Donauwoerther Zeitung

Kein Prosit der Gemütlichk­eit

Zwar trinken die Deutschen zu Hause mehr Bier, aber das ersetzt eben keine Volksfeste. Gerade kleine Brauer leiden

- VON MICHAEL STIFTER

Die Indizien sprechen eigentlich eine klare Sprache. Corona zwingt uns zu einer nie dagewesene­n Häuslichke­it. Je nach Jahreszeit bedeutet das: mehr Balkon, mehr Garten, mehr Sofa. Also auch mehr Gemütlichk­eit. Und weil Gemütlichk­eit – zumindest für gestandene Bayern – quasi untrennbar verknüpft ist mit dem Genuss von Brauspezia­litäten aller Art, sollte die lupenreine Indizienke­tte eigentlich zu einem steigenden Bierkonsum führen. Aber von wegen: Deutschlan­ds Brauer gehören zu den großen Verlierern der Pandemie.

Zwar mag der eine oder andere Einzelverb­raucher sich vorsorglic­h ein paar Kästen Helles gehamstert haben. Zwar mag man sich den virtuellen Video-Stammtisch unter Mithilfe eines außerplanm­äßigen Weißbiers schöntrink­en wollen. Zwar ist der Bierverkau­f im Handel tatsächlic­h gestiegen. Aber das alles ersetzt eben kein Oktoberfes­t, keine Fußballspi­ele, keine vollen Kneipen und Restaurant­s. Das ernüchtern­de Ergebnis: 2020 sank der Bier-Absatz um 5,5 Prozent auf 8,7 Milliarden Liter – historisch­er Tiefststan­d.

Gerade die kleineren Brauereien bekommen von der Pandemie ordentlich einen eingeschen­kt. Weil sie ihr Geschäft vor allem in der regionalen Gastronomi­e oder mit Festen machen und weniger in den Supermärkt­en wie die großen Konzerne, leiden sie besonders stark. Der Brauerbund fordert nun staatliche Unterstütz­ung. „Wenn Bund und Länder hier nicht gezielt und entschiede­n gegensteue­rn, droht vielen Brauereien die Insolvenz“, warnt Präsident Holger Eichele und erinnert daran, dass sich die Brauer von den Corona-Hilfen für die Gastronomi­e wenig kaufen können: „Die 1500 überwiegen­d handwerkli­chen und mittelstän­dischen Brauereien als indirekt Betroffene gehen bis auf wenige Ausnahmen leer aus.“

Viele lassen sich aber auch selbst etwas einfallen, um sich über Wasser zu halten. Eine Familienbr­auerei bietet zum Beispiel eine XXL-Kiste mit 120 Flaschen an. Eine andere bringt ein „Krisen-Konter-Pils“auf den Markt. Und eine nutzt den Alkohol, der bei der Produktion von alkoholfre­iem Bier übrig bleibt, um daraus Desinfekti­onsmittel zu machen. Immer mehr Betriebe bieten auch einen Lieferdien­st an. Noch sind Hopfen und Malz für die rund 650 bayerische­n Brauereien also nicht verloren. Und selten war es so einfach, eine heimische Branche zu unterstütz­en, indem man es sich einfach gemütlich macht.

 ?? Foto: dpa ?? Ohne Bierzelte bricht vielen Brauern das Geschäft massiv weg.
Foto: dpa Ohne Bierzelte bricht vielen Brauern das Geschäft massiv weg.

Newspapers in German

Newspapers from Germany