Ist alles nur ein Computerspiel?
Matt Ruff amüsiert wieder mit Tiefsinn
Matt Ruff ist ja immer für eine ausgefallene Idee gut – und mit jeder Menge Schwung schreiben kann der New Yorker sowieso. Das hat er früh mit der herrlich schrägen Liebesgeschichte „Fool on a Hill“bewiesen, mit seiner „G.A.S.“-Trilogie erfolgreich fortgesetzt und dann auch mit „Mirage“(ein verkehrter 11. September) und „Lovecraft County“(zum Rassismus) explizit politisch bestätigt. Jetzt geht es mit ihm so abenteuerlich und kundig in die nahe Zukunft und die Welt der Computerspiele, dass das auch für sonst nicht so literaturnahe jüngere Zocker ein Vergnügen bietet, ohne für sonst nicht so zockernahe ältere Literaturfreunde unverständlich zu werden.
In „88 Namen“baut der 55-Jährige mit klugem Witz eine Art Thriller, in der die Frage der Wirklichkeit virtueller Sphären und der Freiheit menschlicher Identitäten im wahrsten Sinne durchgespielt wird – ein Roman wie ein Game aus dem beliebten Segment der Rollen-Fantasy. Der 21-jährige John Chu bietet darin mit einem bunten Team kuratierte Abenteuerausflüge in diese Welten an, die ihnen die mühselige und zeitintensive Entwicklung ihrer Charaktere erspart – und findet sich durch einen neuen Kunden womöglich bald mitten in gefährlichen politischen Konflikten der realen Welt wieder. Es ist ein Game, bei dem bald unklar ist, wer hier mit wem spielt. Aber was klar bleibt: Matt Ruff beherrscht auch dieses Zocken in seiner Albernheit virtuos.