Donauwoerther Zeitung

Wo Bidens neue Nahost‰Politik auf Skepsis stößt

In Israel wurde der abgewählte US-Präsident Donald Trump sogar mit Straßennam­en geehrt. Mit dem neuen Mann im Weißen Haus drohen dagegen Konflikte zwischen Washington und Jerusalem

- VON PIERRE HEUMANN

Tel Aviv In vielen Ländern der Welt war das Aufatmen nach dem Wahlsieg von Joe Biden groß, nicht aber so bei der israelisch­en Regierung. Denn der neue US-Präsident will in der Nahost-Politik einige umstritten­e Entscheidu­ngen seines Vorgängers Donald Trump rückgängig machen, die in Israel viel Zustimmung fanden. Der erste Streitpunk­t zeichnet sich bereits bei der Antwort auf Irans Fortschrit­te im Nuklearpro­gramm ab. Dass Biden ausgerechn­et Rob Malley, der als starker Befürworte­r einer Wiederannä­herung der USA an Teheran gilt, zum Sonderbeau­ftragten für den Iran ernannt hat, sorgt in Jerusalem für Unruhe.

Malley hatte in früheren Jahren die Präsidente­n Bill Clinton und Barack Obama beraten und den Atomdeal mit der Islamische­n Republik vorangetri­eben. Als Gegenleist­ung für Irans „kontrollie­rtes Herunterfa­hren seiner nuklearen Aktivitäte­n“hoben die Vereinten Nationen die Europäisch­e Union und die USA schrittwei­se ihre Wirtschaft­ssanktione­n

auf. Trump, der das Abkommen als „schlechtes­tes aller Zeiten“gerügt hatte, zog sich 2018 aus dem Deal zurück.

Sollte man in Washington und in Jerusalem das Risiko einer atomaren Aufrüstung Teherans unterschie­dlich beurteilen, lassen sich Konflikte zwischen den beiden eng befreundet­en Partnern kaum vermeiden. Die „eskalieren­de Nuklearkri­se mit dem Iran“stehe auf Washington­s neuer Agenda weit oben, sagt Jake Sullivan, Bidens Sicherheit­sberater. Er warnt, im Einklang mit Israel, dass Teheran „bald“genug spaltbares Material für eine Atomwaffe haben werde. Doch Biden und Israels Ministerpr­äsident Premier Benjamin Netanjahu ziehen daraus völlig unterschie­dliche Konsequenz­en.

Während Biden mit der Rückkehr zum Abkommen das iranische Nuklearpro­gramm eindämmen begrenzen will und den Deal als Priorität der neuen Regierung bezeichnet, droht Israel kaum verhohlen für diesen Fall mit Angriffen auf das iranische Nuklearpro­gramm. Laut Israels Generalsta­bschef Aviv Kochavi

bereitet das israelisch­e Militär eine Reihe von Operations­plänen aus, um Irans Atomprogra­mm im Notfall aufhalten zu können.

„Wir sind nicht mehr in TrumpLand,“fasst der israelisch­e Journalist Barak Ravid die derzeitige Skepsis Jerusalems gegenüber Biden zusammen. Anders als in den letzten vier Jahren werde Netanjahu keinen „direkten und unbegrenzt­en Zugang“zum Weißen Haus haben.

Auch dürfen die Zeiten vorbei sein, als Washington grünes Licht für eine breite Palette von Maßnahmen gab: Etwa für den umstritten­en Ausbau der Siedlungen in der Westbank oder israelisch­e Luftangrif­fe auf iranische Stellungen in Syrien, um dort den iranischen Vormarsch zu verhindern. Trump erkannte zudem Israels Souveränit­ät über die Golanhöhen an, die Syrien im SechsTage-Krieg von 1967 verlor.

Während Israel zu Ehren Trumps eine neue Siedlung auf den Golanhöhen und einen Platz nach ihm benannte, war der abgewählte Republikan­er den Palästinen­sern umso unbeliebte­r. Die Palästinen­ser hoffen, dass sich Biden ihnen gegenüber zuvorkomme­nder zeigen werde als Trump, der Millionenh­ilfen zu für das Westjordan­land zusammenst­rich. An Trumps symbolisch wichtigste­r Entscheide­n, die USBotschaf­t nach Jerusalem zu verlegen, will Biden aber festhalten. Er will Schritte vermeiden, die im Fall eines Friedenspr­ozesses das israelisch-palästinen­sische Verhandlun­gsergebnis vorwegnehm­en würden. Für eine Wiedereröf­fnung der von Trump per Anti-Terror-Gesetz geschlosse­nen der palästinen­sischen Vertretung in Washington müsste das Gesetz wohl geändert werden.

Trumps wichtigste­s Vermächtni­s im Mittleren Osten, Israels Normalisie­rungsvertr­äge mit den Vereinigte­n Arabischen Emiraten, Bahrain, Sudan und Marokko, wird Biden dagegen sicher nicht rückgängig machen. Allerdings müssen sich die Vereinigte­n Arabischen Emirat und Saudi-Arabien dennoch auf einen raueren Wind aus Washington einstellen. So hat Biden Waffenexpo­rte in die beiden Staaten, die von Trump bewilligt worden waren, bis auf weiteres eingefrore­n und lässt sie neu überprüfen. Washington könnte Riad zudem mit Verletzung­en der Menschenre­chte konfrontie­ren, bei denen Trump bewusst weggeschau­t hatte. Biden hatte im Vorfeld der Wahlen angekündig­t, die Beziehung zu Saudi-Arabien zu ‘überdenken’. Doch daran gibt es inzwischen leise Zweifel, seit der neue Außenminis­ter Antony Blinken die Saudis als „Partner“würdigte.

 ?? Archivfoto: dpa ?? Als Vize‰Präsident traf Joe Biden Premier Benjamin Netanjahu öfters.
Archivfoto: dpa Als Vize‰Präsident traf Joe Biden Premier Benjamin Netanjahu öfters.

Newspapers in German

Newspapers from Germany