Donauwoerther Zeitung

Leben auf fünf Stockwerke­n

Der Baronturm, Teil der historisch­en Stadtbefes­tigung in Wemding, steht seit langer Zeit leer. Nun macht sich die Kommune darüber Gedanken, wie das Bauwerk genutzt werden könnte

- VON WOLFGANG WIDEMANN

Wemding Da müsste wohl selbst ein gewiefter Immobilien­makler erst einmal angestreng­t nachdenken, um diese Wohnung passend anzupreise­n. Viele Stockwerke hat sie, die Lage ist absolut exponiert, und vor neugierige­n Blicken von Nachbarn sind die Bewohner absolut sicher. Ein weiteres charakteri­stisches Detail: Die Räume haben vergittert­e Schießscha­rten, und die Wände sind bis zu 1,65 Meter dick. Spätestens jetzt ist klar: Das Gebäude ist außergewöh­nlich. Es ist der sogenannte Baronturm in Wemding. Der ist Teil der historisch­en Stadtbefes­tigung, steht seit vielen Jahren leer und könnte nach den Vorstellun­gen des Stadtrats durchaus wieder bezogen werden.

Der Zustand des wohl fast 700 Jahre alten Bauwerks ist nicht der allerbeste. Der Putz blättert ab, im unteren Bereich ist Feuchtigke­it in die Mauern eingedrung­en, das Innenleben besteht eigentlich nur aus Bretterböd­en. Dennoch war der 24 Meter hohe Turm am nordwestli­chen Rand der Altstadt noch mindestens bis in die 1950er-Jahre hinein bewohnt. Damals lebte Recherchen der Stadt zufolge die fünfköpfig­e Schusterfa­milie Grimeis auf den fünf Stockwerke­n, die über eine recht steile Holztreppe mit insgesamt 66 Stufen miteinande­r verbunden sind.

Auf jedem Stockwerk hat der Turm mit einer Grundfläch­e von 6,82 auf 6,44 Meter quasi ein Zimmer. Je weiter es nach oben geht, desto dünner werden die Wände und desto größer die Räume. Früher hatte das Bauwerk nur auf drei Seiten eine Mauer, zur Stadt hin war es offen. Inzwischen befindet sich an dieser Seite eine dünne Fachwerkbe­ziehungswe­ise Holzwand.

Der Wehrgang der Stadtmauer führte einst durch den Baronturm hindurch. Die Mauer ist bis auf einen kleinen Rest an der Südseite des Turms verschwund­en, die Durchgänge sind zugemauert. Über Jahrhunder­te hinweg hatte das Gebäude die Hausnummer 323½, mittlerwei­le lautet die Anschrift: Rennerring 17. Zu dem Anwesen gehört ein angebauter Schuppen, der von der Straße aus über eine Tür in der Stadtmauer erreichbar ist.

Trotz der imposanten Stockwerks­zahl summiert sich die Innenfläch­e des Turms lediglich auf rund 80 Quadratmet­er, wobei das fensterlos­e Erdgeschos­s eher einem Keller gleicht. Weiter oben hingegen bietet sich in südlicher und westlicher Richtung ein herrlicher Blick über die Dächer der Wemdinger Altstadt.

Die Kommune denke schon seit

immer wieder mal darüber nach, wie neues Leben in das historisch­e Gemäuer kommen könnte, berichtet Bürgermeis­ter Martin Drexler. Ein Architektu­rbüro habe vor längerer Zeit im Auftrag der Stadt eine Bestandsau­fnahme gemacht, was alles saniert werden müsste.

Eine öffentlich­e Nutzung – beispielsw­eise als Museum – sei aus Gründen des Brandschut­zes und der

Barrierefr­eiheit schwer vorstellba­r. Zwischendu­rch wurden im Zuge einer Notsicheru­ng im fünften Stockwerk Balken eingezogen, um der Fachwerkwa­nd zur Altstadt hin Stabilität zu verleihen.

Kürzlich stand das Thema Baronturm auf der Tagesordnu­ng einer Sitzung des Grundstück­s-, Bau- und Werksaussc­husses des Stadtrats. Die Kommunalpo­litiker berieten angesichts möglicher weiterer SicheJahrz­ehnten rungsmaßna­hmen, die anstehen, über das weitere Vorgehen. Bei dieser Gelegenhei­t kam Drexler zufolge der Gedanke auf, den Turm eventuell wieder für private Zwecke zu öffnen, also ein Wohnen dort zu ermögliche­n. „Vielleicht gibt es jemanden, der Türmer werden will“, sagt der Bürgermeis­ter dazu. Der findet die Lage geradezu inspiriere­nd: „Das wäre etwas für einen Stadtschre­iber.“

Ein Verkauf komme für die Kommune nicht infrage. Vorstellba­r wäre, dass die Stadt das Bauwerk außen herrichtet, den Baronturm längerfris­tig verpachtet und sich der oder die Bewohner um den Innenausba­u kümmern – mit finanziell­er Förderung des Staats und der Kommune, die für die Altstadt gleich zwei Programme aufgelegt hat.

Die Räte beschlosse­n, dass die Verwaltung jetzt Vorschläge ausarbeite­n soll, wie man den Turm mit dem spitzen Dach nutzen könnte.

Der Baronturm ist nun quasi ein Teil des Immobilien-Management­s, das die Stadt Wemding in ihrem historisch­en Zentrum inzwischen intensiv betreibt. Die Kommune hat 2019 und 2020 bereits einige alte Wohnhäuser gekauft und teilweise an Interessen­ten weiterverm­ittelt. Auf diese Weise will die Stadt aktiv verhindern, dass der mittelalte­rliche Ortskern verödet.

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Fotos: Wolfgang Widemann Diesen Blick hat man aus dem obersten Stockwerk des Baronturms auf die Wemdinger Altstadt. Die Kommune, welcher das historisch­e Bauwerk gehört, arbeitet an einem Konzept, wie neues Leben in den Turm einziehen könnte.

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