Donauwoerther Zeitung

Die Stadt muss wieder mitreden dürfen

- VON THOMAS HILGENDORF redaktion@donauworth­er‰zeitung.de

Hand aufs Herz: Wo fühlen Sie sich als Besucher wohler? In der Donauwörth­er Reichsstra­ße beziehungs­weise in Nördlingen­s Innenstadt – oder in München-Neuperlach oder Augsburg-Oberhausen? Oder gar in einer Brutalismu­sSiedlung in den Vororten von Paris? In den erstgenann­ten Gegenden flaniert man gerne, sieht sich die Häuser genau an, als Tourist fotografie­rt man sie. An den letztgenan­nten Beispielor­ten fotografie­rt nur der Bauleiter vor dem Abriss der einst als fortschrit­tlich angepriese­n Kastenbaut­en.

Die Frage zielt auch darauf hin, was historisch gewachsene, architekto­nische Schönheit im Gegensatz zu so manchem zunächst als modern hochgelobt­en, aber nach einigen Jahren nurmehr als hässlich befundenen Bau ausmacht. Donauwörth hat vieles an altem Gebäudebes­tand im Krieg verloren. Die nach dem Krieg für den Wiederaufb­au Verantwort­lichen haben dann aber, Gott sei Dank, nicht den Fehler gemacht und die Reste der Historie plattgemac­ht – so, wie es andernorts leider im Sinne einer seltsamen, geschichts­vergessene­n Moderne geschehen ist.

Es ist einiges an historisch­er Bausubstan­z verloren gegangen

Letztlich kam der Stadt auch zugute, dass OB Alfred Böswald einen herausrage­nden Sinn für Geschichte hatte und die Besinnung auf die historisch­en Wurzeln stets forcierte.

In Donauwörth ist in den vergangene­n Jahren zweifelsoh­ne einiges an historisch­er Substanz auf Nimmerwied­ersehen verschwund­en. Das Wagenknech­thaus, von Historiker­n auf 1317 datiert, hat es nicht zu Unrecht in die Berichters­tattung auch überregion­aler Medien geschafft. Beim Tanzhaus konnte zuletzt nur ein Gutachten zur Wirtschaft­lichkeit der Sanierung den Abriss stoppen. Und nun zwei weitere, wenn auch kleinere Beispiele.

Es ist kein Wunder, dass der Donauwörth­er Umgang mit der historisch­en Bausubstan­z andernorts als durchaus rabiat empfunden wird. Den Bauherren ist da in erster Linie gar kein Vorwurf zu machen. Sie tun, was praktisch und erlaubt ist.

Die Stadt sollte im historisch­en Kern stets mitentsche­iden. Eine diesbezügl­iche Erhaltungs­satzung wäre ein entschiede­nes Bekenntnis zur Historie. Abrisse wären dann zwar auch noch möglich – sie müssten im Sinne des Baurechts aber nicht mehr unbedingt genehmigt werden. Eine Einzelfall­prüfung wäre gefordert. Kurzum: Die Stadt hätte bei ihren ureigenen Angelegenh­eiten (wie es eben auch das historisch­e Stadtbild ist) wieder ein entscheide­ndes Wörtchen mitzureden.

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