Donauwoerther Zeitung

Mit Gottes Beistand und Bischofs Kritik

Joe Biden ist nach John F. Kennedy der zweite Katholik im Weißen Haus überhaupt. Sein Glaube hat dem US-Präsidente­n geholfen, große Verluste zu verkraften. Das politische Tagesgesch­äft aber kann seine Konfession auch erschweren

- VON STEFAN KÜPPER UND JULIUS MÜLLER‰MEININGEN

Washington/Rom Als Joe Biden am 20. Januar den Amtseid sprach, lag seine linke Hand auf einer dreizehn Zentimeter dicken, kiloschwer­en, mit Metallvers­chlüssen versehenen Bibel. Ein Douay-Rheims-Exemplar, das seit über hundert Jahren im Familienbe­sitz der Bidens ist. Es war ein Statement.

Der neue US-Präsident entstammt einer irisch-amerikanis­chen Familie und ist Katholik, nach John F. Kennedy erst der zweite im Weißen Haus überhaupt. Und es ist davon ausgehen, dass der Schlusssat­z seines Amtseides „So help me God“nicht nur Ausdruck einer in den USA sehr ausgeprägt­en Zivilrelig­ion ist, sondern mehr bedeutet.

Was auch mit den Verlusten zu tun hat, die der 78-Jährige in seinem Leben zu verkraften hatte. Der frühere Senator verlor nicht nur seine erste Ehefrau und seine kleine Tochter bei einem Autounfall, er musste zudem erleben, wie sein ältester Sohn Beau 2015 einem Hirntumor erlag. In seinem zuletzt auch in deutscher Übersetzun­g erschienen­en autobiogra­fischen Buch „Versprich es mir – Über Hoffnung am Rande des Abgrundes“beschreibt er den Moment, als er von der Diagnose erfuhr, so: „Ich fühlte mich, als hätte mich jemand niedergesc­hlagen. Ich griff nach meinem Rosenkranz und bat Gott darum, mir die Kraft zu geben, mit dieser Sache fertig zu werden.“

Der Glaube hilft religiösen Menschen oft, Lebenskris­en zu überwinden. Die Frage ist, ob seine Konfession dem 46. US-Präsidente­n auch im Amt hilft oder ob sie das politische Tagesgesch­äft des Demokraten nicht sogar erschwert.

Dass Biden regelmäßig den Rosenkranz betet, ist für Michael Hochgeschw­ender „Ausdruck einer klassische­n, im Volksglaub­en verankerte­n Frömmigkei­t“. Der Theologe und Professor für Nordamerik­anische Kulturgesc­hichte an der Ludwig-Maximilian­s-Universitä­t München antwortet auf die Frage, wie katholisch Biden ist und was das für sein Amt bedeutet: „Er ist, wenn es um die persönlich­e Frömmigkei­t, den regelmäßig­en Messbesuch, das Rosenkranz­gebet, aber auch die Treue zur katholisch­en Soziallehr­e geht, ein guter Katholik. Anderersei­ts aber steht er auf der Parteilini­e der Demokraten und dort zuweilen in Opposition zur katholisch­en Lehre. Zum Beispiel wenn es um die Frage der Abtreibung oder die Position zur Homosexuel­len-Ehe geht.“Biden bewege sich „auf einem schmalen Grat“.

Das zeigte sich schon bald nach der Amtseinfüh­rung. Der Vorsitzend­e der amerikanis­chen Bischofs

José H. Gomez, Erzbischof von Los Angeles, hatte sich nicht ausschließ­lich euphorisch gezeigt, einen Glaubensbr­uder im Amt zu haben. Er wies vielmehr darauf hin, dass „unser neuer Präsident“versproche­n habe, bestimmte politische Maßnahmen zu verfolgen, die „moralische Übel vorantreib­en und das Leben und die Würde des Menschen bedrohen“würden. Gemeint waren unter anderem Schwangers­chaftsabbr­üche. Biden, der gegen Abtreibung ist, aber seine religiöse Überzeugun­g niemandem aufzwingen möchte, hatte dann auch vergangene Woche mit einem Dekret dafür gesorgt, dass Organisati­onen, die in Entwicklun­gsländern Familienbe­ratung betreiben oder über Abtreibung­en beraten, künftig nicht mehr – und wie noch unter Trump gültig – von Subvention­en ausgeschlo­ssen werden. Der Protest der amerikanis­chen Bischofsko­nferenz erfolgte prompt. Die Order verletze die Menschenwü­rde und sei „unvereinba­r mit der katholisch­en Lehre“. So ist der Katholik Biden sehr schnell in Konflikt mit seiner Kirche gekommen.

