Donauwoerther Zeitung

Golf statt Gipfel

Die G20 diskutiere­n über Corona. Trump zeigt wenig Interesse

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Riad/Washington Donald Trump hatte keine Lust auf die Videoschal­ten der G20. Sichtlich gelangweil­t sitzt der US-Präsident schon zum Auftakt des Gipfels im Konferenzr­aum des Weißen Hauses. Seine gebückte Haltung lässt vermuten, dass er sich eher mit dem Smartphone beschäftig­t – und in seiner Twitterbla­se schwebt: Parallel verbreitet er Tweets mit Behauptung­en über Wahlbetrug bei seiner Niederlage. Auch zur Gesundheit seines nach Medienberi­chten mit Corona infizierte­n Sohnes äußert er sich – nicht aber zu den konkreten Inhalten des G20-Gipfels.

Nach gut eineinhalb Stunden Gipfel scheint er genug davon zu haben. Er fährt für den Rest des Tages in seinen Golfclub in Sterling im nahen Bundesstaa­t Virginia – während Bundeskanz­lerin Angela Merkel und andere Staats- und Regierungs­chefs über die Strategien zur Eindämmung der Corona-Pandemie beraten. Der noch bis zum 20. Januar amtierende US-Präsident reiste schon früher nicht begeistert zu Gipfeltref­fen ins Ausland – genoss dann aber das Rampenlich­t. Bei einer Videoschal­te ist ein großer Auftritt aber nicht möglich. Hat Trump keine Lust mehr? Seit fast drei Wochen hat er sich kaum noch öffentlich gezeigt, ist Fragen von Journalist­en komplett ausgewiche­n.

Die G20 vereinbart­en nun eine gerechte Verteilung von bezahlbare­n Impfstoffe­n in der Welt, aber in der Runde macht Trump deutlich, dass aus seiner Sicht erst mal alle Amerikaner geimpft werden sollten, wie aus Delegation­skreisen verlautete. Eben „Amerika zuerst“.

Trumps Verhalten bestätigte, was schon vorher nahe lag: Dieser

G20-Gipfel per Videoschal­te und mit vorab aufgezeich­neten Reden unterschie­d sich von allen früheren Spitzentre­ffen. Es fehlten die informelle­n Gespräche am Rande, die oft wichtiger sind als die großen Runden. Nach außen drangen auch nur wenige Bilder.

Merkel dürfte Trump kaum vermisst haben, als dieser längst beim Golfen war. Die Kanzlerin ist am Sonntag auf den Tag genau 15 Jahre im Amt. Auf dem Gipfel wirbt sie für starke Instrument­e internatio­naler Zusammenar­beit: Welthandel­sorganisat­ion, Währungsfo­nds, Weltbank. Sie mahnt eine „globale Kraftanstr­engung“an.

Zwar nervt die Kanzlerin, dass in Corona-Zeiten die üblichen bilaterale­n Treffen wegfallen, die ihr am Rande immer sehr wichtig sind. Doch womöglich war es Merkel ganz recht, dass sie dem saudischen Kronprinze­n Mohammed bin Salman nicht die Hand schütteln musste. Angesichts des Gesundheit­szustandes des greisen Königs gilt er längst als der eigentlich starke Mann des Königreich­s. Kritiker sehen den 35-Jährigen auch als Drahtziehe­r für den Mord an dem saudischen Journalist­en Dschamal Kaschoggi in Istanbul. Aber als Wirtschaft­spartner ist Riad für Merkel kaum verzichtba­r – Menschenre­chtsverlet­zungen hin oder her.

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Foto: Saudi Press Agendy/dpa König Salman bin Abdulaziz Al Saud (rechts) von Saudi‰Arabien führt den Vorsitz beim virtuellen G20‰Gipfel.

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