Keine strikteren Maßnahmen
Macron: „Ich habe Vertrauen in uns“
Paris Ist es die Angst der französischen Regierung vor dem wachsenden Unmut der Bürger über die Anti-Corona-Maßnahmen? Oder kluges Regierungshandeln? Während sich Frankreichs Nachbarländer derzeit im Lockdown befinden, verzichtet man dort jedenfalls weiter auf striktere Maßnahmen, um eine Ausbreitung des Coronavirus und der britischen Mutante zu verhindern. Und das, obwohl seit geraumer Zeit landesweit täglich rund 20000 Neuinfektionen gemeldet werden und inzwischen mehr als 76000 Menschen an oder mit Corona gestorben sind.
Dennoch kündigte Premierminister Jean Castex nun – durchaus überraschend – keine neuen Ausgangssperren an, sondern lediglich die Beibehaltung der bereits geltenden Sperrstunde ab 18 Uhr sowie die Verschärfung der Einreiseregeln. Sie besagen: Wer aus dem EU-Ausland kommt, muss einen negativen PCR-Test vorweisen können, während das Einreisen aus einem NichtEU-Land nur noch mit einem zwingenden Grund erlaubt ist. Davon abgesehen können die Franzosen weiterhin in Geschäften einkaufen. Schließen müssen bloß Einkaufszentren mit einer Fläche von mehr als 20000 Quadratmetern, sofern sie keine Lebensmittel anbieten. Dass Schulen, Kindergärten und Kindertagesstätten offenbleiben, ist ein besonderes Anliegen der Regierung.
„Ich habe Vertrauen in uns“, twitterte Präsident Emmanuel Macron. „Die Stunden, die wir erleben, sind entscheidend. Tun wir alles, um die Epidemie gemeinsam zu bremsen.“Dem Meinungsforscher Emmanuel Rivière zufolge geht er damit das Risiko ein, „das Gefühl zu vermitteln, zu spät zu kommen“, sollte doch noch ein dritter Lockdown erforderlich sein. Einer Umfrage zufolge bescheinigen 61 Prozent der Franzosen ihrem Präsidenten ein schlechtes Krisenmanagement. Zu einem großen Vertrauensverlust kam es bereits bei Ausbruch der Pandemie, als es an Masken und Ausrüstung in den Krankenhäusern mangelte. Auch die Impfkampagne lief überaus schleppend an. Inzwischen haben aber rund 1,5 Millionen Franzosen mindestens einen ersten Piks erhalten.