Donauwoerther Zeitung

Romantisch einsam

Nirgendwo in Deutschlan­d leben laut einer Studie mehr Singles als in Regensburg. Dabei wäre die schöne Donaustadt mit ihren Cafés und verwinkelt­en Gassen doch prädestini­ert für die Liebe. Eine Spurensuch­e

- VON VERA KRAFT

Regensburg Der erste Eindruck zählt – am meisten immer noch beim ersten Date. Den Ort dafür wählt Paul Schneider, ein 24-jähriger Jura-Student, daher wohlüberle­gt. Regensburg scheint, auf den ersten Eindruck, die perfekte Stadt zu sein, wenn es darum geht, ein romantisch­es Plätzchen zu finden. In der historisch­en Altstadt mit den verwinkelt­en Gassen gibt es viele kleine Cafés und von der berühmten Steinernen Brücke hat man einen malerische­n Blick auf Donau und Dom. Das Marktforsc­hungsunter­nehmen Gesellscha­ft für Konsumfors­chung (GfK) hat jedoch die soziodemog­rafische Entwicklun­g in Deutschlan­d genauer untersucht und festgestel­lt: So romantisch geht es in der 150000-Einwohners­tadt gar nicht zu – zumindest nicht, wenn man der Statistik glaubt.

Denn betrachtet man die Zahlen, ist Regensburg die Stadt, in der es deutschlan­dweit die meisten Singles gibt. 57 Prozent der Bewohner leben alleine. Damit liegt Regensburg deutlich über dem Bundesdurc­hschnitt (37 Prozent). Die Zahl der Einpersone­nhaushalte ist in Deutschlan­d zwar auch allgemein gestiegen, doch den Titel der SingleHaup­tstadt hält Regensburg nun seit vier Jahren in Folge.

Paul Schneider aus Augsburg, der seinen echten Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, gehört zu dem Bevölkerun­gsteil, in dem sich die meisten Single-Haushalte wiederfind­en: den Studierend­en. Er studiert seit drei Jahren Jura in Regensburg, hatte in der Zeit ein halbes Jahr eine Beziehung und hat ansonsten sein Single-Leben genossen. „Die Chance, hier Gleichaltr­ige in der gleichen Lebensphas­e kennenzule­rnen, ist hoch“, sagt Schneider und fügt hinzu: „Das erhöht aber auch die Hemmschwel­le, jemanden in der Öffentlich­keit anzusprech­en. Die Wahrschein­lichkeit ist groß, dass man sich am nächsten Tag auf dem Campus wiedersieh­t.“

Juliane von Roenne-Styra von der Stadt Regensburg bestätigt: Das breite Bildungsan­gebot sei vor allem für jüngere Menschen attraktiv – in diesen Altersgrup­pen gebe es daher einen „überpropor­tionalen Zuzug“. Auch viele Berufsanfä­nger im Alter von 25 bis 34 Jahren ziehe es zu dem Unternehme­nsstandort Regensburg. Dennoch betrachtet die Pressespre­cherin das Ergebnis der sozialdemo­grafischen Studie etwas skeptisch: „Die GfK überschätz­t den Anteil der Singles in unserer Stadt.“Es sei zwar richtig, dass es in Regensburg sehr viele Singles gebe, doch viele Einpersone­nhaushalte seien auf Studierend­e zurückzufü­hren, die in Regensburg nur einen Zweitwohns­itz angemeldet hätten.

Und so sind es auch sonst vor allem die kleineren Universitä­tsstädte, die einen hohen Anteil an Einpersone­nhaushalte­n haben. Spitzenrei­ter nach Regensburg sind Erlangen und Würzburg. Auch Augsburg liegt klar über dem bundesweit­en Schnitt. In Großstädte­n wie Berlin macht sich der Anteil der Studierend­en weniger stark bemerkbar.

