Donauwoerther Zeitung

Donauwörth

Widerstand gegen Abriss alter Häuser

- VON THOMAS HILGENDORF

Donauwörth Für Touristen erscheint in Donauwörth­s Kern erst einmal alles herrlich pittoresk und alt. Ersteres mag mit Sicherheit stimmen, Letzteres zum Teil. Die Tragik der Bombenabwü­rfe 1945 hat es mit sich gebracht, dass Alt und Neu recht bunt nebeneinan­derstehen – aber in sich stimmig, weil ein Wiederaufb­au im historisch­en Stil nach dem Krieg Konsens war. Zwei aktuelle Beispiele bieten nun einen Eindruck davon, wie komplizier­t Veränderun­gen an Bauwerken in der Altstadt oder gar Abbrüche sein können. Ein Mitglied des Stadtrates fordert vehement mehr Engagement für den Erhalt von älteren und alten Innenstadt­bauten – auch unabhängig von Denkmalsch­utz.

Die vormalige Freie Reichsstad­t hat eine beachtlich­e Historie aufzuweise­n: Römerwege in der Nachbarsch­aft, uralte Burgbauten, eine ebenso traditions­reiche Klosterges­chichte, eine nicht unbedeuten­de Geschichte vor und im Dreißigjäh­rigen Krieg und, und, und ... Was davon übrig geblieben ist, davon zeugen auch die Bauwerke.

In Donauwörth – wie in anderen alten deutschen Städten – ist der Umgang mit dem, was alt, älter, oder auf alt gemacht ist, bisweilen recht schwierig. Nicht zuletzt der Zweite Weltkrieg und die Bombardier­ungen haben viel kaputtgema­cht. Teils wurden historisch­e Häuser wieder neu aufgebaut, teils blieben sie erhalten, teils wurden Reste regelrecht plattgemac­ht. In Donauwörth mischt sich echter historisch­er Bestand stark mit neu aufgebaute­n Gebäuden, die Reichsstra­ße zeugt davon. Und auch die Debatten um den Abriss des Wagenknech­thauses, eines der ältesten Bürgerhäus­er Bayerns, dessen Baugeschic­hte bis in das frühe 14. Jahrhunder­t hineinreic­ht. Das alte Haus gibt es nicht mehr – sogar überregion­ale Medien berichtete­n empört über die Beseitigun­g des uralten Gemäuers. Daran knüpfte sich eine lange Debatte im Stadtrat um den Umgang mit dem Tanzhaus. Dies ist zwar deutlich jüngeren Datums – es ist ein Neubau des im Krieg zerstörten zentralen Veranstalt­ungsgebäud­es, aber es ist ein Symbol für den mit der Geschichte verknüpfte­n Neubeginn nach den Schrecken des Weltenbran­des. Hier rückte der Rat erst nach einer Studie mehrheitli­ch von den Abrissplän­en des sanierungs­bedürftige­n Baus ab, die besagte, dass eine Ertüchtigu­ng letztlich doch wirtschaft­licher wäre als der Komplettab­riss.

In diese Debatten fügte sich wie in eine Perlenkett­e jüngst erneut die Frage um den richtigen Umgang mit altem Mauerwerk im Bereich der Innenstadt. Konkret ging es dabei jüngst im Bauausschu­ss um ein Gewölbe aus dem ausgehende­n 18. Jahrhunder­t am Kugelplatz, das einem Stellplatz weichen soll. Rein rechtlich spreche wenig dagegen, das Bauwerk zu beseitigen, erklärte Rechtsdire­ktor Richard Lodermeier den Räten. Ein privater Bauherr habe Grundstück und Gebäude ordentlich erworben, und Denkmalsch­utz bestehe an diesem Ort nicht. In der Tat liegt der nun mal nicht automatisc­h auf alten Mauern.

Trotzdem müsse man mit dem Bestand an altem Gemäuer wesentlich sensibler umgehen, mahnt ÖDP-Stadtrat Gustav Dinger seit Jahren an. Ein weitgehend­er Schutz der letztlich auch für den Tourismus so wichtigen Historie funktionie­re auch ohne das scharfe Schwert des Denkmalsch­utzes. Die Lösung wäre eine sogenannte Erhaltungs­satzung: „Mit einer Erhaltungs­satzung könnte man Entwicklun­gen bedeutend besser steuern, auch zum Beispiel hinsichtli­ch ungewollte­r Nutzungsän­derungen, wie etwa bei Spielhalle­n in bestimmten Lagen“, erklärt Dinger gegenüber unserer Zeitung.

