„Wir wollen spätestens 2030 klimaneutral sein“
Bereits heute sind 80 Prozent des Stroms aus der Region erneuerbar. Warum dies nur ein erster Schritt zum Klimaschutz ist und wieso Strom so teuer ist, erklären die Lechwerke-Vorstände Markus Litpher und Norbert Schürmann
Herr Litpher, Herr Schürmann, wie fordert Corona derzeit die Energiewirtschaft und Ihr Unternehmen?
Markus Litpher: Corona beschäftigt uns alle. Knapp 1000 unserer Mitarbeiter sind im Homeoffice. Für sie haben wir die Kommunikationsinfrastruktur deutlich ausgebaut. Das hat sehr schnell gut funktioniert. Wo das Arbeiten von zu Hause aus nicht geht – wie zum Beispiel in den Leitstellen –, haben wir Schichtsysteme gebildet. Der Netzbetrieb ist für die Kunden sichergestellt, man kann sich auf LEW verlassen. Ich hoffe, dass das Thema Corona in nächster Zeit zunehmend in den Hintergrund rückt. Das zentrale Thema der nächsten Jahre und Jahrzehnte ist der Klimawandel und die Folgen für uns alle.
Sie sehen den Klimawandel als größeres Problem als die aktuelle CoronaKrise?
Litpher: Die große Mehrheit der Menschen hält den Klimawandel für die größte Bedrohung. Das zeigen verschiedene Umfragen – übrigens nicht nur in Deutschland. Er wird uns lange Zeit beschäftigen. Politik, Bürger, Unternehmen, Medien müssen ihren Beitrag leisten. Das gilt auch für uns als Lechwerke, wir sehen das Engagement für den Klimaschutz als besondere Verpflichtung. Die Lechwerke werden dieses Jahr 120 Jahre alt, wir werden unsere Aktivitäten hier deshalb bündeln und signifikant weiter verstärken.
Wie sieht Ihr Kurs angesichts des Klimawandels und seiner Folgen aus?
Norbert Schürmann: Die Lechwerke sind mit den erneuerbaren Energien groß geworden. 1901 ging das Wasserkraftwerk Gersthofen in Betrieb, das sind unsere Wurzeln, das ist unsere DNA. Spätestens bis 2030 wollen wir innerhalb der LEW-Gruppe klimaneutral sein. Wir werden die erneuerbaren Energien weiter ausbauen, unseren Kunden noch mehr grüne Lösungen bieten und uns für den Naturschutz einsetzen.
Wie wollen Sie die Klimaneutralität erreichen?
Litpher: Unsere Stromerzeugung ist durch unsere eigenen Wasserkraftwerke und Photovoltaik-Anlagen bereits klimaneutral. Während wir bei der Wasserkraft auf die weitere Modernisierung der Anlagen setzen, wollen wir im Bereich Photovoltaik auch weiter Anlagen bauen. Zudem haben wir unsere Gebäude auf eine klimaneutrale Stromversorgung umgestellt. Bereits heute fährt ein Drittel unserer Fahrzeuge im Fuhrpark elektrisch. Bis 2030 soll unser Pkw-Fuhrpark komplett aus elektrischen Fahrzeugen bestehen, dafür werden wir spätestens ab 2023 keine Pkws mit Verbrennungsmotor mehr beschaffen. Bis 2030 werden wird auch beim Betrieb der Netze klimaneutral sein.
Deutschland will bis 2050 klimaneutral sein. Denken Sie, dies ist machbar? Wo steht unsere Region derzeit?
Litpher: Der Anteil der erneuerbaren Energien in unserem Netzgebiet liegt aktuell bei rund 80 Prozent, im Bundesschnitt sind es 46 Prozent. In unserem Netzgebiet betreiben wir 36 Wasserkraftwerke und haben rund 77000 Solaranlagen angeschlossen. Wir sind aber längst nicht da, wo ich uns gerne hätte.
Wenn der Anteil der Erneuerbaren bereits 80 Prozent beträgt, ist die Herausforderung der Klimaneutralität in unserer Region gar nicht so groß?
Litpher: Die letzten 20 Prozentpunkte sind häufig die schwersten. In unserer Region geht bald der zweite Block in Gundremmingen vom Netz. Insofern gilt es, fehlende Kapazitäten durch entsprechende Erzeugung vor Ort oder in anderen Teilen Deutschlands oder im Ausland zu ersetzen. Um in ganz Deutschland die Klimaziele zu erreichen, sind noch gewaltige Anstrengungen nötig. Ich denke, dass der Stromverbrauch signifikant höher sein wird als in den Prognosen der Bundesregierung, da auch die Bereiche Verkehr und Heizen zunehmend elektrifiziert werden. Die erneuerbaren Energien sind der Treiber der Energiewende. Es wird und muss deshalb noch viel mehr Photovoltaik-Anlagen geben.
Wie sieht der Beitrag der LEW dafür aus?
Litpher: In unserer Region haben unsere eigenen Photovoltaik-Anlagen eine Leistung von zehn Megawatt in der Spitze, 2025 werden es wohl 25 Megawatt sein – also mehr als eine Verdopplung. Dafür braucht es auch leistungsstarke Netze. Das regionale Verteilnetz ist die Herzkammer der dezentralen Energiewende. Wir werden hier massiv weiter investieren – bis 2030 rund eine Milliarde Euro.
Scheitert der Ausbau nicht aber vielerorts, weil Kommunen sich gegen Photovoltaik auf der Freifläche sträuben?
