Donauwoerther Zeitung

Dein Wiesnfreun­d und Helfer

Der Leiter der Münchner „Wiesnwache“warnt einen Wirt vor einer Razzia. Noch bevor der Beamte dafür eine Geldstrafe erhält, wird er befördert. Ungewöhnli­ch, sagt ein Polizeigew­erkschafte­r. Ein Skandal, heißt es aus der Politik

- VON MICHAEL BÖHM

München „Ich war schon immer ein Wiesnfan, habe die Wiesn schon immer im Herzen getragen. Ich mag die Wiesn.“Es ist eine Liebeserkl­ärung an das Münchner Oktoberfes­t, die der Polizeibea­mte in die Kamera des Kollegen spricht. Und eine Liebeserkl­ärung an seinen Job, den des Leiters der sogenannte­n Wiesnwache: „Es ist eine ganz eigene Art und Weise des Polizeidie­nstes. Viel näher dran an den Bürgerinne­n und Bürgern“, sagt der Mann in dem Video, das die Münchner Polizei Anfang Oktober über soziale Medien verbreitet.

Nun ist die Liebe zum Beruf grundsätzl­ich ja etwas Gutes. Bei eben jenem Polizeibea­mten wurde sie aber offenbar zu groß. Größer als die Polizei erlaubt, sozusagen. Denn wie jüngst bekannt wurde, war der Chef der Wiesnwache wohl etwas zu nah dran an den Bürgern beziehungs­weise, in einem Fall, an einem Wiesnwirt. Als das „Winzerer Fähndl“2018 wegen des Verdachts der Schwarzarb­eit gegen einen Subunterne­hmer ins Visier der Polizei geriet, gab der Chef der Wiesnwache dem Wirt kurz vor einer größeren Razzia einen Wink. Das bestätigte nun das Justizmini­sterium auf Nachfrage der Grünen-Fraktion im Landtag. Der Beamte habe zwar keine konkreten Einzelheit­en zu der Durchsuchu­ngsaktion offenbart, dennoch sei gegen ihn ermittelt worden. Wie die Staatsanwa­ltschaft München nun bestätigte, wurde er schließlic­h per Strafbefeh­l zu einer Geldstrafe verdonnert. Medienberi­chten zufolge wurde der Strafbefeh­l im August rechtskräf­tig.

Chef der Wiesnwache ist der Beamte mittlerwei­le nicht mehr. Nicht jedoch wegen des Vorfalls, sondern wegen eines „regelmäßig­en Wechsels der Leitung“, der bereits nach der Wiesn 2019 erfolgte, wie das Po

München erklärt. Mangels Wiesn 2020 sei der Nachfolger noch nicht offiziell vorgestell­t worden. Das oben beschriebe­ne Video im Oktober habe man daher mit „dem letzten operativ tätigen Leiter der Wiesnwache“geführt. Das sei aus fachlicher Sicht sinnvoll.

Der Beamte ist seit Juli dieses Jahres in der Abteilung „Einsatz“des Präsidiums München tätig – in gehobener Position, wie

und berichten. So wurde der 50-Jährige offenbar im April

Zeitung Bild Süddeutsch­e

vom Polizeiobe­rrat zum Polizeidir­ektor, einer der höchsten Dienstgrad­e bei der Polizei, befördert. Noch während straf- und disziplina­rrechtlich­e Verfahren gegen ihn liefen. Ein mindestens ungewöhnli­cher Vorgang, findet Peter Pytlik. Der Krumbacher ist seit dieser Woche neuer Landesvors­itzender der Gewerkscha­ft der Polizei (GdP) in Bayern und sagt: „Während eines Verfahrens sind Beförderun­gen nicht üblich, aber trotzdem möglich, wenn der Beamte vom Dienstlize­ipräsidium

Symbolfoto: Sven Hoppe, dpa herrn in jeder Hinsicht als geeignet erscheint.“Ohne persönlich die Details zu kennen, sei der konkrete Fall aber „sicherlich für Nachfragen geeignet und führt möglicherw­eise auch zu Unverständ­nis, vor allem bei Kolleginne­n und Kollegen, die selbst von solchen Ermittlung­en betroffen waren und nicht befördert worden sind“.

Weniger diplomatis­ch drückt sich da Grünen-Fraktionsc­hefin Katharina Schulze aus. Für sie ist der Fall ein weiterer Polizeiska­ndal. „Es braucht eine transparen­te und umfassende Aufklärung, eine Stellungna­hme vom Innenminis­ter und endlich einen unabhängig­en Polizeibea­uftragten in Bayern“, fordert Schulze. Die Münchner Polizei war zuletzt wegen antisemiti­scher Nachrichte­n in Chats und Drogengesc­häften in Verruf geraten. Gewerkscha­fter Pytlik hält von Schulzes Forderung nach einem Polizeibea­uftragten derweil wenig. „Nein, so einen brauchen wir nicht“, sagt er auf Nachfrage. Es gebe in Bayern bereits genügend Kontrollin­stanzen – von Staatsanwa­ltschaften und Gerichten bis zu internen Ermittlung­en des Landeskrim­inalamtes und einer Disziplina­rbehörde in München. „Das ist völlig ausreichen­d.“

Zurück zur Wiesn: Der vorgewarnt­e Wiesnwirt kam 2018 mit einer reinen Weste aus den Ermittlung­en heraus – anders als der Geschäftsf­ührer einer Reinigungs­firma, die im „Winzerer Fähndl“beschäftig­t war. Er wurde Anfang dieses Jahres zu viereinhal­b Jahren Haft verurteilt. Er soll unter anderem Steuern hinterzoge­n und Sozialabga­ben für Mitarbeite­r nicht bezahlt haben. Das Landgerich­t München I hatte den Mann auch wegen Insolvenzv­erschleppu­ng und wegen vorsätzlic­hen Bankrotts schuldig gesprochen. Der Schaden ging in die Millionenh­öhe.

Ein wichtiger Auftraggeb­er des Unternehme­rs war neben dem Festzelt „Winzerer Fähndl“auch die Münchner Traditions­gaststätte Nockherber­g.

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 ??  ?? Die Polizei, dein Freund und Helfer – diesen Satz nahm der Leiter der Wiesnwache auf dem Münchner Oktoberfes­t wohl etwas zu wörtlich und brockte sich damit eine Geldstrafe ein. Ein Disziplina­rverfahren läuft noch.
Die Polizei, dein Freund und Helfer – diesen Satz nahm der Leiter der Wiesnwache auf dem Münchner Oktoberfes­t wohl etwas zu wörtlich und brockte sich damit eine Geldstrafe ein. Ein Disziplina­rverfahren läuft noch.

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