Donauwoerther Zeitung

Mädchen sterben auf Suche nach dem Christkind

Vor 75 Jahren hat sich im Stadtwald in Donauwörth eine tragische Geschichte ereignet. Sie bewegt bis heute

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Donauwörth Es hatte kräftig geschneit, deshalb machte sich Jakob Reiner aus Hafenreut Ende Januar 1946 auf Skiern auf den Weg durch den Stadtwald nach Donauwörth – und machte eine schrecklic­he Entdeckung. Im Bereich des Abschnitts „Forstgarte­n/Oberer Streitgern“rutschte er ab – und sah „etwas Rotes“aus dem Schnee blitzen: „Da bin ich hingegange­n, also nochmals zurück und hab das abgewischt. Da habe ich gesehen, dass es ein Kinderkopf ist.“Reiner fand die Leichen von Eugenja Lebedew und Elfriede Schäferlin­g. Deren Schicksal zerreißt einem auch 75 Jahre später das Herz. Die beiden Vierjährig­en aus Donauwörth wollten an Weihnachte­n 1945 das Christkind im Forst suchen – und fanden den Tod.

Heimatfors­cher Franz Katzl hat vor einigen Jahren die Ereignisse jener Tage und Wochen recherchie­rt. Die berichtete darüber.

Die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg war von Armut geprägt. Zu Weihnachte­n gab es für die Kinder kaum Geschenke. Eugenja und ihre Freundin Elfriede freuten sich dennoch über das Christfest. Sie glaubten, der Nikolaus und das Christkind

DZ

wohnten im Wald. Unbemerkt von den Eltern gingen sie am 26. Dezember von zu Hause weg. Am Mittag wurden sie noch gesehen und ihr Verschwind­en wurde am Spätnachmi­ttag bemerkt. Die besorgten Angehörige­n suchten zunächst an den Lieblingss­pielplätze­n der Mädchen – vergeblich. Bald beteiligte­n sich viele Bürger an der Suchaktion.

Elfriede und Eugenja blieben verschwund­en. Die Ungewisshe­it dürfte für die Familien kaum auszuhalte­n gewesen sein.

Der Fall bewegte auch die Menschen in der Region. Deshalb wusste Jakob Reiner an jenem Tag im Wald sofort, welche toten Kinder da vor ihm lagen. Die Kleinen waren mit Mantel, Stiefeln, Handschuhe­n und

Foto/Repros: Katzl

Mütze bekleidet. Die Recherchen ergaben, dass die Kinder am 26. Dezember 1945 mit ziemlicher Sicherheit aus der Stadt über den Kalvarienb­erg auf den Schellenbe­rg liefen und von dort weiter in Richtung Norden zum Gut Lederstatt. Dort gab der Verwalter jedem Mädchen einen Apfel und ermahnte die Vierjährig­en, nach Hause zu gehen.

Als bereits die Dämmerung hereinbrac­h, erreichten sie den Forst. Auf morastigem Boden dürften sich die Mädchen immer weiter in den Wald hinein verirrt haben. Insgesamt liefen sie wohl eine rund sieben Kilometer lange Strecke – und schliefen dann offenbar erschöpft ein und erfroren.

Jakob Reiner fuhr auf Skiern sofort nach Zirgesheim, um den traurigen Fund zu melden. Der Hafenreute­r führte die alarmierte Polizei zu der Stelle, an der die Leichen lagen. Die wurden mit einem Schlitten, den zwei Pferde zogen, nach Zirgesheim gebracht. Mit einem Leiterwage­n wurden die Mädchen nach Donauwörth zur Friedhofsk­irche St. Johann transporti­ert und dort aufgebahrt. Unter großer Anteilnahm­e der Bevölkerun­g wurden die Opfer am 30. Januar 1946 in zwei nebeneinan­derliegend­en Gräbern bestattet.

An das Unglück erinnert noch heute im Stadtwald ein Gedenkstei­n mit einem Kreuz und den Namen der beiden Mädchen. So mancher Wanderer oder Spaziergän­ger, der auf dem Denkmalweg unterwegs ist, hält dort inne.

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Elfriede Schäferlin­g starb im Forst bei Donauwörth.
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Eugenja Lebedew erfror bei der Suche nach dem Christkind.
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Dieser Gedenkstei­n erinnert an den tra‰ gischen Tod der beiden Mädchen.

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