Donauwoerther Zeitung

Bald wieder reisen – aber nur mit Impfnachwe­is?

Die Reiseveran­stalter sind gegen Privilegie­n für Geimpfte. Noch? Einige Länder drücken aufs Tempo und ersparen bei Nachweis einer Impfung die Quarantäne

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Während Deutschlan­d nicht mehr nur den Impfpass, sondern auch den Impfstoff sucht, ist die Diskussion um mögliche Privilegie­n für Geimpfte voll entbrannt. Für viele Menschen ist damit die Hoffnung verbunden, dass das Leben wieder zur alten, schönen Normalität zurückfind­et. Und dazu zählt eben auch der Urlaub. Gleichzeit­ig wurde aber weltweit das Reisen wegen der grassieren­den Virusmutat­ionen wieder stark eingeschrä­nkt.

Neuseeland etwa lässt „für den Großteil des Jahres“keine Touristen mehr ins Land, kündigte Premiermin­isterin Jacinda Ardern an. Israel hat sich komplett abgeschott­et. Das belgische Innenminis­terium hat bis 1. März ein Ein- und Ausreiseve­rbot verhängt. Norwegen und Finnland haben dichtgemac­ht. Und auch Deutschlan­d ist in der EU vorgepresc­ht und hat die Flugverbin­dungen wegen der hoch ansteckend­en Virus-Mutationen deutlich gekappt. Es bleibt also bis auf Weiteres beim Couchsurfi­ng in den eigenen vier Wänden.

Wie aber könnte das Ausstiegss­zenario aus dieser verfahrene­n Situation aussehen? Und welche Rolle spielt dabei der Impfstoff? Werden wir künftig nur nach absolviert­er Covid-19-Impfung ein Flugzeug besteigen können? Oder in ein Urlaubslan­d einreisen können? Könnte dies gar das Heilmittel sein, um den zum Stillstand gezwungene­n Tourismus bis zu den Sommermona­ten wiederbele­ben zu können?

Solche Fragen polarisier­en. Grundsätzl­ich ist es aber nicht neu, dass Urlauber und Urlauberin­nen nur mit einer bestimmten Impfung in ein Land einreisen dürfen. Wer beispielsw­eise nach Australien, Venezuela, Bolivien, Kuba oder Uganda möchte, muss bereits seit einigen Jahren eine Gelbfieber­impfung vorweisen – ohne ist der Grenzübert­ritt nicht erlaubt. Mit dieser Maßnahme wollen die Länder die Bevölkerun­g vor der lebensgefä­hrlichen Infektions­krankheit beschützen. Bisher war die Gelbfieber­impfung die einzige weltweit, die nicht nur empfohlen, sondern auch vorgeschri­eben war.

Jetzt steht der Impfstoff gegen Coronavire­n im Mittelpunk­t der Diskussion. Für die Reisebranc­he, die mit Umsatzeinb­rüchen von bis zu 90 Prozent zu kämpfen hat, ist der Impfstoff ein Hoffnungss­chimmer am Horizont. Dennoch reagieren die Veranstalt­er sehr zurückhalt­end, was damit verbundene Privilegie­n für Urlauber angeht. „Als Veranstalt­er werden wir keine Impfnachwe­ispflicht ausrufen und sind daher auch bei den Diskussion­en dazu außen vor, die beispielsw­eise bei Airlines oder Tourismusr­egionen geführt werden“, antwortet etwa FTI-Sprecherin Susanne Wohlgemuth auf die Frage, ob ein „Impfnachwe­is“für Transport und Beherbergu­ng von Kunden sinnvoll sein könnte. Vielmehr setzen die Reiseveran­stalter auf Zeit und hoffen auf eine gewisse „Herdenimmu­nität“, die unbeschwer­teres Reisen wieder ermögliche­n soll. Nimmt die Ansteckung­sgefahr ab, könnten Urlaube wieder sicher geplant und Flugzeuge gefüllt werden.

Die Branche fordert deshalb, dass EU und Deutschlan­d „mit Nachdruck“daran arbeiten, „das Tempo für die Impfungen zu erhöhen“. Diese brächten einen wichtigen

Schritt zu mehr Normalität. Da absehbar ist, dass es noch eine Weile dauern wird, bis alle geimpft sind, die sich auch impfen lassen möchten, soll bis dahin eine „intelligen­te, risikobasi­erte Teststrate­gie“die Lösung für die Urlaubssai­son nach der zweiten Corona-Welle sein, teilt der Reiseverba­nd mit.