Schürmann: Man kann Photovoltaik auf Dächern errichten, ehemaligen Industrieflächen, am Rande von Autobahnen, an Fassaden oder auf Stauseen. Auch Photovoltaik und Landwirtschaft lassen sich kombinieren. Stichwort ist hier Agri-Photovoltaik. Daher denke ich nicht, dass Fläche der limitierende Faktor ist. Wir erleben in den Kommunen viel Akzeptanz für Photovoltaik. Litpher: Weiter Akzeptanz in der Bevölkerung zu schaffen, ist eine zentrale Aufgabe. Nur dann werden wir alle Potenziale nutzen können. Energiewende wird für uns alle sichtbar sein. Ohne das wird es nicht gehen – ob es nun Stromleitungen oder Photovoltaik-Anlagen sind.
Wäre eine Solarpflicht eine Lösung?
Schürmann: Einige Bundesländer planen, eine Solarpflicht im Neubaubereich einzuführen. Ich denke, in unserer Region gibt es viel Potenzial für den weiteren Ausbau der Photovoltaik, dazu attraktive staatliche Anreize und Förderungen. Das Interesse unserer Kunden steigt – ich denke, man sollte erst dieses Potenzial nutzen, bevor man über eine Solarpflicht nachdenkt.
Wie wollen Sie das Thema Klimaschutz zu Ihren Kunden bringen und was wird das kosten?
Schürmann: Klimaschutz, das merken wir, wird für unsere Privat- und Geschäftskunden zunehmend wichtig. Wir werden bald die tausendste Photovoltaik-Anlage verkauft haben und unterstützen unsere Kunden, mit Batteriespeichern den Eigenverbrauch an Solarstrom zu erhöhen oder ihre Wärmepumpen-Heizung damit zu betreiben. Wir haben zu Beginn des Jahres für alle Privatkunden die Wärmestromversorgung auf Ökostrom umgestellt – ohne zusätzliche Kosten für die Kunden. Auch an unseren öffentlichen Ladepunkten für die Elektroautos stellen wir seit jeher ausschließlich Ökostrom zur Verfügung.
Bremst die Elektromobilität derzeit nicht auch das dünne Ladenetz in Deutschland? Auch die Lechwerke betreiben Ladesäulen. Müssten Sie hier nicht massiv ausbauen?
Schürmann: Derzeit betreiben wir mehr als 300 Ladepunkte in der Region, seit vielen Jahren engagieren wir uns stark in der Elektromobilität. Wir rechnen bis 2025 mit einem vierfachen Bestand an Elektroautos. Entsprechend ist ein bedarfsorientierter Ausbau der Ladeinfrastruktur erforderlich. Man muss aber auch sehen, dass weit über 80 Prozent der Ladevorgänge privat erfolgen werden, also an Wallboxen in den Häusern. Das gilt natürlich insbesondere für unsere ländliche Region.
Der Strom aus erneuerbaren Energien wird immer günstiger in der Herstellung. Verbraucher zahlen aber trotzdem hohe Strompreise. Wie kann das sein?
Litpher: Der Anstieg der Strompreise ist vor allem geprägt durch die hohen Steuern und Umlagen. Sie machen die Hälfte des Preises aus. Die Deckelung der EEG-Umlage durch die Bundesregierung auf 6,5 Cent pro Kilowattstunde ist sicher ein erster, richtiger Schritt. Die Umlage für die erneuerbaren Energien muss aber weiter heruntergehen, noch besser: Die EEG-Finanzierung sollte grundsätzlich reformiert werden.
Klimaschutz ist in der Politik angekommen, es gibt ambitionierte Ziele, im Alltag fahren aber viele Menschen noch mit dem Benziner, heizen mit Öl. Ist hier nicht noch ein größeres Umdenken nötig?
Litpher: Unser Jubiläumsjahr nehmen wir auch zum Anlass, den Klimaschutz noch stärker zu den Menschen zu bringen. Wir planen eine Nachhaltigkeitsinitiative unter dem Motto „Gemeinsam besser machen“– mit einer Roadshow durch die Region, Workshops und Klimaschutzwettbewerben. Jeder einzelne Beitrag ist wichtig.
Wie ist das Corona-Jahr finanziell für die Lechwerke gelaufen?
Litpher: Aufgrund der Corona-Pandemie konnten wir nicht all unsere Ziele in Gänze erreichen, so fielen zum Beispiel unsere Investitionen etwas niedriger aus als zunächst geplant. Doch konnten wir das Jahr 2020 insgesamt positiv für uns abschließen und haben in zahlreichen Projekten in unsere Leistungsfähigkeit und die Region investiert. Detailliertere Auskünfte können wir aber verständlicherweise erst nach Feststellung des Jahresabschlusses auf der Bilanzpressekonferenz geben.
Wie halten Sie es privat mit dem Homeoffice? Kommen Sie mit dem Homeoffice klar?
Schürmann: Wir arbeiten beide im Homeoffice, ich bin in Ustersbach, Markus Litpher in Haunstetten. Wir kommen gelegentlich in das Unternehmen, aber nicht gleichzeitig. Meine Kinder sind schon aus dem Haus, ich habe aber großen Respekt, wie unsere Kolleginnen und Kollegen im Homeoffice alles managen! Litpher: Homeoffice und Homeschooling funktionieren bei uns zu Hause gut. Die Digitalisierung macht das möglich. Als Unternehmen werden wir den Digitalisierungsschub in die Zukunft mitnehmen. Wir unterstützen die Arbeit von zu Hause und ermöglichen so größere Flexibilität.
Markus Litpher, 57, ist seit 2009 Vorstand der Lechwerke in Augs burg, die einen großen Teil der Ener gieversorgung in Schwaben abde cken. Er arbeitet mit Norbert Schür mann, 59, zusammen, der seit 2012 Technischer Vorstand ist.