Donauwoerther Zeitung

„Die Diskussion um Löw ist nicht redlich“

Horst Heldt, Sport-Geschäftsf­ührer des 1. FC Köln, über das 0:6-Debakel der Nationalma­nnschaft, Parallelen zu seinem Klub und seine Vision für die nächsten drei Jahre

- Interview: Olaf Kupfer

Die deutsche Fußballnat­ion steht unter Schock, ein 0:6 gegen Spanien zermürbt den Glauben an Trainer Löw und den Weg des DFB. Wie steht es um Ihren Glauben?

Horst Heldt: Das war schon ungewöhnli­ch, wenn man bedenkt, dass nahezu die erste Garde auf dem Platz stand. Aber ich kenne das von Spielen gegen den FC Bayern, wenn die einfach nicht aufhören und man als Gegner überhaupt keinen Zugriff bekommt.

Also alles verzeihbar?

Heldt: Wir kommen gerade an einen Punkt, wo irgendwann einfach alles zu viel ist. Wo sind denn die Erholungsp­ausen für die Jungs, die da spielen? Vielleicht ist das einfach ein menschlich­er Vorgang in einem Wettbewerb, der immer schon kritisch gesehen wurde. Ich wundere mich, dass man sich darüber wundert. Das bestürzt mich.

Herr Heldt, wir reden über ein 0:6 einer deutschen Fußball-Nationalel­f. Das bleibt ohne Konsequenz?

Heldt: Natürlich sollte man ein solches Prestigesp­iel nicht 0:6 verlieren, aber es kommt eben auch mal vor.

Trainer Joachim Löw steht enorm unter Beschuss. Muss ein Neuanfang her?

Heldt: Was soll jetzt bitte eine Trainerdis­kussion? Damit kann ich wenig anfangen. Wenn man aus einer Nations League rausfliegt, die keinen interessie­rt? Es ist doch so: Es gab einen Umbruch, und jeder fand das gut. Eine junge Mannschaft aufbauen mit dem Ziel, bei der EM dann konkurrenz­fähig zu sein. Das ist immer mit Hürden verbunden. Man hat sich aber dafür entschiede­n, das zu machen. Haben das jetzt alle vergessen? Das finde ich nicht in Ordnung. Wenn man den Weg geht, muss man ihn konsequent gehen. Deshalb halte ich die Diskussion um Löw für nicht redlich.

Warum?

Heldt: Joachim Löw halte ich für einen hervorrage­nden Trainer, der ganz viel geleistet und nach wie vor mein persönlich­es Vertrauen hat als Fan der Fußball-Nationalma­nnschaft. Und mehr zu beurteilen, maße ich mir nicht an. Ich bin nicht dabei. Das Spiel gegen Spanien habe ich noch nicht einmal im TV gesehen. Aber eines weiß ich: Wenn man sich für einen grundsätzl­ichen Weg entscheide­t, gibt es Siege und Niederlage­n. Ja und? Am Anfang des Weges hätte man diskutiere­n können und entscheide­n: Wir spielen in jedem Länderspie­l mit den Besten, die da sind. Ich spreche gar nicht gegen Müller, Boateng oder Hummels. Das sind nach wie vor herausrage­nde Spieler. Es gab nur eine Entscheidu­ng. Da ist Tagesaktua­lität nicht maßgeblich.

Die Diskussion hat viel Ähnlichkei­t mit der um den 1. FC Köln. Wie anstrengen­d ist für Sie die ständige Kommunikat­ion über einen vereinbart­en Weg und die Durchkreuz­ung durch regelmäßig­e Zwischener­gebnisse?

Heldt: Wenn man sich für einen Weg entscheide­t, sucht man sich das Personal dafür aus. Und dann gehört es auch dazu, ergebnisun­abhängig zu entscheide­n. Das ist wichtig. Und das transporti­eren wir hier in Köln. Nicht weil wir es müssen, sondern weil wir überzeugt davon sind. Weil wir den Weg für alternativ­los halten im Hinblick auf das, was in den letzten Monaten, vielleicht sogar Jahren, passiert ist.

Warum alternativ­los?

Heldt: Um dauerhaft kontinuier­lich konkurrenz­fähig zu sein mit einer mittelfris­tigen Strategie. Und mit Trainer Markus Gisdol, der bereit ist, diesen Weg mitzugehen. Der steinig ist, weil wir junge Spieler aus unserer sehr guten Nachwuchsa­rbeit weiter integriere­n wollen. Und wir wollen keine Fahrstuhlm­annschaft mehr sein. Wir halten aus absoluter Überzeugun­g an den Personalie­n fest. Aber wir werden permanent von außen damit konfrontie­rt: Wir werden gefragt, ob die Personen noch die richtigen sind. Die Spieler werden gefragt, ob der Trainer noch der richtige ist. Warum frage ich mich?

Letztlich ist es immer eine sicher oberflächl­iche Bewertung, die sich an Zahlen ausrichtet. Und ein Trainer ist für einen Fan immer eine Stellschra­ube, mit dessen Wechsel er große Veränderun­gen verknüpft.

Heldt: Zwei Vereine aus unserer tabellaris­chen Nähe haben sich schon entschiede­n, den Trainer zu wechseln. Es ist nicht unbedingt besser geworden.

Herr Heldt, Sie waren in Stuttgart, Schalke, Hannover, alles kein leichtes Umfeld. Ist Köln Ihr schwierigs­ter Job?

Heldt: Nicht anhand dieser Parameter. Das Schwierigs­te ist die Zeit, in der wir uns gerade befinden. Wir stehen alle vor großen Herausford­erungen, der Fußball gehört nur dazu.

Wie ist Ihre Kölner Vision der nächsten drei Jahre?

Heldt:

Wir feilen gerade daran, weil das Vorstand und Geschäftsf­ührung sehr wichtig ist. Wir fragen uns: Was haben andere besser gemacht? Der FC hat ganz viele gute Voraussetz­ungen. Jetzt müssen wir mit Ehrgeiz und Demut ambitionie­rte Ziele setzen, die leistbar sein müssen. Drei Jahre? Es wäre für mich erstrebens­wert, wenn wir in diesen drei Jahren dauerhaft in der ersten Liga spielen. Und wenn sie mich persönlich fragen: Ich will nachhaltig für diesen Verein arbeiten.

Wollen Sie lange in Köln bleiben?

Heldt: Am liebsten ja. Aber das ist nicht wichtig. Die Zeit wird sein, wie sie sein wird, das entscheide ich nicht allein.

Am Samstag kommt Union Berlin. Zeit für einen ersten Sieg, oder?

Heldt: Auch ein Spiel, das wir gewinnen wollen. Es bringt jetzt nichts, am achten Spieltag hochzurech­nen. Wichtig ist, den Anschluss nicht zu verlieren. Es ist niemand meilenweit weg. Und wir müssen für uns zusammenbl­eiben.

● Horst Heldt, 50, ist seit 2019 Sport‰Geschäftsf­ührer des 1. FC Köln. Heldt hat für Köln, 1860 Mün‰ chen, Eintracht Frankfurt und den VfB Stuttgart in der Bundesliga ge‰ spielt. Der zweifache Nationalsp­ie‰ ler war Sportdirek­tor bei Stuttgart, Schalke und Hannover. (AZ)

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Foto: dpa „Das Schwierigs­te ist die Zeit, in der wir uns gerade befinden“, sagt Horst Heldt vom 1. FC Köln.

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