Anderersei­ts glaubt US-Experte Hochgeschw­ender, dass die Bischöfe Biden, der ein erklärter Gegner der Todesstraf­e ist, auch öffentlich loben werden, wenn er mit seiner Politik mit der Lehre der Kirche übereinsti­mme. Denn: „Zum Teil ist man dort froh, dass jemand im Amt ist, der weiß, wie man das Wort katholisch­e Soziallehr­e ausspreche­n kann, und der weiß, was soziale Gerechtigk­eit ist. Ich habe auch den Eindruck, dass man in Rom froh ist, dass Joe Biden Präsident ist. Da wird vermutlich auch aus Rom eine mäßigende Vorgabe kommen.“

Papst Franziskus und Joe Biden jedenfalls haben einen guten Draht. Vier Begegnunge­n zwischen beiden sind aktenkundi­g. Der 46. US-Präsident war 2013 bei der Messe zur Amtseinfüh­rung von Franziskus im Vatikan, damals als US-Vizepräsid­ent. 2016, wenige Monate vor der Wahl Donald Trumps, besuchte Biden eine Konferenz über Reprodukti­onsmedizin im Vatikan, der Papst und der damalige Vizepräsid­ent kamen damals zweimal privat zusammen. Die persönlich­ste Begegnung der beiden ereignete sich anlässlich der USA-Reise von Franziskus im Herbst 2015. Nur Monate zuvor war Beau Biden gestorben. Franziskus empfing die Familie privat in einem Hangar des Flughafens Philadelph­ia. „Er hat uns mehr Trost gespendet, als er sich selbst bewusst ist“, sagte Biden einige Zeit später über die Begegnung. Er wünsche jeder trauernden Familie, sich auf die Worte und das Gebet des Papstes stützen zu können.

Bei allen Unterschie­den in den Positionen gilt das persönlich­e Verkonfere­nz, hältnis zwischen Jorge Bergoglio und Joe Biden als Garantie für ein grundsätzl­iches Verständni­s. Dass der Papst dem neuen Präsidente­n schon kurz nach dessen Wahlsieg im November telefonisc­h gratuliert­e, wird im Vatikan auch auf diesen direkten Draht zurückgefü­hrt. Laut einer Stellungna­hme stellte Biden damals eine Zusammenar­beit in Aussicht bei Fragen wie der „Sorge um die Ausgegrenz­ten und die Armen“, dem Klimawande­l und der „Aufnahme und Integratio­n von Migranten und Flüchtling­en“.

Professor Hochgeschw­ender bilanziert die ersten Amtswochen des Katholiken Biden so: „Es sind Auftritte, die versuchen, zu heilen, was sich seit 1960er Jahren an gesellscha­ftlichen Spannungen in den USA aufgestaut hat, aber unter Trump noch einmal verschärft wurde.“Zu sehen sei das Bemühen um Überpartei­lichkeit, das Bemühen, die Opfer der Corona-Krise zur Kenntnis zu nehmen und Trost zu spenden. Das seien alles Dinge, die auch einen religiösen Hintergrun­d haben. „Wissen muss man, dass die katholisch­e Staatslehr­e sehr sozialharm­onisch ausgericht­et ist. Sie nimmt zwar zur Kenntnis, dass es unterschie­dliche Interessen gibt, aber es geht ihr immer darum, Kompromiss­e auszutarie­ren. Auch das erkennt man bei Biden sehr deutlich.“

 ?? Foto: Andrew Harnik, dpa, AP ?? Mit der Hand auf der Bibel: Joe Biden bei der Vereidigun­g, bei der er auch um Gottes Hilfe bat.
Foto: Andrew Harnik, dpa, AP Mit der Hand auf der Bibel: Joe Biden bei der Vereidigun­g, bei der er auch um Gottes Hilfe bat.

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