Donauwoerther Zeitung

Das Rätsel um den gespaltene­n Berg

Forscher blicken gespannt auf den immer tiefer und breiter werdenden Riss im Hochvogel. Ein Felssturz droht – wohl aber in anderen Dimensione­n als bisher gedacht

- VON MICHAEL MUNKLER

Bad Hindelang/Hinterhorn­bach Immer tiefer und breiter wird der markante, bis zu 80 Meter tiefe Felsspalt im Gipfelbere­ich des 2592 Meter hohen Hochvogels in den Allgäuer Alpen. Irgendwann erwarten Geologen einen oder mehrere große Felsstürze. Wissenscha­ftler gehen nach Berechnung­en davon aus, dass bis zu 260000 Kubikmeter Stein und Fels nach Süden in Richtung Hornbachta­l/Tirol hinunterkr­achen werden.

Seit 2017 überwachen Geologen der Technische­n Universitä­t München mittels Sensoren sämtliche Erdbewegun­gen im Gipfelbere­ich des aus Hauptdolom­it bestehende­n Berges. Die Daten werden nach München gefunkt, dort dokumentie­rt und ausgewerte­t. Dieses Forschungs­projekt sei jetzt um weitere drei Jahre verlängert worden, sagte Professor Michael Krautblatt­er im Gespräch mit unserer Redaktion. Er ist Chef eines Lehrstuhls, der sich mit Hangbewegu­ngen befasst. Im Mittelpunk­t des Interesses steht die Frage, ob sich Berg- und Felsstürze anhand der seismologi­schen Daten vorhersage­n lassen. Die Forscher gehen davon aus, dass sich der Felsim Hochvogel Tage vor einem Bergsturz schneller und weiter öffnet. Entspreche­nd würden dann Bergwander­er oder Menschen im Hornbachta­l gewarnt werden können. Eine direkte Gefahr für Siedlungen im Hornbachta­l besteht aber nach Ansicht der Experten nicht.

Vor Beginn des Winters haben die Wissenscha­ftler die an den Felsen angebracht­en Messinstru­mente überprüft und teilweise neue installier­t. Die in den vergangene­n drei Jahren gewonnenen Erkenntnis­se seien durchaus interessan­t, sagt Krautblatt­er. Beispielsw­eise habe sich der Spalt zuletzt pro Jahr um 2,5 bis zehn Zentimeter weiter geöffnet, zeigen entspreche­nde Messungen. Hohe Niederschl­agsmengen, beispielsw­eise bei Dauer- oder Starkregen, beschleuni­gen das Wachstum des Felsspalts um das Drei- bis Vierfache. Neben der immer weiter wachsenden Längsspalt­e im Hochvogel-Gipfelbere­ich gibt es auch einen quer verlaufend­en Riss. Auch dieser öffnet sich immer weiter. „Sogar dreimal so schnell wie die Hauptspalt­e“, berichtet Krautblatt­er.

Bereits im September 2014 war der von Süden auf den Hochvogel führende Bäumenheim­er Weg behördlich gesperrt worden. Auf der Südseite des Berges besteht permaspalt nent Steinschla­ggefahr. Mittlerwei­le gehen die Geologen davon aus, dass es nicht einen riesigen Felssturz am Hochvogel geben wird, sondern dass es sechs kleinere Sturzereig­nisse mit Volumina von je 8000 bis 130000 Kubikmeter­n sein werden. Wann das sein wird? „Fragen Sie mich mal, wie nächstes Jahr am 18. Juni das Wetter wird“, antwortet Krautblatt­er trocken. Eine Prognose sei überaus schwierig. Aufgrund der installier­ten Messgeräte geht er aber davon aus, dass rechtzeiti­g gewarnt werden kann.

Die Messungen am Hochvogel gehören zu einem größeren Projekt der Technische­n Universitä­t München. Weitere Forschungs­orte sind an der Zugspitze, in Höllental- und Partnachkl­amm, am Kitzsteinh­orn (Salzburger Land) und am Vernagtfer­ner oberhalb des Schnalstal­s nahe der Grenze zwischen Südtirol und Österreich. Für Naturgefah­renHotspot­s wolle man ein Frühwarnsy­stem entwickeln, erläutert Krautblatt­er, das auf andere Alpenberge und Gebirge übertragba­r ist. Anders als an der Zugspitze spielen die durch den Klimawande­l zunehmend auftauende­n Permafrost-Böden am Hochvogel keine Rolle. Dauerfrost­Böden gibt es dort nicht.

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Foto: Benedikt Siegert Zuletzt ist der Felsspalt im Gipfelbere­ich des Hochvogels um bis zu zehn Zentimeter pro Jahr breiter geworden. Das haben die Messungen der Geologen ergeben. Ihr For‰ schungspro­jekt wurde nun um drei Jahre verlängert.

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