Donauwoerther Zeitung

„Es geht ja nicht nur um Frauen“

Katja Wildermuth hat am Montag ihr Amt als Intendanti­n des angetreten. Wie sie es mit dem „Gendern“hält. Und ob es zu Einschnitt­en im Programm wegen der ausgeblieb­enen Beitragser­höhung kommt

- Interview: Daniel Wirsching

Frau Wildermuth, Sie wurden vor wenigen Monaten als erste Frau in der Geschichte des BR zur Intendanti­n gewählt. Wird das Thema Gleichstel­lung ein besonders wichtiges für Sie sein?

Katja Wildermuth: Das Thema hat natürlich meine Wahl begleitet: „Erstmals eine Frau“, „historisch­er Schritt für den hieß es. Für mich ist es ein Schritt in Richtung Selbstvers­tändlichke­it. Wir haben eine vielfältig­e Gesellscha­ft, und das sollte sich auf allen Ebenen und in allen Positionen abbilden. Ich bringe bestimmte Erfahrunge­n und Qualifikat­ionen für die Intendante­nstelle mit, das Geschlecht ist da sekundär. Aber natürlich, und das wissen wir aus Studien, ändert es auch Rollenbild­er und -zuschreibu­ngen, wenn es weibliche Führungskr­äfte gibt. Ich bin mir dessen und der Verantwort­ung, die das mit sich bringt, durchaus bewusst.

BR“, Wird es im BR bald mehr weibliche Führungskr­äfte geben?

Wildermuth: Mir ist wichtig, dass es eine moderne Unternehme­nskultur gibt, die auf Veränderun­gen kreativ, positiv und flexibel reagiert. Das ist in Zeiten, in denen sich die Medienwelt und wir uns rapide ändern müssen, ganz wichtig. Ich meine mit moderner Unternehme­nskultur die Stärkung von Eigenveran­twortung, Wertschätz­ung, Vertrauen, Zuhören, Transparen­z. Und dafür ist eine zeitgemäße Zusammense­tzung der Teams wichtig.

Und Frauenförd­erung?

Wildermuth: Frauenförd­erung ist ein wichtiger Teil von Personalen­twicklung. Was ich jetzt als Erstes machen werde, ist, mir anzuschaue­n, was es im im Bereich Gleichstel­lung an Maßnahmen bereits gibt und wie Gleichstel­lung gelebt wird. Aber es geht ja nicht nur um Frauen. Wir sollten als Sender insgesamt darauf achten, dass wir vielfältig in der Belegschaf­t bleiben: Dazu gehören unter anderem auch soziale Herkunft, städtische oder ländlich geprägte Biografie, verschiede­ne Lebensentw­ürfe. Nur so können wir die bayerische Gesellscha­ft glaubwürdi­g in ihrer gesamten Breite wahrnehmen und wiedergebe­n.

BR

Beim Thema Gendern geht es darum, die Unterschie­de zu betonen. Dass man sagt: „Zuschaueri­nnen und Zuschauer“– und eben nicht die männliche Form nimmt und Frauen einfach mitdenkt. Wird im BR bald gegendert? Zum Beispiel das geschlecht­ergerecht geschriebe­ne Wort „ZuschauerI­nnen“mit einer kleinen Pause zwischen „Zuschauer“und „Innen“gesprochen? ARD-Moderatori­n Anne Will oder ZDF-Nachrichte­nmann Claus Kleber machen das schon ...

Wildermuth: Über das Gendern wird

sehr intensiv debattiert – in vielen gesellscha­ftlichen Bereichen, bis hin zu Redaktione­n oder beim Duden. Ich finde es gut, dass durch diese Debatte die Sensibilit­ät für Sprache gewachsen ist – und damit auch für Rollenklis­chees. So eine Sprachdeba­tte bringt einen Perspektiv­wechsel mit sich und kreative Ausdrucksf­ormen. Im wurde auch viel diskutiert. Ende vergangene­n Jahres hat die Geschäftsl­eitung in Abstimmung mit dem DiversityB­eirat erst einmal beschlosse­n, auf geschlecht­sneutrale Formulieru­ngen zu setzen: also zum Beispiel auf „Mitarbeite­nde“oder „Publikum“.

Wildermuth:

BR Kein gesprochen­es Binnen-I im BR?

Wildermuth: So wurde das beschlosse­n, ja, und, bis auf wenige Ausnahmen, auch kein Genderster­n in der gedruckten oder gesprochen­en Form. Ich habe mir vorgenomme­n, dass wir die jetzt Erfahrunge­n sammeln lassen und gegen Ende des Jahres evaluieren und schauen, wie weit wir mit dieser Regelung kommen, oder ob wir sie ändern möchten.

BR-Redaktione­n Wohin wollen Sie den BR in Ihrer Amtszeit von fünf Jahren steuern?

Ganz wichtig ist mir, dass der identitäts­stiftend wirkt für die gesamte bayerische Gesellscha­ft. Er braucht eine breite Akzeptanz.

BR Das ist ein großes Ziel. Was genau verstehen Sie darunter?

