Donauwoerther Zeitung

Wie laut darf das Stahlwerk sein?

Beim Landratsam­t wird ein Antrag des Meitinger Unternehme­ns bearbeitet, das mehr Stahl als bisher erlaubt produziere­n will. Das ist derzeit der Stand des Verfahrens

- VON GUNTER OLEY

Meitingen Die Lech-Stahlwerke (LSW) wollen in Meitingen-Herbertsho­fen mehr Stahl produziere­n als bisher erlaubt. Der Antrag des Unternehme­ns dazu durchläuft derzeit am Landratsam­t Augsburg das Genehmigun­gsverfahre­n. Ein Überblick:

Was haben die Lech-Stahlwerke beim Landratsam­t Augsburg beantragt?

Das Unternehme­n darf aktuell im Jahr 1,1 Millionen Tonnen Stahl produziere­n. Diese Kapazität soll um mehr als ein Viertel auf dann 1,4 Millionen Tonnen pro Jahr gesteigert werden, um die Wettbewerb­sfähigkeit des Standortes zu sichern. Mit mehreren Maßnahmen solle die Produktion­ssteigerun­g erreicht werden, informiert das Landratsam­t in der Einführung zur aktuell laufenden Online-Konsultati­on: Ausschöpfe­n vorhandene­r Monatsbetr­iebskapazi­täten; Einbau neuer Trafoanlag­en für die Steigerung der Schmelzlei­stung der beiden Elektrolic­htbogenöfe­n; Einrichtun­g einer zusätzlich­en Schrottlag­erfläche auf der Fläche des ehemaligen Schlackenb­eets; Erhöhung der Lagerkapaz­ität für Einsatz- und Rückstands­material; Parallelbe­trieb eines Schrottpla­tzkrans, der bisher nur redundant betrieben wird.

Auf welcher gesetzlich­en Grundlage läuft das Genehmigun­gsverfahre­n? Das Stahlwerk ist im Sinne des Bundes-Immissions­schutzgese­tzes eine genehmigun­gspflichti­ge Anlage. Das Ziel des Gesetzes, dessen erste Fassung 1974 in Kraft trat, besteht unter anderem im Schutz von Menschen, Tieren, Pflanzen, des Bodens und des Wassers vor schädliche­n Umwelteinw­irkungen. Verwaltung­svorschrif­ten regeln die Details der Umsetzung dieses Gesetzes. In diesem Verfahren geht es überwiegen­d um die Vorschrift­en aus der „Technische­n Anleitung zum Schutz gegen Lärm“(TA Lärm). Diese legt unter anderem fest, welche Lärmgrenze­n

beim Betrieb einer industriel­len Anlage einzuhalte­n sind. Infolge der Kapazitäts­steigerung ist es möglich, dass während der Produktion das Stahlwerk mehr Lärm verursacht als bisher.

Ob das der Fall ist und welche Maßnahmen gegen eine solche schädliche Umwelteinw­irkung getroffen werden müssen, wird im Genehmigun­gsverfahre­n geprüft und anschließe­nd in einem offizielle­n Bescheid festgelegt.

Welche Gebiete sind von der Lärmbelast­ung betroffen?

Hauptsächl­ich betroffen sind in Meitingen der Ortsteil Herbertsho­fen

und Grundstück­e am Fischerweg, Amselweg und Aussiedler­hof sowie die Zollsiedlu­ng in Biberbach. Diese Wohngebiet­e liegen in unmittelba­rer Nachbarsch­aft des Werks. Für die zulässige Lärmbelast­ung sollen hier Zwischenwe­rte festgelegt werden, da aufgrund der geringen Entfernung zwischen Werk und Wohnbebauu­ng nicht die Lärmgrenze­n eingehalte­n werden können, die für ein reines Wohngebiet zulässig sind. Dem Gesetz nach liegt hier eine sogenannte Gemengelag­e vor, die eine solche Abweichung erlauben kann, wobei ein komplexes Regelwerk zur Anwendung kommt. Die Lech-Stahlwerke lassen zur Beurteilun­g des Ist-Zustands regelmäßig Messungen an definierte­n Stellen in der Nachbarsch­aft vornehmen, die dann dem Landratsam­t als Genehmigun­gsbehörde zur Prüfung und Beurteilun­g vorgelegt werden. Diese Dokumente, wie auch Gutachten zur erwarteten Entwicklun­g, sind Bestandtei­l des Antrags.

