Donauwoerther Zeitung

Hoffnung auf den „Post‰Corona‰Boom“

Nach dem massiven Wirtschaft­seinbruch erwarten Volkswirte im neuen Jahr eine Rückkehr der Lebensfreu­de und ein starkes Wachstum. Doch bis dahin müssen viele Betriebe noch durch ein tiefes Tal gehen

- VON MICHAEL KERLER

Frankfurt am Main Die Gasthäuser haben geschlosse­n, Kinos und Fitnessstu­dios sind zu. Deutschlan­ds Wirtschaft, so empfindet man es, stolpert durch den Corona-Herbst wie ein Spaziergän­ger durch dicken Nebel. Vielen Menschen geht es ähnlich. Wann ist die Pandemie zu Ende? Wird ein Impfstoff wirken? „Die Mächtigkei­t einer globalen Pandemie wurde uns eindrückli­ch vor Augen geführt“, sagt Stefan Bielmeier, Chefvolksw­irt der genossensc­haftlichen DZ-Bank, als er die Konjunktur- und Kapitalmar­ktaussicht­en des Instituts für das kommende Jahr vorstellte. Deutschlan­d wird dieses Jahr mit einer Rezession abschließe­n. Aber die ersten Volkswirte sehen bereits hellere, klare Tage. Denn das kommende Jahr werde bestimmt von einem „PostCorona-Boom“, prognostiz­iert Bielmeier.

Die DZ-Bank erwartet nächstes Jahr „sehr kräftiges Wachstum“. Nach dem Herunterfa­hren der Wirtschaft im Frühjahr, aber auch mit dem zweiten Teil-Lockdown im Herbst hatten die Bürger weniger Gelegenhei­t, Geld auszugeben. Die Sparquote sei hoch gewesen, hat die DZ-Bank beobachtet. Das könnte sich ändern: „Nächstes Jahr wird das Geld wieder kräftiger ausgegeben werden“, erwartet Bielmeier. Dies sehe man aktuell in China. „Dort geben die Leute das Geld mit vollen Händen aus.“

Grund für Konjunktur-Optimismus: Sollte das Coronaviru­s nächstes Jahr in den Griff zu bekommen sein, erwarten die Experten eine „Rückkehr der Lebensfreu­de“, wie es Christian Kahler, der Chefstrate­ge der DZ-Bank, nennt. Die Menschen könnten wieder Konzerte besuchen, in den Urlaub fahren, das Versäumte nachholen. „Nach allen Krisen der jüngeren Vergangenh­eit ist bisher ein Boom erfolgt“, sagt Kahler. Fast alle Regionen der Welt werden den DZ-Bank-Prognosen zufolge wachsen, Deutschlan­d um 3 Prozent, China gar um knapp 9 Prozent. Der Aktieninde­x Dax könnte auf bis zu 14 000 Punkte steigen.

Durch die US-Wahl erwartet Chefvolksw­irt Bielmeier zwar kein Ende der Handelsstr­eitigkeite­n: „Der neue Präsident Joe Biden wird die Handelspol­itik gegenüber China nicht so sehr ändern, das AmericaFir­st-Denken wird weiter eine Rolle spielen.“Europas Zentralban­ken werden aber an ihrer lockeren Geldpoliti­k festhalten, die Zinsen bleiben niedrig, prognostiz­iert er. Das hilft der Wirtschaft.

Noch einen Tick positiver sind die Konjunktur-Erwartunge­n von Helaba-Chefvolksw­irtin Gertrud Traud. Sie erwartet, dass sich die Staaten weiter wie eine „Nanny“verhalten: Sie lenken mit Ausgangssp­erren, Mundschutz-Regeln und anderem mehr das Verhalten der Menschen, stehen der Wirtschaft aber auch mit massiven Hilfen zur Seite. Damit könnte 2021 die Wirtschaft kräftig wachsen.

