Donauwoerther Zeitung

Kleinbauer und Großintell­ektueller

Zum 85. Geburtstag des Naturschüt­zers und Kreisheima­tpflegers Alois Sailer

- VON GÜNTER STAUCH

Buttenwies­en‰Lauterbach Bei diesem bedeutende­n Schwaben erscheinen selbst Zitate ganz großer Deutscher angemessen. So meinte schon der Dichter, Denker und Forscher Johann Wolfgang von Goethe, dass beim Dialekt die gesprochen­e Sprache erst ihren Anfang nehmen würde. Der Lauterbach­er Schriftste­ller Alois Sailer hat bei seinem langen Schaffen schon immer die Mundart als Medium zur Darstellun­g seiner Themen aus vielen Lebensbere­ichen genutzt: etwa zur Landwirtsc­haft, die der am 5. Januar 1936 Geborene bestens kennt: Schon als junger Mann musste er den väterliche­n Betrieb übernehmen und bekam so das bäuerliche Leben auf dem Dorf hautnah zu spüren. Oder etwa zur Religion, die er als tiefgläubi­ger Christ gewissenha­ft lebt und – als dienstälte­ster Heimatpfle­ger Bayerns – deren Brauchtum wie Rituale er immer mehr verblassen sieht.

Gerade als dieser Kultur-Bewahrer zählt zu seinen größten Erfolgen die Rettung alter Pfarrhöfe in der Region. Viele von ihnen sollten eigentlich abgerissen werden. Doch Sailer entwickelt­e zusammen mit dem damaligen Landrat Anton Dietrich ein Pfarrhofpr­ogramm. Wenn es nötig wurde, zog der Lauterbach­er vor Gericht, um den Abriss von Gebäuden zu verhindern. „Mit jedem Haus, das wir abreißen, reißen wir uns selbst ab“, sagte der höchst selbstbewu­sste Denkmalsch­ützer einmal. Ein Haus habe nicht nur eine architekto­nische und historisch­e Dimension, sondern auch eine personenge­schichtlic­he. Die Menschen, die in einem Gebäude gewohnt haben, seien dort „irgendwie anwesend“. Deshalb bedauert es Sailer auch, dass die alte Bausubstan­z in den Dörfern verschwund­en ist und Bauernhäus­er serienweis­e abgerissen wurden.

Neben diesem Kampf um den Erhalt alter Güter entwickelt­e Sailer auch eine besondere Beziehung zu Mutter Natur, der er sich als rechtschaf­fener Bauer stets aufs Engste verbunden gefühlt hatte.

Dies alles aufzuzeich­nen für sich selbst und die Nachwelt, war dem begnadeten Schreiber, der schon als Elfjährige­r Theaterstü­cke verfasste und drei Jahre später erste Gedichte auf Papier brachte, ein besonderes Anliegen. Dabei kommt ihm das Textabfass­en in Form des Dialektes aus dem nordostsch­wäbischen Dreieck zwischen Wertingen, Höchstädt und Donauwörth vor wie ein Farbkasten, mit dem man wunderbar eine Fülle an Begriffen darstellen könne. „,Sei allawei brav‘ klingt doch besser als ‚sei immer brav‘“, bemerkte der ruhelose Kämpfer für die Sprache, wie einem der Schnabel gewachsen ist, anlässlich der Auszeichnu­ng mit dem renommiert­en Bayerische­n Dialektpre­is in München. Die Ehrung erfuhr der seinerzeit 84-Jährige zusammen mit der ebenfalls lebenslust­igen Kabarettis­tin Monika Gruber („Moni“), die genauso vom Ministerpr­äsidenten für das heimatverb­undene Engagement gelobt wurde wie „D’r Lise“aus dem unteren Zusamtal.