Die größten Unterschie­de seien zwischen städtische­n und ländlichen Regionen festzustel­len, sagt Christian Fiedler vom Bundesinst­itut für Bevölkerun­gsforschun­g – getreu dem Motto: Als Single in die Stadt, mit Familie aufs Land. Auffallend: Auch hier sind vor allem bayerische Landkreise in der Rangliste vorne. So gibt es im Landkreis Eichstätt bundesweit die meisten Mehrperson­enhaushalt­e mit Kindern (40,9 Prozent) und auch die Kreise Neuburg-Schrobenha­usen sowie Dillingen liegen in den „Top 10“.

Auch im europaweit­en Vergleich gibt es laut Studien in Deutschlan­d überdurchs­chnittlich viele Singles. Lediglich in Dänemark und Norwegen gibt es noch mehr. Warum die Zahl der Einpersone­nhaushalte in Deutschlan­d wächst, habe verschiede­ne Gründe, sagt Geograf Fiedler. „Junge Menschen bleiben aufgrund der verlängert­en Ausbildung­sphase länger allein und Paare lassen sich mit dem Zusammenzi­ehen mehr Zeit als früher.“Zudem bleiben immer mehr Erwachsene partner- und kinderlos oder bevorzugen eine Partnersch­aft mit getrennten Haushalten. Dazu tragen unter anderem auch die gestiegene­n Mobilitäts­anforderun­gen bei, erklärt Fiedler.

Eine romantisch­e Stadt-Kulisse helfe da nur bedingt, findet der Regensburg­er Student Schneider. Denn statt in den „schnuckeli­gen alten Cafés“würden sich die meisten Studierend­en ohnehin lieber im modernen Teil der Stadt treffen. Dort habe man oft mehr Ruhe, um sich ungestört kennenzule­rnen. Während der Kontaktbes­chränkunge­n fänden die Treffen nun aber vermehrt online statt. Ein Trend, der schon vor Corona begonnen hat: „Dating hat sich über die Jahre zunehmend in digitale Welten verschoben“, sagt die Psychother­apeutin Heike Melzer. Auch Schneider hat schon seit Beginn seines Studiums immer mal wieder DatingApps wie Tinder benutzt. Während Corona sei jedoch die Akzeptanz und damit auch die Benutzerza­hl gewachsen, sagt der Student.

Melzer, die eine Praxis für Paarund Sexualther­apie in München führt, weiß: „Hinter den OnlineProf­ilen stecken Menschen, die auf der Suche sind.“Doch sie warnt davor, dass sich Sexualität und Liebe besonders bei dieser Art des Kennenlern­ens häufig voneinande­r abkoppeln würden. „Es ist schwierig, über Tinder eine feste Beziehung zu finden“, stimmt Schneider zu. In der aktuellen Situation erleichter­e es die App jedoch, überhaupt andere Menschen kennenzule­rnen. „Man schreibt länger, bevor man sich das erste Mal trifft“, sagt Schneider. Diese Entschleun­igung und den intensiver­en Austausch bewertet Psychother­apeutin Melzer positiv. Auch sonst sieht sie die „digitale Kontaktanb­ahnung“nicht nur als Überbrücku­ngsmöglich­keit, sondern als „echte und viel genutzte Alternativ­e zum Treffen im analogen Umfeld“.

Das Angebot, wie sich erste Treffen gestalten können, sei jenseits der Pandemie aber natürlich deutlich vielfältig­er, räumt die Paartherap­eutin ein. Nachdem ein Treffen im Café momentan also keine Option ist, gehe man beim ersten Date eben spazieren, meistens sogar mit Maske, erzählt Schneider. Seine Lieblingsr­oute: über die Steinerne Brücke und an der Donau entlang – mit Blick auf die Regensburg­er Altstadt.

 ?? Archivfoto: Weigel, dpa ?? Einer schöner Fleck Erde für Romantiker: Regensburg. Die Altstadt, die Donau, der Dom, die vielen kleinen Cafés – dennoch will es in der Stadt mit der Liebe nicht so recht klappen, behauptet eine Studie nun schon seit mehreren Jahren.
Archivfoto: Weigel, dpa Einer schöner Fleck Erde für Romantiker: Regensburg. Die Altstadt, die Donau, der Dom, die vielen kleinen Cafés – dennoch will es in der Stadt mit der Liebe nicht so recht klappen, behauptet eine Studie nun schon seit mehreren Jahren.

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