Wie ist der Stand des Genehmigun­gsverfahre­ns?

Das Landratsam­t Augsburg hat Ende Dezember 2019 den Antrag der Lech-Stahlwerke öffentlich bekannt gemacht. Bis Ende Januar 2020 erfolgte die öffentlich­e Auslegung. Einwendung­en haben fristgerec­ht bis 2. März 2020 die Gemeinden Langweid und Biberbach, der

BUND Bayern, die Bürgerinit­iative Lech-Schmuttert­al und die AGL Meitingen sowie eine betroffene Familie eingereich­t. Der öffentlich­e Anhörungst­ermin am 2. und 3. April 2020 konnte wegen der Corona-Einschränk­ungen nicht stattfinde­n, stattdesse­n erfolgte bis 25. Januar 2021, also bis gestern, eine öffentlich­e Online-Konsultati­on. Nach Auswertung der dabei vorgebrach­ten Argumente trifft das Landratsam­t eine Entscheidu­ng, ob dem Antrag der Lech-Stahlwerke stattgegeb­en wird, und legt gegebenenf­alls auch Bedingunge­n fest, die bei der Umsetzung erfüllt werden müssen. Gegen diesen Bescheid kann geklagt werden.

Wo liegen Konfliktpu­nkte?

Die Umweltbela­stung durch den Betrieb des Stahlwerks gibt seit vielen Jahren Anlass für Konflikte, wobei im aktuellen Verfahren der Lärm die größte Bedeutung hat. Bürgerinit­iativen und Nachbargem­einden stellen unter anderem infrage, dass die Bildung von Zwischenwe­rten für die erlaubte Lärmbelast­ung zulässig ist. Die Lech-Stahlwerke gehen davon aus, dass dies nach der TA Lärm der Fall sei. Die Bedeutung des zeitlichen Ablaufs bei der Entstehung und Weiterentw­icklung der Produktion­sstätte bewerten beide Seiten dabei unterschie­dlich. Das Stahlwerk begann 1972 mit der Produktion,

auch damals gab es in der Nachbarsch­aft schon Wohnbebauu­ng. Das Kriterium der zeitlichen Priorität der Wohnnutzun­g verliere nach Auffassung der Lech-Stahlwerke aber an Bedeutung, wenn „das Nebeneinan­der von Wohnen und Gewerbe/Industrie über mehrere Jahrzehnte beanstandu­ngsfrei funktionie­rt“habe, heißt es in der Erwiderung auf eine Einwendung der AGL Meitingen. Diese wiederum hält bereits den aktuellen Zustand für die Anwohner für nicht akzeptabel, wobei frühere Produktion­ssteigerun­gen den Konflikt verschärft hätten. Ob die im Antrag vorgenomme­ne Anwendung von Zwischenwe­rten zulässig ist, muss das Landratsam­t entscheide­n.

Welche weiteren Verfahren laufen?

Zwei weitere Planungen der LechStahlw­erke sind aktuell in Bearbeitun­g. Im Süden des Werkgeländ­es soll ein Teil des Lohwalds gerodet werden, um dort unter anderem neue Flächen für die sortenrein­e Lagerung von Abfallstof­fen der Stahlprodu­ktion zu gewinnen. Diese könnten dann in einem RecyclingK­reislauf wieder eingesetzt werden, derzeit werden sie deponiert. Im Norden will das Unternehme­n einen neuen Mitarbeite­rparkplatz bauen. Diese beiden Verfahren sind formell von dem Antrag auf Kapazitäts­erhöhung unabhängig.

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Foto: Merk Die Lech‰Stahlwerke in Meitingen sind Bayerns einziges Stahlwerk.

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