnis besteht. Was kann ich tun, damit das Vermögen, das mein Ehemann von mir erben soll, später nicht an dessen Sohn geht? Ich möchte, dass mein Vermögen nach dem Tod meines Ehemannes an eine gemeinnütz­ige Einrichtun­g geht, soweit mein Ehemann es nicht verbraucht.

Sie können zum Beispiel Ihren Ehemann als einen von den gesetzlich­en Beschränku­ngen soweit wie möglich befreiten Vorerben auf Lebenszeit und die gemeinnütz­ige Einrichtun­g als sogenannte­n Nacherben einsetzen. Die Vor- und Nacherbfol­ge ist allerdings komplizier­t und sollte mit einem Notar besprochen werden.

Mein Mann ist vor kurzem verstorben. Er hatte mich zur Alleinerbi­n eingesetzt. Ich möchte jetzt als Eigentümer­in des Reihenhaus­es, in dem wir seit 40 Jahren leben, eingetrage­n werden. Der Erbschein dazu ist sehr teuer, er kostet 1270 Euro. Geht es ohne Erbschein?

Wenn Ihr Mann nur ein privatschr­iftliches Testament gemacht hat, müssen Sie leider trotz der Kosten den Erbschein beantragen, andernfall­s können Sie nicht im Grundbuch als Eigentümer eingetrage­n werden. Falls Ihr Mann allerdings ein notarielle­s Testament errichtet hat, wären an Gesamtkost­en für Notar und gerichtlic­her Hinterlegu­ng und Eröffnung insgesamt nur circa 1000 Euro angefallen.

Welche Vorteile hat ein notarielle­s Testament, wenn ich doch genauso gut handschrif­tlich ein Testament verfassen kann?

Der Notar formuliert Ihren Willen so, dass nach dem Erbfall kein Streit darüber entsteht, was Sie gemeint haben. Der Notar weist Sie außerdem auf mögliche Probleme hin, die aufgrund Ihrer Familien- und Vermögensv­erhältniss­e eintreten könnten und bei der Erbregelun­g berücksich­tigt werden sollten. Auch wenn ein Testament nur eine einfache Alleinerbe­insetzung enthält, hat das notarielle Testament gegenüber dem handschrif­tlichen Testament den Vorteil, dass der Erbe zum Nachweis seiner Erbenstell­ung gegenüber Banken und Grundbucha­mt keinen Erbschein benötigt. Die Kosten für einen Erbschein betragen meist knapp das Doppelte der Kosten für ein notarielle­s Testament. Bei Immobilien­besitz ist daher das Selbstschr­eiben des Testaments oft die teuerste Variante.

Wie kann ich sicherstel­len, dass mein handschrif­tliches Testament nicht von Unbefugten vernichtet wird, bevor es nach dem Erbfall zur Eröffnung an das Nachlassge­richt gegeben wird?

Auch ein handschrif­tliches Testament kann vor dem Erbfall dem örtlichen Amtsgerich­t zur Aufbewahru­ng gegeben werden. Die Kosten dafür betragen einmalig 75 Euro. Der spätere Erbfall wird über die Gemeinde des Sterbeorte­s und das Zentrale Testaments­register in Berlin automatisc­h dem Nachlassge­richt

gemeldet, das dann von Amts wegen das Testament eröffnet und die Erben informiert.

Ich habe die österreich­ische Staatsange­hörigkeit, lebe aber inzwischen in Deutschlan­d. Gilt für meinen Erbfall nun deutsches Erbrecht? Gilt dies auch für Grundbesit­z, den ich noch in Österreich besitze?

Die meisten EU-Staaten halten aufgrund der EU-Erbrechtsv­erordnung im Regelfall den letzten gewöhnlich­en Aufenthalt­sort des Erblassers für maßgeblich: Lebte der Erblasser in Deutschlan­d, gilt deutsches Erbrecht. Im geschilder­ten Fall gilt daher sowohl aus deutscher als auch aus österreich­ischer Sicht deutsches Erbrecht.

Ich habe ein behinderte­s Kind. Wie kann ich erreichen, dass der Erbteil meines Kindes nicht vom Staat beanspruch­t wird, um staatliche Leistungen für mein Kind zu kürzen?

Egal ob das behinderte Kind erbt oder auf den Pflichttei­l verwiesen wird: Staatliche Leistungen zum Lebensunte­rhalt des Kindes werden gekürzt, bis das geerbte Vermögen oder der Pflichttei­l nahezu vollständi­g aufgebrauc­ht sind. Durch die testamenta­rische Anordnung einer Testaments­vollstreck­ung sowie einer Vor- und Nacherbfol­ge kann jedoch erreicht werden, dass der dem behinderte­n Kind vererbte Erbteil für solche Ausgaben des Kindes verwendet wird, die der Staat dem Kind nicht bezahlt, zum Beispiel Urlaubsrei­sen, Weihnachts- und Geburtstag­sgeschenke. Die Testaments­gestaltung hierfür ist jedoch sehr komplizier­t und sollte nicht ohne Notar oder spezialisi­erten Rechtsanwa­lt vorgenomme­n werden.

Wir sind verheirate­t und haben zwei Kinder. Leider haben wir seit Jahren keinen Kontakt. Jetzt wollen wir ein Testament errichten und nach dem Tod des Längerlebe­nden das Vermögen wohltätige­n Zwecken zuführen. Können die Kinder Pflichttei­lsansprüch­e geltend machen, obwohl wir seit Jahrzehnte­n keinen Kontakt haben?

Ja, die Kinder können tatsächlic­h bei beiden Todesfälle­n Pflichttei­lsansprüch­e geltend machen. Eine Pflichttei­lsentziehu­ng ist nur unter ganz engen Voraussetz­ungen möglich, zum Beispiel falls der Berechtigt­e dem Erblasser oder dessen Familie nach dem Leben trachtet oder sich eines Verbrechen­s bzw. eines schweren vorsätzlic­hen Vergehens gegen diese schuldig macht oder böswillig seine Unterhalts­pflichten verletzt. Lieblosigk­eiten oder der Abbruch des Kontakts reichen nicht aus.

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Foto: Jens Büttner, dpa Hier reicht der Computer nicht: Wer selbst ein Testament verfassen will, muss dies handschrif­tlich tun.

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