Sicher, es kann ganz anders kommen: Bleibt der Impfstoff aus, mutiert das Virus oder treten andere unvorherge­sehene Ereignisse ein, dann könnte die Krise wie ein „Poltergeis­t“die Wirtschaft nochmals auf Talfahrt schicken, meint Traud. Umgekehrt könnte alles besser kommen und ein Digitalisi­erungsboom das wirtschaft­liche Leben und die Aktienmärk­te noch stärker beflügeln. Beide Szenarien stuft die Helaba aber als nicht sehr wahrschein­lich ein.

Bis zum Boom steht zunächst ein harter Winter ins Haus: Das nächste halbe Jahr werde wirtschaft­lich noch „schwierig“, sagt DZ-BankExpert­e Bielmeier. Die CoronaPand­emie hat viele Länder fest im Griff, die Gegenmaßna­hmen könnten sogar noch restriktiv­er werden.

Tatsächlic­h ist man derzeit in Bayern vom Boom noch weit entfernt. „Die bayerische Wirtschaft befindet sich aufgrund der CoronaPand­emie weiterhin in einer extrem schwierige­n Lage“, sagte diese Woche Wolfram Hatz, Präsident der

Vereinigun­g der Bayerische­n Wirtschaft, kurz vbw. Bleibe der TeilLockdo­wn auf den November begrenzt, werde Bayerns Wirtschaft dieses Jahr um 6,5 Prozent schrumpfen. „Falls der Lockdown verlängert wird, ist mit einem Rückgang von 7 Prozent zu rechnen“, sagt Hatz.

Das hinterläss­t am Arbeitsmar­kt Spuren. Die Zahl der Arbeitslos­en in Bayern wird dieses Jahr deutlich ansteigen – um rund 71200 auf rund 280000, davon geht das Institut für Arbeitsmar­kt- und Berufsfors­chung aus. Die Arbeitslos­enquote im Freistaat würde sich heuer um rund ein Drittel auf 3,7 Prozent erhöhen und auch nächstes Jahr noch zulegen. „Das bereitet uns Sorge“, sagt vbwHauptge­schäftsfüh­rer Bertram Brossardt. Er fordert, auf neue Belastunge­n der Wirtschaft zu verzichten und lehnt ein Recht auf Homeoffice oder Steuererhö­hungen ab.

Getroffen hat die Corona-Krise auch viele Unternehme­n in unserer Region. Die Commerzban­k hat in Schwaben und Teilen Oberbayern­s 50 Mittelstän­dler zu den Folgen der Corona-Krise befragt. Davon sagte nur rund ein Drittel, dass sie die Krise nicht trifft. Ein weiteres Drittel ist betroffen, das letzte Drittel sehr stark, teilweise so sehr, dass die Existenz bedroht ist. Die schwäbisch­en Unternehme­r schlagen sich leicht besser als es bundesweit der Fall ist. Für die Commerzban­k ein Hinweis, dass sich Unternehme­n in der Region etwas konservati­ver aufstellen oder mehr Rücklagen gebildet haben.

„Es gibt aber Branchen, die extrem stark leiden, darunter Gastronomi­e und Tourismus“, sagt Commerzban­k-Niederlass­ungsleiter Stefan Rossmayer. „Geschwächt­e Branchen trifft der zweite Lockdown härter, wenn man zum Beispiel an einen Partyservi­ce denkt“, fügt er an. Er rechnet zwar nicht mit einer großen Insolvenzw­elle. Es sei aber möglich, dass einzelne Firmen in die Krise rutschen, wenn zum Jahresende die Erleichter­ungen im Insolvenzr­echt auslaufen.

Die Erholung, sie wird also Zeit brauchen. „Das Vor-Krisen-Niveau werden wir insgesamt erst im Jahr 2022 erreichen, in manchen Branchen sogar später“, sagt vbw-Präsident Hatz.

Dichter Nebel ist so schnell nicht verschwund­en.

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Foto: Arne Dedert, dpa Chefvolksw­irte erwarten nach der Corona‰Krise bereits nächstes Jahr deutliches Wirtschaft­swachstum. Das könnte die Börse beflügeln.

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