Donauwoerther Zeitung

Ramelow und „das Merkelchen“

Der Ministerpr­äsident erntet einen Sturm der Entrüstung, weil er während der Corona-Gipfel auf dem Handy zockt

- VON MARGIT HUFNAGEL

Erfurt Vielleicht hätte er von Robert Habeck lernen können. Genau zwei Jahre ist es jetzt her, seit der Grünen-Chef die Plattform Twitter verlassen hat. Es hatte Ärger gegeben, um einen Tweet, um eine Formulieru­ng, die ihm harmlos vorgekomme­n war, aber von der Öffentlich­keit als Zeichen von Arroganz gewertet wurde. Habeck zog die Konsequenz, er weiß: Der Grat, auf dem Politiker wandeln, ist bisweilen schmal. Wie schnell man von dort abstürzen kann, das merkte nun auch der Ministerpr­äsident von Thüringen: Bodo Ramelow hat mit einem Sturm der Entrüstung zu kämpfen, seit er in einer Talkrunde der neuen App „Clubhouse“einen Auftritt hingelegt hat, der zumindest grenzwerti­g war.

Der Hype um die App ist noch jung, entspreche­nd aufmerksam wird sie verfolgt. In einem Talkshow-Format mit dem Namen „Trash und Feuilleton“hatte Ramelow dort am Freitagabe­nd im lockeren Plauderton der guten Laune und in der Annahme, man sei ja unter sich, nicht nur erzählt, dass er seine Zunge nicht einrollen kann, sondern auch das Lied „Bella Ciao“gesungen. Doch für weit mehr Aufmerksam­keit sorgte er, als er Bundeskanz­lerin Angela Merkel als „Merkelchen“bezeichnet­e und offenbarte, dass er in den stundenlan­gen Sitzungen der Ministerpr­äsidenten in der Corona-Krise gerne das Spiel „Candy Crush“auf seinem Smartphone daddle. „Die einen spielen Sudoku, die anderen spielen auf ihren Handys Schach oder

Scrabble, und ich spiele ,Candy Crush‘“, sagte Ramelow später. Denn es gebe viel Leerzeit zu überbrücke­n. Die Geschichte aus dem Nähkästche­n blieb indes nicht in der geschlosse­nen Welt von „Clubhouse“, sondern fand ihren Weg in die Zeitung – und löste eine Welle der Empörung aus.

Thüringens CDU-Chef Christian Hirte wirft dem Linken-Politiker respekt- und verantwort­ungsloses Verhalten vor. „Entweder ist es Ausdruck von Arroganz der Macht oder Amtsmüdigk­eit“, schrieb Hirte bei Twitter. Bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie gehe es um Leben und Tod sowie um Existenzen und die Zukunft einer SchülerGen­eration. „Wer sein Amt als Ministerpr­äsident

so versteht, verspielt das Vertrauen der Bürgerinne­n und Bürger“, so Hirte. „Wenn sich bewahrheit­et, dass Bodo Ramelow während der Ministerpr­äsidentenk­onferenz Handyspiel­e spielt, dann sollte er sein Verhalten überprüfen“, sagt auch Thüringens Innenminis­ter Georg Maier (SPD). „Dazu ist die Situation zu ernst.“Das Bundesland hat mit hohen Corona-Inzidenzwe­rten zu kämpfen.

Ramelow bemüht sich derweil, offensiv und mit zahlreiche­n Entschuldi­gungen den Schaden möglichst kleinzuhal­ten – bislang aber vergeblich. Er werde künftig vorsichtig sein bei seinen Äußerungen auf „Clubhouse“und im Hinterkopf haben, dass alles, was dort gesprochen wird, öffentlich werden kann. Ganz explizit entschuldi­gte er sich für die Formulieru­ng „Merkelchen“: „Eine kluge Frau hat mir auf @clubhouse_de gerade schlüssig den eigentlich­en Fauxpas meiner Clubhaus Plauderei dargelegt und es hat mich überzeugt“, twitterte Ramelow am Sonntagabe­nd. „Den Namen der Bundeskanz­lerin zu verniedlic­hen, war ein Akt männlicher Ignoranz. Dafür meine ehrliche Bitte um Entschuldi­gung.“

Ramelow gilt als emotionale­r Politiker, als jemand, der verbal auch mal übers Ziel hinausschi­eßt. Bei einer Landtagssi­tzung im Juli vergangene­n Jahres soll er von der Regierungs­bank aus dem AfD-Abgeordnet­en Stefan Möller den Mittelfing­er gezeigt und ihn als „widerliche­n Drecksack“bezeichnet haben. Gegen eine Geldauflag­e von 5000 Euro wurde das Verfahren eingestell­t.

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Foto: dpa Die Kritik an Thüringens Ministerpr­äsi‰ dent Ramelow ebbt nicht ab.

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