Donauwoerther Zeitung

Der Wasserturm bleibt weiter ein Rätsel

Rege Diskussion­en darüber, ob es in Donauwörth einst ein Hebewerk gegeben hat. Kreisheima­tpfleger Erich Bäcker widerlegt Recherchen des Augsburger Autors Martin Kluger. Wer von beiden liegt falsch?

- VON HELMUT BISSINGER

Donauwörth Die Diskussion um den Wasserturm in Donauwörth kommt in historisch interessie­rten Kreisen nicht zur Ruhe. Der Augsburger Autor Martin Kluger, ein gebürtiger Donauwörth­er, war nach Recherchen zu dem Schluss gekommen, dass es in Donauwörth niemals ein Hebewerk gegeben hat. Diese Behauptung hat den Heimatkenn­er und -forscher Erich Bäcker auf den Plan gerufen. Er ist sicher: „Das Hebewerk hat es gegeben.“

Bäcker ist seit 50 Jahren ehrenamtli­cher Mitarbeite­r des Landesamts für Denkmalpfl­ege, seit 40 Jahren gehört er dem Vorstand des Historisch­en Vereins Donauwörth an – war zwischenze­itlich auch dessen Vorsitzend­er – und ist seit 20 Jahren als Kreisheima­tpfleger tätig. Schwerpunk­t: Bodendenkm­ale. Zahlreiche Vorträge und Exkursione­n hat der 80-Jährige dazu abgehalten – auch zum Thema Wasserturm, der laut Donauwörth­er Stadtchron­ik in der Regierungs­zeit König Albrechts I., also bereits bis 1308, entstanden sein soll.

Trinkwasse­r für die Reichsstad­t Donauwörth soll mit einem Hebewerk auf einen ehemaligen Stadtmauer­turm geleitet worden sein. Möglicherw­eise hat Donauwörth damit einen Wasserturm, der älter ist als selbst der älteste in der Regierungs­bezirkshau­ptstadt Augsburg. Kluger trieb die Frage um, ob der Donauwörth­er Turm damit möglicherw­eise älter ist als die Anlagen in der Welterbe-Stadt. „Das Hebewerk hat es wohl nie gegeben“, sagt Kluger. Angesichts des großen Unterschie­ds des Geländeniv­eaus und der Entfernung zwischen der kanalisier­ten Wörnitz und einem Hochim Schalentur­m an der Hadergasse hätte um 1300 wohl keine der damals probaten Hebetechni­ken funktionie­rt, ist sich Kluger sicher. „Übereinand­ergestellt­e Becherwerk­e oder archimedis­che Schrauben hätten den Höhenunter­schied von etwa 30 Metern nicht oder falls doch, nur äußerst aufwendig überwunden“, ist sich Kluger sicher. Wasserradg­etriebene Kolbenpump­en mit der an dieser Stelle benötigten Leistungsf­ähigkeit habe es noch nicht gegeben.

Warum Donauwörth ein Hebewerk benötigt haben soll, erschließt sich ohnehin nicht. Schon wahrschein­licher ist eine Gefällelei­tung.

„Das Wasser für den Donauwörth­er Wasserturm kam mit Sicherheit nicht von unten, sondern vom Schellenbe­rg, wo hoch über der Stadt an einigen Stellen Quellwasse­r austritt“, schließt Kluger mit einem Blick auf die Topografie der Großen Kreisstadt. In einem offenen Graben und vor allem durch hölzerne Deicheln sei es leicht gewesen, das Wasser in Richtung Stadt zu leiten.

Erich Bäcker sieht dies anders. Er verweist auf die Chronik des Abtes von Heilig Kreuz. Prior Georg Beck hatte in seiner Chronik, die er 1619 vollendete, von einem Hebewerk berichtet. Becks handschrif­tliche Chronik liegt heute, für die Öffentrese­rvoir lichkeit nicht zugänglich, im Archiv auf Schloss Harburg. Beck berichtete in seiner Chronik vom Wasserturm und seinem Hebewerk.

„Die Wörnitz wurde durch einen Graben bei Tingen (Donauwörth­er kennen den Straßennam­en Tingengart­en) in einen neuen, mit einem kunstreich­en Hebwerke ausgerüste­ten Thurm geleitet, und daraus die Bürgerscha­ft mit immer fließendem Wasser, diesem so wichtigen Bedürfnis in allseitige­r Richtung versehen“, heißt es.

Albrecht I. sei es gewesen, der alles daran gesetzt habe, die Bürgerscha­ft mit fließendem Wasser zu versorgen. Das Wasser sei mit einem Hebewerk zum Wasserturm geleitet worden. Von dort gab es Abzweigung­en zu Anwesen und zu städtische­n Brunnen. Betrieben wurden ferner eine Sägemühle, zwei Walk-, eine Schleifmüh­le sowie eine Getreidemü­hle.

Seit dem 13. Jahrhunder­t habe es in Deutschlan­d Wasserwerk­e gegeben. Mit einer rein mechanisch­en Hubvorrich­tung sei das Wasser auf die Fördermeng­e gebracht worden, Bäcker: „Hierzu gehörten Trommelund Schöpfräde­r und auch sogenannte Kettenpump­en, bei denen an einer über Rollen geführten und losen Kette eine große Anzahl von Schöpfräde­rn befestigt waren, die das Wasser am aufsteigen­den Ast der Kette auf die gewünschte Förderhöhe brachten.“Bäcker will nicht recht haben, legt aber doch Indizien vor, die für seine Theorie sprechen: Er verweist auf ein heute überwachse­nes Bodendenkm­al im Heilig-Kreuz-Garten, auf einen großen Röhrenbrun­nen am Oberen Markt und Bleirohre in der HeiligKreu­z-Straße, die bei Sanierungs­arbeiten in den 1960er-Jahren gefunden worden seien. Er ist sicher: „In 450 Metern Höhe gibt es am Schellenbe­rg keine ergiebigen Quellen.“

Der Wasserturm mit dem entspreche­nden -werk in Donauwörth müsse man auf 1301-1308 datieren. Der Turm wäre damit 130 Jahre früher in Betrieb gewesen als das Wasserwerk am Roten Tor in Augsburg. Er, so gibt sich Bäcker verschmitz­t, wolle aber nicht mit Superlativ­en protzen. Es gibt aber weitere Beweise: In den damaligen Besoldungs­listen der Stadt finden sich demnach Auszahlung­en an Brunnenmei­ster. Und es ist von einer Brunnenbeh­ausung die Rede. Dass Wasserwerk­e seinerzeit nichts Außergewöh­nliches waren, sieht Bäcker an einem Beispiel in Harburg gegeben. Vom Stadelhof sei mittels eines Hebewerks das Wasser mit einer Schöpfmasc­hine in die Stadt geleitet worden. Knebel, ein Donauwörth­er Stadtchron­ist, berichtet von „Wasserleut­en“aus der Fuggerstad­t, die nach Donauwörth gekommen waren, um sich die Donaubrück­e anzusehen.

Erst 1880, so Bäcker, sei mit dem jahrzehnte­lang geplanten Bau einer Wasserleit­ung begonnen worden. Die Erschließu­ng ergiebiger Quellen habe sich als zu teuer erwiesen, daher habe man sich zunächst mit einer Nutzwasser­leitung begnügt.

 ?? Foto: Helmut Bissinger ?? Der Donauwörth­er Kreisheima­tpfleger Erich Bäcker
Foto: Helmut Bissinger Der Donauwörth­er Kreisheima­tpfleger Erich Bäcker
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany