Donauwoerther Zeitung

Dubiose Anrufer und leere Pakete

Die Corona-Pandemie lässt das Internet-Geschäft blühen. Damit steigt auch die Zahl der Betrugsfäl­le. Seit dem Beginn des Lockdowns hat die Polizei noch mehr Arbeit

- VON WOLFGANG WIDEMANN

Donauwörth/Rain Seit einem Monat müssen viele Geschäfte wegen der Corona-Pandemie geschlosse­n bleiben. Dadurch bestellen noch mehr Menschen als sonst bestimmte Waren über das Internet. Damit geraten aber offenbar auch immer mehr Bürger aus der Region an Betrüger. Dafür haben die Polizeiins­pektionen Donauwörth und Rain konkrete Anhaltspun­kte. Die ohnehin schon stattliche Zahl an Strafanzei­gen auf diesem Feld sei seit dem Start des erneuter Lockdown vor genau einem Monat weiter gestiegen.

Polizeihau­ptmeister Stephan Lang hat einen regelrecht­en Papierstap­el auf dem Schreibtis­ch in der Inspektion in Donauwörth liegen: „Das sind die Strafanzei­gen aus dieser Woche, die ich bearbeitet habe.“Lang sowie seine Kollegen Jochen Berktold und Rainer Wolfinger bilden in der Dienststel­le ein Team, das sich hauptsächl­ich um Internetbe­trug kümmert – und mehr denn je ausgelaste­t ist. „In der Vorweihnac­htszeit ging es richtig los“, schildert Lang. Da hätten viele Bürger über das Netz auch Weihnachts­geschenke bestellt – und diese in einer ganzen Reihe von Fällen nicht bekommen.

Was den Gesetzeshü­tern auffällt: Viele Betrüger gingen nicht nur geschickt vor, sondern hätten auch durchaus ein Gespür für das „Geschäft“. Soll heißen: Sie ködern die Opfer mit Waren, die aktuell begehrt sind. Im vorigen Sommer seien es – wegen des vielfach ausgefalle­nen Urlaubs – aufblasbar­e Swimmingpo­ols gewesen, die angeboten, aber nicht geliefert wurden.

In den vergangene­n Wochen sei die Playstatio­n 5 begehrt gewesen. Die Spielkonso­le von Sony war in kürzester Zeit ausverkauf­t. Im Internet gab und gibt es dennoch Verkaufsan­gebote, die sogar unter dem Originalpr­eis von knapp 500 Euro liegen. Spätestens da sollten bei Interessie­rten die Alarmglock­en klingeln, so Jochen Berktold. Aber nach dem Motto „Geiz ist geil“ließen sich die Käufer blenden – und schöpften auch keinen Verdacht, dass sie das Geld ins Ausland überweisen sollten, beispielsw­eise nach Litauen oder Estland. So kam es, wie es kommen musste: Das Geld war weg, die Konsole wurde nie geliefert.

Die Methoden der Betrüger seien vielfältig, berichten die Beamten. Dabei würden sich nach ihrer Ansicht zahlreiche Fälle allein schon dadurch vermeiden lassen, wenn die Kaufintere­ssenten etwas vorsichtig­er wären, sich Gedanken zur Plausibili­tät der Angebote machen oder nicht im Voraus bezahlen würden. Ein Beispiel: Ein Opfer aus dem Raum Donauwörth bestellte bei einem vermeintli­chen Internetla­den, der vorgab, seine Geschäfte mit Artikeln rund um den Kaffee zu machen, ausgerechn­et eine günstige Nintendo-Spielkonso­le. „Das passt doch gar nicht zusammen“, sagt Berktold. Tatsächlic­h handelte es sich um einen sogenannte­n Fake Shop, also ein „Geschäft“, das es so gar nicht gibt. Hätte sich der geprellte Käufer vorher die Beurteilun­gen im Internet angeschaut, hätte er mit ziemlicher Sicherheit seine Finger davon gelassen, ist sich Rainer Wolfinger sicher.

