Donauwoerther Zeitung

Wachsam sein ohne Hysterie

- VON THOMAS HILGENDORF redaktion@donauwoert­her‰zeitung.de

In einer Demokratie ist die Abgrenzung, wann eine bestimmte Haltung als extremisti­sch eingestuft wird, per se keine einfache. Das liegt in der Natur der Sache in einem freiheitli­chen System, das ein breites Spektrum an Meinungen und Strömungen akzeptiere­n oder zumindest tolerieren muss. Will heißen: Nicht jeder, der etwa eine rechte oder linke Haltung hat, ist ein Extremist. Wann aber ist das so? Die Politikwis­senschaft ist sich weitgehend einig, dass Extremismu­s dann vorliegt, wenn sich eine Haltung, die sich aus einer politische­n Ideologie heraus speist, kämpferisc­h gegen die freiheitli­chdemokrat­ische Grundordnu­ng richtet – und dies im Sinne eines (auch gewaltsam herbeizufü­hrenden) Umsturzes. Insofern grenzt diese Definition den Extremismu­s auch vom Radikalism­us ab, der weicher umschriebe­n wird. In unserem System darf eine Gesinnung an sich nicht einfach verboten werden, aus gutem Grund. Im Sinne der Freiheit muss das System einiges ziemlich lange ertragen, letztlich sogar seine Feinde. Und doch ist es mehr als notwendig, achtsam zu sein und angemessen zu reagieren. Braune und rote Rattenfäng­er tragen im Jahr 2020 nicht mehr dasselbe Gewand wie im politisch düsteren 20. Jahrhunder­t; sie haben sich der Zeit angepasst. Gemein ist den Extremiste­n am rechten und linken Rand, dass der politische Gegner mundtot gemacht, völlig ausgegrenz­t werden soll – und sei es durch Gewaltanwe­ndung. Die Hufeisenth­eorie ist insofern nicht ganz von der Hand zu weisen: An ihren äußersten Rändern können sich rechts und links durchaus berühren.

Wie die Vertreteri­n des Verfassung­sschutzes am Freitag in Donauwörth berichtete, „arbeiten“extremisti­sche Gruppen aus beiden Lagern mittlerwei­le wesentlich subtiler als in früheren Tagen. Rechtsauße­n versucht man sich ein modernes Antlitz zu geben, sucht den Weg zu unzufriede­nen Bürgern – mitunter auch bei den Demos der Kritiker der Corona-Maßnahmen. Links findet sich ebenfalls der Versuch der Unterwande­rung, beziehungs­weise der Rekrutieru­ng von Nachwuchs. Hier beobachtet der Verfassung­sschutz die Beteiligun­g an Demonstrat­ionen der ökologisch­en Jugendbewe­gungen. Insofern ist es schwierige­r geworden, in der Region die jeweiligen Szenen zu verorten. Oft sind es Einzelne – an den Rechnern, an den Graffiti-Spraydosen. Aber sie sind recht gut vernetzt, wie es Verfassung­sschützeri­n Beinder erklärte.

Man sollte als Mensch der politische­n Mitte nun nicht hysterisch werden, wenn mal ein Graffiti mit abstoßende­m Inhalt auftaucht – deswegen muss noch kein Umsturzver­such bevorstehe­n. Doch man muss wachsam sein, ohne aber denunziato­risch bei kleinsten Äußerungen am Stammtisch zu werden. Dennoch: Freiheit ist ein kostbares Gut. Sie gilt es besonnen zu schützen vor jenen rechts- und linksaußen, die sie abschaffen wollen.

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