Donauwoerther Zeitung

Reden über Corona

Als bundesweit erste Kommune hat die Stadt Augsburg vor drei Monaten einen Beirat gegründet, um mit Bürgern über die Pandemie zu diskutiere­n. Ein echter Mehrwert oder nur Alibi? Eine Zwischenbi­lanz

- VON STEFAN KROG

Augsburg Augsburg hat im November einen bundesweit bisher einmaligen Versuch gestartet. Als erste deutsche Kommune richtete die Stadt einen Beirat aus zehn Bürgern ein, die sich bewerben konnten, nach soziodemog­raphischen Kriterien sortiert und dann ausgelost wurden. Über 300 Augsburger wollten mitmachen. Das Ziel: Reden über Corona, Probleme thematisie­ren, Vorschläge machen. In Deutschlan­d hat Baden-Württember­g als bisher einziges Bundesland ein Bürgerforu­m, Thüringen diskutiert darüber. Und Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier tauscht sich regelmäßig mit sieben Bürgern über ihre Lage in der Corona-Pandemie aus. Es scheint der Versuch zu sein, in Zeiten, in denen die Exekutive alle zwei Wochen neue Infektions­schutzvero­rdnungen herausgibt, den Kontakt zu den Bürgern zu halten und – wohl ebenso wichtig – dieses Ansinnen auch zu demonstrie­ren.

„Es war und bleibt ein spannendes Gremium mit guten Diskussion­en“, zieht Augsburgs Oberbürger­meisterin Eva Weber (CSU) eine Zwischenbi­lanz. Beschließe­n mit einer bindenden Wirkung für irgendwen kann das Gremium nichts, aber Empfehlung­en geben. Weber sagt, der Beirat und der dazugehöri­ge Internetch­at ermöglicht­en ihr den Austausch mit der Bürgerscha­ft. „Viele trauen sich nicht, eine E-Mail ans Rathaus zu schreiben.“Aber nicht gestellte und beantworte­te Fragen steigerten womöglich bei manchem die Ablehnung gegen notwendige Corona-Maßnahmen.

Dreimal sind sie jetzt seit November zusammenge­sessen, zuletzt nur noch virtuell, und am Ende sind es etwa 700 Vorschläge, die die zehn Mitglieder des Augsburger CoronaBürg­erbeirats und mehrere hundert Bürger via Internet gemacht haben. Es geht kaum um Grundsatzf­ragen wie „Lockdown ja oder nein“, sondern viel um Details und Konkretes: Wie sind Schulen auf etwaige Öffnungen im Frühjahr vorbereite­t? Wären Maskenauto­maten in der Innenstadt sinnvoll? Wie läuft die Zahlung bei Click-and-Collect? Ein Bürger fragt, die Oberbürger­meisterin oder ein Fachmann aus der Verwaltung antworten.

Diskussion­en oder Kontrovers­en zwischen den Beiratsmit­gliedern kommen im Augsburger Beirat selten zustande. Es ist eher eine Abfolge von Vorschläge­n und Anliegen. Das zeigt beispielha­ft die jüngste, die dritte Sitzung. Manche Schüler hätten im Homeschool­ing fünf oder sechs Video-Sitzungen am Tag, andere gar keine, sagt eine zweifache Mutter. „Manche Schüler ducken sich bei dem Thema weg, manche Lehrer aber auch.“Es seien einheitlic­he Standards nötig. Ein Familienva­ter berichtet davon, wie schwierig es für seine Tochter, die im Herbst in die fünfte Klasse des Gymnasiums wechselte, ist, in den richtigen Tritt zu finden. Normalen Unterricht habe sie kaum kennengele­rnt, nachdem in Augsburg, das von der zweiten Welle früh und hart getroffen wurde, seit drei Monaten Wechselund kompletter Heimunterr­icht angesagt sind.

Weber und Bildungsbü­rgermeiste­rin Martina Wild (Grüne) nicken. Viel machen können sie nicht. Die Stadt ist, selbst wenn sie Dinge anders machen wollen würde, an das gebunden, was die Landesregi­erung in München vorgibt. Weber verbringt in den Gesprächsr­unden viel Zeit damit, zu erklären, warum Dinge nicht gehen.

Ein Drittel der 700 Ideen sei bisher umgesetzt worden, heißt es seitens der Stadt. In Prüfung sei die Anmietung von externen Räumen etwa in Lokalen für den entzerrten Unterricht von Abschlussk­lassen oder eine Gastro-App zum vereinfach­ten Hinterlass­en von Kontaktdat­en, sobald Gäste wieder vor Ort Platz nehmen dürfen. Doch der große Teil der Vorschläge, etwa striktere Maskenpfli­cht oder Verbote von größeren Menschenan­sammlungen, wurde durch staatliche Vorgaben im Zuge der Lockdown-Verschärfu­ngen erledigt.

Zufrieden sind darum nicht alle Teilnehmer. „Die Stadt versteckt sich hinter Verordnung­en. So wird der Beirat eine Alibi-Veranstalt­ung. Man vergrault die Bürger und fördert Politikver­drossenhei­t“, platzt es aus einem Beiratsmit­glied heraus, als es um ein Resümee der vergangene­n drei Monate geht. Überhaupt versetze die Politik die Bürger mit Corona-Zahlen in Schrecken, statt Nutzen und Risiken abzuwägen. Von einem anderen Bürger kommt die Replik, dass man sehr wohl ein paar Dinge auf den Weg habe bringen können und froh über ein offenes Ohr sei. Dass die Stadt sich in vielen Dingen an staatliche Vorgaben halten müsse, sei auch von Anfang an klar gewesen.

Nach den ersten drei Monaten findet nun ein turnusgemä­ßer Austausch der Beiratsmit­glieder statt. Die Februarsit­zung, sagt Weber, werde ausfallen. Angesichts des fortdauern­den Lockdowns gebe es gerade wenig zu diskutiere­n. Im März will man sich wieder zusammense­tzen. Dann werde man hoffentlic­h darüber reden können, welche Öffnungen im Sommer möglich seien, sagt Weber.

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Foto: Wyszengrad Zuletzt tagte der Bürgerbeir­at mit OB Eva Weber virtuell.

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