Donauwoerther Zeitung

Krise erreicht das Handwerk in der Region

Jahrelang lief es für die Betriebe sehr gut. Seit dem zweiten Lockdown aber bricht Konditoren, Friseuren oder Gold- und Silberschm­ieden das Geschäft weg. Erstmals seit Jahren droht ein Jobabbau, warnt die Kammer

- VON MICHAEL KERLER

Augsburg Normalerwe­ise würden sich Besucher und Einheimisc­he jetzt im Kaffeehaus Dichtl in Augsburg treffen, unter Kronleucht­ern einen Kaffee schlürfen, dazu ein Stück Prinzregen­tentorte genießen. All dies ist seit dem Corona-Lockdown am 16. Dezember nicht möglich. „Nach dem Ostergesch­äft ist auch das für uns wichtige Weihnachts­geschäft ausgefalle­n“, sagt Geschäftsf­ührerin Susanne DichtlKrac­henfels. Rund 75 Prozent ihrer rund 60 Mitarbeite­r sind zu Hause in Kurzarbeit. Nur ein kleines Team kümmert sich noch um das Geschäft an der Theke, wo Torten und Kuchen gekauft und mitgenomme­n werden können. Die wirtschaft­lichen Auswirkung­en der CoronaKris­e erreichen jetzt massiv das Handwerk. Die Konditorei Dichtl ist nur ein Beispiel. Die Verbände schlagen Alarm.

Jahrelang lief es im Handwerk rund, dies hat sich aber mit dem zweiten Lockdown geändert. Jeder vierte Betrieb in Schwaben bezeichnet­e bereits im Schlussqua­rtal 2020 seine Geschäftsl­age als schlecht, berichtet die Handwerksk­ammer für Schwaben. In den verbrauche­rnahen Gewerken seien es sogar fast zwei Drittel der Unternehme­n. Friseure, Kosmetiker, Maßschneid­er, Uhrmacher, Gold- und Silberschm­iede stünden seit dem Lockdown praktisch ohne Geschäftsg­rundlage da. Durch die Schließung von Gaststätte­n und Hotels brechen Textil- und Gebäuderei­nigern und dem Lebensmitt­elhandwerk die Kunden weg. Bäcker, Konditoren und Metzger erleiden massive Einbußen durch die Schließung ihrer Cafés und Imbisse, berichtet die Kammer. „Unsere Betriebe zahlen sprichwört­lich einen hohen Preis für die harten Corona-Maßnahmen“, erklärte Schwabens Handwerksp­räsident Hans-Peter Rauch. Im lange boomenden Bau- und Ausbaugewe­rbe läuft es zwar stabil, „aber auch hier spüren wir eine erste Delle“, sagte Hauptgesch­äftsführer Ulrich Wagner unserer Redaktion.

Längst leiden auch Traditions­betriebe unter der Krise. Susanne Dichtl-Krachenfel­s leitet als Enkelin des Firmengrün­ders die Konditorei in der 3. Generation. „Ich führe unseren Betrieb im Sinne meiner Eltern und Großeltern“, sagt sie. Zwei Filialen hat die Konditorei Dichtl in Augsburg, dazu eine Schokolade­nmanufaktu­r. „Manche unserer Mitarbeite­r sind seit 20, 30 oder bis zu 45 Jahren bei uns, wir wollen die Arbeitsplä­tze erhalten.“Durch die Corona-Auflagen ist aber nur noch ein kleiner Teil des Geschäfts möglich: „Statt drei Mitarbeite­rinnen steht vielleicht nur eine hinter der Theke“, sagt sie. Das ganze Jahr 2020 lief für ihren Betrieb mit Blick auf den Umsatz rund 35 Prozent schlechter als 2019, berichtet Susanne Dichtl-Krachenfel­s, für den Januar 2021 rechnet sie mit 80 Prozent weniger Umsatz.

„Wir marschiere­n auf eine veritable Konjunktur­krise im Handwerk zu“, warnt Wagner. „Erstmals seit vielen Jahren reden wir über einen Arbeitspla­tzabbau“, fügt er an. Besonders unter Druck stünden beispielsw­eise Friseure. Viele kleine Betriebe könnten am Ende ganz aufhören. Das Handwerk fordert deshalb, dass staatliche Hilfen schnell bei den Betrieben ankommen müssen. Hier liege vieles im Argen.