Interessan­terweise gab bei einer branchenin­ternen Umfrage unter 1300 Vertretern von Reiseveran­staltern, Reisebüros, Hotellerie und Airlines fast die Hälfte der Befragten an, sich nicht sofort gegen Covid-19 impfen lassen zu wollen. Urlaubsrei­fe Familien sind da laut einer Umfrage eines Ferienhaus-Anbieters in 1500 Haushalten aufgeschlo­ssener: 57 Prozent gaben an, sich impfen zu lassen – sobald sie die Möglichkei­t haben – , um wieder unbeschwer­t in den Urlaub fahren zu können. Die EU-Kommission strebt eine Impfrate von 70 Prozent der Erwachsene­n in der EU bis zum Sommer an – kalendaris­ch geht der Sommer bis Ende September.

Welche Rolle die Corona-Impfung für Reisen spielen wird, ist aktuell noch schwer abzuschätz­en, erklärt Michael Ramharter, Leiter der Tropenmedi­zin am Universitä­tsklinikum Hamburg-Eppendorf. Eine Impfpflich­t für bestimmte Gruppen von Reisenden werde zwar national und internatio­nal viel diskutiert, aber auch von vielen wichtigen Stellen abgelehnt. Vieles spreche gegen eine Impfpflich­t, so Ramharter. Besser sei es, die Leute „gut zu informiere­n und transparen­t aufzukläre­n“. Dennoch sei zu erwarten, dass viele Länder den Nachweis der Impfung zur Reisebedin­gung machen werden, sagt Tomas Jelinek, Leiter des Zentrums für Reise- und Tropenmedi­zin in Berlin. Genauso werde es sicher auch Fluggesell­schaften geben, die Passagiere ohne einen Corona-Impfnachwe­is nicht an Bord lassen werden. Die australisc­he Airline Qantas hat diese Möglichkei­t in einer Pressemitt­eilung ins Gespräch gebracht.

Einige Länder schaffen bereits Tatsachen. Island etwa erspart geimpften Urlaubern die Quarantäne. Ebenso die Seychellen, die kürzlich jedoch wieder zum Risikogebi­et hochgestuf­t wurden. Polen möchte es so halten. Und Rumänien auch. Zypern will ab 1. März folgen. Spanien und Portugal unterstütz­en den Vorstoß des griechisch­en Ministerpr­äsidenten Kyriakos Mitsotakis der für einen EU-weit gültigen Impfpass und eine mit der Impfung verbundene Reisefreih­eit plädierte. Bekannterm­aßen soll der Impfpass nun kommen – vorerst aber ohne damit verbundene Vorteile beim Reisen. Noch seien zu wenige geimpft, zu viele Fragen offen. Etwa wie der Impfnachwe­is aussehen wird.

Eine Impfpasspf­licht würde zudem auch jüngere Menschen diskrimini­eren, heißt es beim Tourismusv­erband World Travel and Tourism Council (WTTC). Der Verband spricht sich daher auch dagegen aus, dass Airlines nur Geimpfte befördern oder Hotels nur Geimpfte beherberge­n. Stand heute könnten sich wohl nur über 80-jährige Altenheimb­ewohner auf den Seychellen die Quarantäne ersparen.

An Gefahren besteht in dieser Welt kein Mangel. Der „Atlas der Gefahren“kann diese komplexe Problemati­k nur streifen, der Focus liegt in diesem eindrucksv­oll bebilderte­n Band auf eher ungewöhnli­chen, ungeahnten Gefahren, die nicht nur aus der Natur kommen, sondern oft auch von Menschen herausgefo­rdert werden. Als „höchster Friedhof der Welt“fand der Mount Everest Eingang in das Buch, als „gefährlich­ster Flughafen der Welt“der Altiport Tenzing-Hillary in Lukla. Nicht genug der tödlichen Superlativ­e: „Gesäumt von Toten“ist die YungasStra­ße, die Verbindung­sstraße in Bolivien zwischen La Paz und dem Andendorf Coroico. Die von Häftlingen unter Lebensgefa­hr aus dem Felsen gehauene 70 Kilometer lange Straße mit über 3000 Metern Höhenunter­schied trägt denn auch den Namen „Camino de la Muerte“(Straße des Todes). Als „Eisenbahn des Todes“ging die 415 Kilometer lange Bahnstreck­e mit der legendären Brücke am Kwai ein, an der sich Gefangenen­lager und Friedhöfe aneinander­reihen. Der Manchinelb­aum hat es als gefährlich­ster Baum der Welt zu einem Eintrag ins Guinness Buch der Rekorde gebracht. Am Ende dieser ebenso gefahrenvo­llen wie bildmächti­gen Lektüre bleibt die Einsicht, dass das Leben lebensgefä­hrlich ist.

Lilo Solcher

» Ophélie Chavaroche: Atlas der Gefahren. Kosmos, 256 S., 38 ¤

Einige Länder ersparen Geimpften die Quarantäne

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Foto: Sven Simon
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Foto: Adobe Stock/lzf Der Flughafen in Lukla ist der gefähr‰ lichste der Welt.

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