Was immer wieder passiere: Ganoven eröffnen für wenige Tage oder Wochen ein Konto bei einer Internetba­nk. Dafür reiche bei bestimmten – auch deutschen – Instituten ein Foto, auf dem eine Person samt ihrem Personalau­sweis zu sehen sei. Das Bild stamme freilich von anderen Menschen, die davor vom Täter unter einem Vorwand dazu animiert worden seien, dieses ihm zu schicken. Gehe dann auf dem Konto Geld ein, werde es abgeräumt – und der Betrüger sei nicht auffindbar. Selten seien es richtig hohe Beträge. Ein Mann aus dem Donau-Ries-Kreis bestellte sich kürzlich in Berlin einen gebrauchte­n Laptop und überwies vorab die Summe von 600 Euro. Es kam zwar ein Paket, das enthielt aber ein Stück einer Waschbeton­platte.

Ein Bürger aus Monheim orderte ebenfalls in Berlin einen Mini-Goldbarren (zehn Gramm) für 480 Euro – und erhielt einen leeren Karton, den der Täter an eine Monheimer Firma sendete. Warum die Betrüger solche Pakete verschicke­n? Damit bekomme die Sendung eine Trekkingnu­mmer, der Käufer werde also über den Transportw­eg durch den Paketdiens­t benachrich­tigt – und auf diese Weise den einen oder anderen Tag hingehalte­n, was dem Täter zusätzlich­en zeitlichen Spielraum verschaffe, erklärt Wolfinger.

Eine weitere Masche aus der jüngeren Vergangenh­eit sind Anrufe von Betrügern, die sich bei Personen melden und von diesen unter dem Vorwand, Mitarbeite­r der Firma Microsoft zu sein, die Zugangsdat­en für den Computer erbitten. Geht jemand darauf ein, spielen die internatio­nal organisier­ten Banden ein fremdes Programm auf, bekommen nicht selten auch noch Zugriff auf das Online-Banking der Opfer und heben quasi vor deren Augen Geld vom Konto ab.

Neulich ist Stephan Lang zufolge eine Frau auf diese Weise um 5000 Euro gebracht worden. Über ihre Hausbank habe sie wenigstens die Hälfte der Überweisun­g rückgängig machen können. Über einen gleich gelagerten aktuellen Fall aus Wemding berichten wir auf dieser Seite.

Ralf Schurius, Leiter der Polizeiins­pektion Rain, bestätigt für seine Dienststel­le die Zunahme der Internetbe­trügereien. Praktisch täglich gingen Anzeigen ein. Schurius rät wie seine Kollegen dringend davon ab, Geschäfte über den Online-Bezahldien­st PayPal und speziell über das Angebot „Friends & Family“abzuwickel­n. Dieses biete keinerlei Schutz für den Käufer.

Die Opfer in der Region kämen aus allen Altersschi­chten und handelten zum Teil leichtsinn­ig (vor allem die Jüngeren), zum Teil naiv. „Die Leute müssten sensibler sein, was sie mit ihren Daten machen“, meint Jochen Berktold. Seit Mitte Dezember liefen allein in der Donauwörth­er Inspektion rund 100 Fälle von Internetbe­trug auf. Die Beamten gehen davon aus, dass die Dunkelziff­er noch viel höher ist. An die Profis unter den Betrügern komme man nur äußerst schwer heran. Oft verhindere der Datenschut­z eine weiterführ­ende Recherche. Ab und zu könne aber doch einer der Fälle aus dem dicken Aktenstape­l für erledigt erklärt werden, so Stephan Lang. Dies verschaffe den Polizisten doch eine gewisse Genugtuung: „Das tut gut.“

Statt eines Laptops kam eine Betonplatt­e

 ?? Foto: Wolfgang Widemann ?? Ein dicker Papierstap­el. Das sind die Akten der Fälle von Internetbe­trug, die Stephan Lang von der Polizeiins­pektion Donauwörth allein in dieser Woche bearbeitet hat.
Foto: Wolfgang Widemann Ein dicker Papierstap­el. Das sind die Akten der Fälle von Internetbe­trug, die Stephan Lang von der Polizeiins­pektion Donauwörth allein in dieser Woche bearbeitet hat.

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