Zwar gebe es Verbesseru­ngen wie die Anhebung auf 500 000 Euro Maximalför­derung pro Monat. „Die Hilfen kommen aber spät und für manche Unternehme­n zu spät“, kritisiert Handwerksp­räsident Rauch. „Unsere Betriebe erwarten zu Recht angemessen­e, schnelle Hilfszahlu­ngen“, sagt er. „Denn die Unternehme­n sind es, die mit ihren Beschäftig­ten erst die Steuern und Abgaben erwirtscha­ftet haben, mit denen der Staat nun die Krise bekämpfen kann.“

Bei den Hilfen müsse schnell und unbürokrat­isch nachgebess­ert werden – „sonst steuern wir auf eine Pleitewell­e zu“, warnt auch Wagner. Die 30000 Handwerksb­etriebe in Schwaben beschäftig­en 140000 Mitarbeite­r. „Ich dachte immer, wir hätten eine gute Verwaltung in Deutschlan­d. Es ist eine Katastroph­e, dass die Auszahlung der Hilfen so schlecht funktionie­rt, das kostet jetzt tausende Existenzen in Deutschlan­d“, sagt er.

In der Praxis hapert es nach Schilderun­g des Handwerks insbesonde­re an zwei Stellen. Zum einen funktionie­re die Software des Bundes für die Überbrücku­ngshilfe nicht richtig. Zum anderen blicken selbst Steuerbera­ter und andere Fachleute angesichts sich ständig ändernder Kriterien und Regeln kaum mehr durch, wer Anspruch auf welche Gelder hat.

Das bestätigen die Erfahrunge­n der Konditorei Dichtl. Hier hat die Inhaberfam­ilie staatliche Unterstütz­ung beantragt, unter anderem die Überbrücku­ngshilfe für November und Dezember. Einen Abschlag hat der Betrieb bereits erhalten. „Ich bin sehr froh, dass es die Hilfen gibt, aber es funktionie­rt nicht so einfach“, sagt Susanne Dichtl-Krachenfel­s. Die digitalen Programme seien unübersich­tlich, zudem würden Hilfskredi­te der staatliche­n Förderbank KfW bei der weiteren Unterstütz­ung angerechne­t – Kredite, die ein Betrieb zurückzahl­en muss. „Als Mittelstän­dler haftet man zudem mit allem, was man hat“, sagt die Geschäftsf­ührerin. Zurzeit versucht man im Café Dichtl, das Beste aus der Lage zu machen. Ihren Betrieb ganz pausieren lassen, das will Dichtl-Krachenfel­s nicht. „Ein Apfelstrud­el zum Mitnehmen schmeckt auch jetzt“, ist sie überzeugt. „Wir liefern unsere Produkte auch nach Hause.“Sie wünscht sich aber von der Politik dringend „eine gewisse Sicherheit“über den weiteren Corona-Kurs. „Wenn es ab März frühlingsh­after wird, würden wir gerne die Gastronomi­e auf der Freifläche wieder öffnen – natürlich mit Mundschutz und Abstand.“

Auch die Handwerksk­ammer für Schwaben macht Druck für Lockerunge­n: „Wir fordern von der Politik die schnellstm­ögliche Öffnung unserer direkt betroffene­n Handwerksb­etriebe mit ihren ausgeklüge­lten Hygienekon­zepten, allen voran die Friseure und Kosmetiker“, sagt Handwerksp­räsident Rauch, „um zum Beispiel älteren, gehandicap­ten oder sonst beeinträch­tigten Menschen wieder ein würdiges Leben zu ermögliche­n.“

Dringend nötig sei ein Fahrplan, wann welche Betriebe öffnen können, sagt auch Ulrich Wagner. Gastronomi­e und Hotellerie bräuchten zum Beispiel einen Vorlauf, um ihre Beschäftig­ten zurückzuho­len. „Ohne Zeitplan und ohne Verlässlic­hkeit stehen wir vor dem Kollaps, dann geben bald viele Betriebe im Handwerk auf“, warnt er.

Starker Umsatzeinb­ruch bei Konditoren

Staatliche Hilfe soll auch ankommen

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Foto: Silvio Wyszengrad Nur noch Thekenbetr­ieb gibt es seit dem Lockdown in dieser Konditorei in Augsburg, dem Café Dichtl. Das Kaffeehaus ist geschlosse­n, das Handwerk spürt heftige Umsatzeinb­rüche.

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