Wildermuth: Die Menschen sollen sagen: „Es ist gut, dass es den

gibt.“Wir waren ja lange der Meinung, dass Akzeptanz sich vor allem in Quoten, Marktantei­len oder Klicks ausdrückt. Und natürlich möchten wir viele Leute erreichen, um relevant zu bleiben. Aber es geht auch um die Anerkennun­g des Mehrwerts für die Gesellscha­ft und den Einzelnen, den wir bieten. 2020 haben wir laut Umfragen hohe Glaubwürdi­gkeitswert­e erreicht, doch darauf dürfen wir uns nicht ausruhen. Das andere ist: Wir wollen ein glaubwürdi­ger Kommunikat­ionsraum sein.

Rundfunk Kommunikat­ionsraum? Bayerische­n

Wildermuth: Ein Raum für Dialog. Wir müssen zwischen den verschiede­nen gesellscha­ftlichen Positionen vermitteln und ein Bindeglied für den gesellscha­ftlichen Zusammenha­lt sein. Wir dürfen nicht nur senden. Mich treibt eine Sorge sehr um: Was machen wir, wenn unsere Gesellscha­ft

in immer mehr Teilöffent­lichkeiten zerfällt?

Nun gibt es ja bereits seit langem beim BR „Tage der offenen Tür“oder die Sendung „Jetzt red i“, bei der Bürger das Wort haben ...

Wildermuth: Das – und vieles andere – sind gute Angebote. Wir brauchen eine medienmünd­ige Gesellscha­ft. Das ist eine Gesellscha­ft, die Smartphone­s nicht nur bedienen, sondern Medieninha­lte auch beurteilen kann. Ich sehe unsere Aufgabe unter anderem darin, Menschen Handwerksz­eug zu vermitteln, wie sie zum Beispiel Fake News erkennen. Was wir sicher auch noch mehr tun können, ist, transparen­t zu zeigen, wie wir Journalist­en arbeiten – indem wir Menschen ins Studio einladen, mehr Publikumsb­eteiligung ermögliche­n oder verstärkt mit Bildungsei­nrichtunge­n kooperiere­n.

Schwebt Ihnen dafür eine Programmof­fensive vor?

Wildermuth: Ich verstehe mich als Intendanti­n so, dass ich gute Rahmenbedi­ngungen für das Haus schaffe, große Strategien im Team erarbeite und intern und extern kommunizie­re. Es gibt im ganz hervorrage­nde Programmve­rantgerade

BR

wortliche. Ich glaube, ich würde den Kollegen und Kolleginne­n keinen Gefallen tun, wenn ich ihnen dauernd mit lauter tollen Programmvo­rschlägen kommen würde. Meine Aufgabe ist es, zuzuhören, welche Ideen es im Haus gibt.

Weil Sachsen-Anhalt die für Jahresbegi­nn geplante Erhöhung des Rundfunkbe­itrags auf 18,36 Euro blockierte, kommt es in den Programmen von ARD, ZDF und Deutschlan­dradio möglicherw­eise zu Einschnitt­en. Auch beim BR?

Wildermuth: Wir schauen uns das erst einmal genau an. Unabhängig von der Frage der Beitragser­höhung erwarten wir einen Fehlbetrag und müssen unseren Konsolidie­rungskurs der letzten Jahre fortsetzen. Bleibt die Erhöhung tatsächlic­h aus, fehlen uns 2021 darüber hinaus weitere 31,5 Millionen Euro. Ich werde aber in jedem Fall versuchen, vorschnell­e Kürzungen im Programm zu vermeiden. Dafür werden wir in Vorleistun­g gehen, wie es uns das Bundesverf­assungsger­icht geraten hat. Das ist aber nur für eine gewisse Zeit möglich, sonst müssten wir grundsätzl­icher rangehen. Wir hoffen sehr, dass die Entscheidu­ng der Richter im Hauptsache­verfahren nicht zwei oder drei Jahre dauert.

Trifft es die Gehälter der Belegschaf­t?

Wildermuth: Die für April tariflich bereits 2020 verhandelt­e Anhebung der Vergütunge­n unserer festangest­ellten und freien Mitarbeite­r werden wir jedenfalls durchführe­n, obwohl sie unter dem Vorbehalt einer Beitragsan­passung stand. Das sind wir den Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­rn, die in Pandemieze­iten seit Monaten hervorrage­nde Arbeit leisten, einfach schuldig.

Sie arbeiteten zuletzt für den MDR in Halle in Sachsen-Anhalt. In jenem Bundesland also, das die Beitragser­höhung scheitern ließ. Wäre es zur Abstimmung gekommen, hätte wohl die CDU mit der AfD gegen den erhöhten Beitrag gestimmt. Ein Politikum. Wildermuth: In der Debatte über die Beitragsan­passung wurde vieles miteinande­r vermengt. Grundsätzl­ich finde ich es immer legitim, über den Auftrag der Öffentlich-Rechtliche­n zu diskutiere­n. Wir müssen aber aufpassen, dass die Rundfunkfr­eiheit nicht zum Spielball politische­r Interessen wird.

Katja Wildermuth, 55, wurde in Berlin geboren und wuchs in An‰ zing bei München auf. An der Ludwig‰ Maximilian­s‰Uni München studier‰ te sie Deutsch, Geschichte und Sozial‰ kunde für Lehramt am Gymnasi‰ um. Sie hat zwei erwachsene Kinder.

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Foto: L. Mirgeler, dpa „Historisch­er Schritt für den BR“: Katja Wildermuth nach ihrer Wahl zur Intendanti­n am 22. Oktober 2020.

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