Wachsam sein ohne Hysterie
In einer Demokratie ist die Abgrenzung, wann eine bestimmte Haltung als extremistisch eingestuft wird, per se keine einfache. Das liegt in der Natur der Sache in einem freiheitlichen System, das ein breites Spektrum an Meinungen und Strömungen akzeptieren oder zumindest tolerieren muss. Will heißen: Nicht jeder, der etwa eine rechte oder linke Haltung hat, ist ein Extremist. Wann aber ist das so? Die Politikwissenschaft ist sich weitgehend einig, dass Extremismus dann vorliegt, wenn sich eine Haltung, die sich aus einer politischen Ideologie heraus speist, kämpferisch gegen die freiheitlichdemokratische Grundordnung richtet – und dies im Sinne eines (auch gewaltsam herbeizuführenden) Umsturzes. Insofern grenzt diese Definition den Extremismus auch vom Radikalismus ab, der weicher umschrieben wird. In unserem System darf eine Gesinnung an sich nicht einfach verboten werden, aus gutem Grund. Im Sinne der Freiheit muss das System einiges ziemlich lange ertragen, letztlich sogar seine Feinde. Und doch ist es mehr als notwendig, achtsam zu sein und angemessen zu reagieren. Braune und rote Rattenfänger tragen im Jahr 2020 nicht mehr dasselbe Gewand wie im politisch düsteren 20. Jahrhundert; sie haben sich der Zeit angepasst. Gemein ist den Extremisten am rechten und linken Rand, dass der politische Gegner mundtot gemacht, völlig ausgegrenzt werden soll – und sei es durch Gewaltanwendung. Die Hufeisentheorie ist insofern nicht ganz von der Hand zu weisen: An ihren äußersten Rändern können sich rechts und links durchaus berühren.
Wie die Vertreterin des Verfassungsschutzes am Freitag in Donauwörth berichtete, „arbeiten“extremistische Gruppen aus beiden Lagern mittlerweile wesentlich subtiler als in früheren Tagen. Rechtsaußen versucht man sich ein modernes Antlitz zu geben, sucht den Weg zu unzufriedenen Bürgern – mitunter auch bei den Demos der Kritiker der Corona-Maßnahmen. Links findet sich ebenfalls der Versuch der Unterwanderung, beziehungsweise der Rekrutierung von Nachwuchs. Hier beobachtet der Verfassungsschutz die Beteiligung an Demonstrationen der ökologischen Jugendbewegungen. Insofern ist es schwieriger geworden, in der Region die jeweiligen Szenen zu verorten. Oft sind es Einzelne – an den Rechnern, an den Graffiti-Spraydosen. Aber sie sind recht gut vernetzt, wie es Verfassungsschützerin Beinder erklärte.
Man sollte als Mensch der politischen Mitte nun nicht hysterisch werden, wenn mal ein Graffiti mit abstoßendem Inhalt auftaucht – deswegen muss noch kein Umsturzversuch bevorstehen. Doch man muss wachsam sein, ohne aber denunziatorisch bei kleinsten Äußerungen am Stammtisch zu werden. Dennoch: Freiheit ist ein kostbares Gut. Sie gilt es besonnen zu schützen vor jenen rechts- und linksaußen, die sie abschaffen wollen.