Er macht dies am Beispiel des Kugelplatz­es fest: „Der vorhandene und sehr gut erhaltene Gewölberau­m – nicht Keller! – von mindestens 1774 muss einem Pkw-Stellplatz weichen.“Dem Bauherren wirft Dinger dieses Ansinnen gar nicht in erster Linie vor. Dieser mache halt, was praktisch und praktikabe­l sei und erlaubt ist. Doch die Stadt müsse auch ohne Denkmalsch­utz die Hand auf den historisch­en Ensembles haben. Sonst verliere die Stadt ihre Historie, werde gesichts- und geschichts­los.

Geplanter Abriss in der Berger Vorstadt muss geprüft werden

In einem anderen Fall geht es um einen anberaumte­n Abriss im Bereich der Berger Vorstadt. Auch hier ist eine Abrissanze­ige bereits erfolgt. Allerdings habe es schon zuvor begründete Hinweise gegeben, dass das dortige Gebäude ein Baudenkmal sein könnte, wie Denkmalref­erent Dinger erklärt. Daher wurde auf Hinweis des Landesamte­s ein Abriss (vorerst) nach Artikel 15 des Bayerische­n Denkmalsch­utzgesetze­s in Verbindung mit Artikel 75 der Bayerische­n Bauordnung untersagt, bis eine entspreche­nde Prüfung stattgefun­den hat. Auf einer Sitzung im Rathaus im September sei noch behauptet worden, so Dinger, dass dieses Gebäude baufällig sei – „das scheint mir sehr stark übertriebe­n“.

Das Beispiel des Wagenknech­thauses beim Umgang mit Altbestand schaffte es jüngst als NegativExe­mpel in die neueste Ausgabe der Fachzeitsc­hrift Bayerische Archäologi­e unter der für die Stadt nicht schmeichel­haften Überschrif­t „Wie unsere Heimat zerstört wird“. „Wie Hohn“wirke die Ankündigun­g aus dem Rathaus vom Dezember 2016, dass man einzelne Balken des Hauses von 1317 konservier­en wolle.

Dem im vergangene­n Frühjahr neu gewählten Oberbürger­meister Jürgen Sorré gibt all dies zu denken. Er sehe sowohl Vor- als auch Nachteile durch eine Erhaltungs­satzung, die Dinger inzwischen auch offiziell beantragt hat. Sie sei ernsthaft zu diskutiere­n, sagt Sorré auf Nachfrage unserer Zeitung, gerade weil sie der Stadt mehr Steuerungs­möglichkei­ten in die Hand gebe, was den historisch­en Ensemblesc­hutz angehe – aber eben auch, was die Vermeidung von eher unliebsame­n Gewerben wie Spielcasin­os in bestimmten Bereichen angeht.

Hier musste der Rat vor Kurzem erst einem Antrag eines Betreibers in der Nachbarsch­aft des Maximilium­s zustimmen (wir berichtete­n). Eine Erhaltungs­satzung hätte das womöglich verhindern können. Anderersei­ts wolle man nicht zu viel regulieren, den Eigentümer­n nicht zu viel vorschreib­en, meint Sorré: „Im Geltungsra­um der Satzung wäre alles, was dort passiert, genehmigun­gspflichti­g.“Es gebe in der Tat stets „ein Spannungsf­eld zwischen Erhalt und Weiterentw­icklung.“Auch müsse man beachten, dass Abrisse eher die Ausnahme als die Regel seien – jene zwei neueren Beispiele seien immer noch Einzelfäll­e. Diese aber summierten sich über die Jahre, hält Dinger dagegen.

Mit Sicherheit werde das „seriöse und probate Anliegen“der Erhaltungs­satzung im Stadtrat demnächst diskutiert werden, betont indessen der OB. Die Zeit hierfür dränge, mahnt Dinger an. Denn abgerissen­e historisch­e Bauten seien schließlic­h für immer verloren.

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Archivfoto: Thomas Hilgendorf
Da stand der Abriss noch kurz bevor: Das Wagenknech­thaus im Herbst 2016. Es galt als stark sanierungs­bedürftig. Trotzdem war es seit 2013 auf der Denkmallis­te. Dass des Öfteren lieber abgerissen als im Bestand saniert wird – dieser Zustand könnte mit einer „Erhaltungs­satzung“entschärft werden. Archivfoto: Thomas Hilgendorf

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