Kein Prosit der Gemütlichkeit
Zwar trinken die Deutschen zu Hause mehr Bier, aber das ersetzt eben keine Volksfeste. Gerade kleine Brauer leiden
Die Indizien sprechen eigentlich eine klare Sprache. Corona zwingt uns zu einer nie dagewesenen Häuslichkeit. Je nach Jahreszeit bedeutet das: mehr Balkon, mehr Garten, mehr Sofa. Also auch mehr Gemütlichkeit. Und weil Gemütlichkeit – zumindest für gestandene Bayern – quasi untrennbar verknüpft ist mit dem Genuss von Brauspezialitäten aller Art, sollte die lupenreine Indizienkette eigentlich zu einem steigenden Bierkonsum führen. Aber von wegen: Deutschlands Brauer gehören zu den großen Verlierern der Pandemie.
Zwar mag der eine oder andere Einzelverbraucher sich vorsorglich ein paar Kästen Helles gehamstert haben. Zwar mag man sich den virtuellen Video-Stammtisch unter Mithilfe eines außerplanmäßigen Weißbiers schöntrinken wollen. Zwar ist der Bierverkauf im Handel tatsächlich gestiegen. Aber das alles ersetzt eben kein Oktoberfest, keine Fußballspiele, keine vollen Kneipen und Restaurants. Das ernüchternde Ergebnis: 2020 sank der Bier-Absatz um 5,5 Prozent auf 8,7 Milliarden Liter – historischer Tiefststand.
Gerade die kleineren Brauereien bekommen von der Pandemie ordentlich einen eingeschenkt. Weil sie ihr Geschäft vor allem in der regionalen Gastronomie oder mit Festen machen und weniger in den Supermärkten wie die großen Konzerne, leiden sie besonders stark. Der Brauerbund fordert nun staatliche Unterstützung. „Wenn Bund und Länder hier nicht gezielt und entschieden gegensteuern, droht vielen Brauereien die Insolvenz“, warnt Präsident Holger Eichele und erinnert daran, dass sich die Brauer von den Corona-Hilfen für die Gastronomie wenig kaufen können: „Die 1500 überwiegend handwerklichen und mittelständischen Brauereien als indirekt Betroffene gehen bis auf wenige Ausnahmen leer aus.“
Viele lassen sich aber auch selbst etwas einfallen, um sich über Wasser zu halten. Eine Familienbrauerei bietet zum Beispiel eine XXL-Kiste mit 120 Flaschen an. Eine andere bringt ein „Krisen-Konter-Pils“auf den Markt. Und eine nutzt den Alkohol, der bei der Produktion von alkoholfreiem Bier übrig bleibt, um daraus Desinfektionsmittel zu machen. Immer mehr Betriebe bieten auch einen Lieferdienst an. Noch sind Hopfen und Malz für die rund 650 bayerischen Brauereien also nicht verloren. Und selten war es so einfach, eine heimische Branche zu unterstützen, indem man es sich einfach gemütlich macht.