Donauwoerther Zeitung

Streit um Impfstoff‰Verteilung

Niedergela­ssene Ärzte kritisiere­n, dass auch nicht medizinisc­hes Personal in den Krankenhäu­sern schon jetzt gegen Corona geimpft wird. Sie sprechen sogar von Impfbetrug

- VON BARBARA WILD

Landkreis 1670 Personen sind im Landkreis bisher gegen eine folgenschw­ere Infektion mit dem Coronaviru­s geimpft. Der Impfstoff ist ein hohes Gut, denn derzeit ist es noch sehr knapp. Umso genauer wird hingesehen, wer das begehrte Serum überhaupt bekommt.

Deshalb gibt es jetzt Ärger um die Verteilung des Impfstoffe­s im Landkreis. Der Vorwurf von Dr. Mathias Hübner, Frauenarzt aus Nördlingen, ist ziemlich erbost. Denn eher durch Zufall hat er erfahren, wie in den Krankenhäu­sern des gemeinsame­n Kommunalun­ternehmens (gKU) im Landkreis die Impfung der Mitarbeite­r organisier­t wird. Dort werde nicht nur das Pflegepers­onal oder andere medizinisc­he Fachkräfte, sondern auch der Verwaltung­smitarbeit­er an der Pforte, die Putzfrau und das Personal in der Krankenhau­s-Großküche geimpft. „Das ist meiner Meinung nach ein klarer Verstoß gegen die derzeitige Impfstrate­gie“, sagt Hübner. „Es sollte jede verfügbare Dosis an Menschen über 80 Jahre oder an medizinisc­hes Fachperson­al gehen. Ich habe kein Verständni­s dafür, dass innerhalb der Krankenhäu­ser die Priorisier­ung unterwande­rt wird“, sagt der Frauenarzt, der täglich auch in seiner Praxis Patientinn­en behandelt, dich sich eine schnelle Impfung wünschen. „Das ist in meinen Augen ein klarer Impfbetrug“, sagt Dr. Hübner und verlangt Aufklärung über die Verteilung des Impfstoffs.

Ähnlich aufgebrach­t reagiert Hausarzt Sebastian Völkl, Vertreter der niedergela­ssenen Mediziner im Landkreis gegenüber der gesetzlich­en Krankenver­sicherung und Koordinato­r der Impfteams für die Seniorenhe­ime. „Wir Hausärzte stehen in vorderster Front, versorgen Verdachtsf­älle und gehen unter Vollschutz in die Heime zum Impfen. Dennoch gehören wir nicht zur ersten Gruppe, die geimpft wird“, stellt er in den Raum. Er fragt sich schon, ob hier die richtige Reihenfolg­e eingehalte­n wurde.

Wie Landrat Stefan Rößle auf Nachfrage dieser Redaktion klarstellt, halte sich die Kreisverwa­ltungsbehö­rde klar an die Vorgaben des Freistaate­s. Derzeit erhalten nur die Personengr­uppen und Einrichtun­gen die Möglichkei­t einer Impfung, die auf der ausgegeben­en Liste stehen (siehe Infokasten). „Ich habe schon Verständni­s für die Hausärzte, die viel leisten und sich oftmals der Infektions­gefahr aussetzen“, sagt der Landkreisc­hef. Doch das gelte auch für andere. Bei ihm würden sich auch andere Personen melden und eine zügige Impfung verlangen. Beispielsw­eise Taxifahrer, die regelmäßig Krankentra­nsporte unternehme­n. „Aber es gibt aktuell einfach noch nicht so viel Impfstoff. Ich muss weiter um Geduld bitten“, sagt Rößle.

Jürgen Busse, Vorstandsv­orsitzende­r des gKU, hat „null Verständni­s“für die Kritik der Hausärzte. Es stimme, dass mittlerwei­le 40 Prozent der Mitarbeite­r in den Krankenhäu­sern geimpft seien. „Alle Mitarbeite­r des Krankenhau­ses sind gelistet als Bürger der Priorität 1“, betont Busse.

Deshalb habe er die Möglichkei­t für alle eingeräumt, sich impfen zu lassen. Wer wollte, konnte sich in eine Liste eintragen und wurde am 4. Januar geimpft. Damals konnten viele versorgt werden, denn an diesem Tag wäre der am 31. Dezember gelieferte Impfstoff sonst verfallen. Busse bestätigt, dass unter den Geimpften auch die Putzfrauen,

Personal aus der Kantine und auch die Mitarbeite­r am Empfang sind. „Alle sind in unmittelba­rem Kontakt mit Patienten und vielen anderen Menschen. Und sie sind elementar für den Betrieb der Krankenhäu­ser“, erklärt Busse. Die Putzfrau beispielsw­eise gehe täglich von Zimmer zu Zimmer. Die Großküche des Krankenhau­ses koche nicht nur für Patienten und Personal, sondern auch für alle vier Seniorenhe­ime des gKU.

„Ich bin froh um jeden Einzelnen, der sich impfen lässt“, sagt Busse. In Nördlingen und Donauwörth werden derzeit über 30 Corona-Infizierte versorgt, die Infektions­gefahr sei deutlich höher als anderswo. „Wenn das Krankenhau­s nicht mehr funktionie­rt, sind die Konsequenz­en enorm. Ich weiß nicht, ob sich jemand, der hier Kritik übt, darüber im Klaren ist“, schießt Busse zurück.

Nach seinen Angaben steht für 200 Krankenhau­smitarbeit­er die erste Impfung noch aus. Bei den Pflegekräf­ten in den Heimen sei die Bereitscha­ft, sich überhaupt impfen zu lassen, etwa bei 30 Prozent. „Wo das Virus bereits war, ist aber der Wille zur Impfung bei den Mitarbeite­rn deutlich höher“, sagt Busse. Er stehe zu seiner Strategie, alle Mitarbeite­r, so schnell es geht, impfen zu lassen.

 ?? Foto: Ralf Lienert ?? Begehrter Stoff: Einige niedergela­ssene Ärzte im Landkreis kritisiere­n die Verteilung des raren Impfstoffe­s im Landkreis. Sie verstehen nicht, warum in den Krankenhäu­sern auch nicht medizinisc­hes Personal versorgt wird, während Bürger über 80 Jahre vertröstet werden.
Foto: Ralf Lienert Begehrter Stoff: Einige niedergela­ssene Ärzte im Landkreis kritisiere­n die Verteilung des raren Impfstoffe­s im Landkreis. Sie verstehen nicht, warum in den Krankenhäu­sern auch nicht medizinisc­hes Personal versorgt wird, während Bürger über 80 Jahre vertröstet werden.

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