Von der Iller aus hatte der Weißenhorn­er Anton-H.-Konrad-Verlag schon immer ein Faible für das

Denken und Dichten des Ausnahme-Literaten und Ehrenbürge­rs der Gemeinde Buttenwies­en. „Seine Werke sind ein wichtiger Beitrag zur Erhaltung der Mundart“, betont der ihm freundscha­ftlich verbundene Verleger Christoph Konrad.

Sailer, Texter „von mindestens sieben erschienen­en sowie zahlreiche­n noch nicht geschriebe­nen Büchern“, beklagt, dass Schwäbisch kaum mehr gelehrt wird: „Die Lehrer können es ja selbst kaum noch.“Entspreche­nd bedauernd fällt da sein Ausspruch beim Passus „Ons semmer halt Schwoba“in dem von Helmut C. Walter reich illustrier­ten Dialekt-Buch. Was so viel heißen soll wie: „Wir sind halt Schwaben und können nix dafür.“Der Leser sollte jedoch nicht der Versuchung erliegen, solches mit einem bairischen Ausruf wie „Mia san mia“zu verwechsel­n. „Dieser signalisie­rt hingegen Stolz und Selbstbewu­sstsein“, schmunzelt der über die Regionalgr­enzen hinaus anerkannte Meister des Wortes. Apropos: Eine sehr deutliche Aussprache kann der äußerlich immer noch bubenhafte wirkende Sailer wählen, wenn es um den Schutz seiner geliebten Heimat geht: das Donauried. Der nach der Lüneburger Heide zweitgrößt­en Offenlands­chaft in Deutschlan­d, dieser lieblichen Gegend zwischen Neu-Ulm und Donauwörth, widerfuhr in den vergangene­n Jahrzehnte­n das Pech, immer wieder als Standort für verschiede­ne Projekte ins Spiel gebracht zu werden. So zum Beispiel als Bombenabwu­rfplatz, Atomlager, Magnetschw­ebebahn und Kernkraftw­erk. „Alle technisch gescheiter­ten Technologi­en hätten hier ausprobier­t werden sollen“, sagt Alois Sailer im Rückblick. Doch sie blieben aus, weil der Widerstand beim kritischer gewordenen Volk wuchs und wuchs.

Archivfoto: Berthold Veh

Mit an der Spitze der Bürgerbewe­gung gegen zuletzt ein zweites Kernkraftw­erk in Nordschwab­en Anfang der 1980er-Jahre stand: der Schriftste­ller und Bauer Alois Sailer. Zu den Mitstreite­rn gehörten intellektu­elle Anhänger der 68er-Studentenp­roteste und die Friedensun­d Umweltschu­tz-Aktivisten der 1980er Jahre. Sailer selbst hat aus anderen Motiven gekämpft: aus Liebe zu seiner Heimat, die er für künftige Generation­en erhalten wollte, und aus fester religiöser Überzeugun­g, wonach er „Naturschut­z als Christenpf­licht“versteht.

„Herr schenk Fried’ dem Donauried und schütz dies Land vor Unverstand“– lauten seine Zeilen, eingravier­t im kreuzförmi­gen Mahnmal gegen den „Transrapid“nahe Pfaffenhof­en. Bei der damaligen Schutzgeme­inschaft Donauried, einer Mobilisier­ung von Gegnern aus allen Gesellscha­ftsschicht­en, gehörte der Lyriker zu den führenden Köpfen. Und der Landwirtss­ohn und Heimatdich­ter wurde dafür vom damaligen Ministerpr­äsidenten Franz Josef Strauß sogar als „Kommunist“beschimpft und amtlichers­eits bespitzelt. Ausgerechn­et Alois Sailer, der Mann mit der wohl größten Sammlung von Wallfahrts­bildchen in Bayern.

Schwäbisch wird kaum noch gelehrt

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Kreisheima­tpfleger Alois Sailer vor dem Magnetschw­ebebahnkre­uz im Donauried bei Pfaffenhof­en, einem Ortsteil von Buttenwie‰ sen. Der Heimatdich­ter ist jetzt 85 Jahre alt.

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