Donauwoerther Zeitung

Prozess nach einer wirklich unglaublic­hen Pechsträhn­e

Ein Mann aus dem Donau-Ries-Kreis meldet seinen Kfz-Versicheru­ngen rund 30 Schäden in zehn Jahren, darunter gleich fünf Autobrände. Nun verurteilt ihn das Amtsgerich­t

- VON WOLFGANG WIDEMANN

Ein Mann aus dem Landkreis stand wegen Versicheru­ngsbetrugs vor Gericht. Sogar die Kripo hatte im großen Stil ermittelt.

Landkreis Kann ein Autofahrer so viel Pech haben? Innerhalb von zehn Jahren hat ein Mann aus dem Donau-Ries-Kreis rund 30 Schadensfä­lle der jeweiligen Kfz-Versicheru­ng gemeldet. Der ehemalige Lehrer, der über einen regelrecht­en privaten Fuhrpark verfügte, überrollte – so machte er geltend – Gegenständ­e, die auf der Straße lagen, oder schrammte auf Bergstraße­n in den Alpen gegen Felswände. Damit nicht genug: Gleich fünfmal gingen Wagen des 72-Jährigen in Flammen auf. So zum Beispiel im Dezember 2018 in Donauwörth. Da geriet auf einem Parkplatz ein Sportcoupé in Brand. Die Kripo übernahm den Fall. Bei dieser rief der Besitzer des Pkw an und fragte, ob es stimme, dass er verdächtig­t werde, das Auto selbst angezündet zu haben. „Das war verdächtig“, schilderte nun ein Beamter vor dem Amtsgerich­t Nördlingen. Es folgten damals umfangreic­he Recherchen. Die brachten schier Unglaublic­hes – wie eingangs beschriebe­n – zutage und mündeten in einem Prozess wegen Betrugs.

In dem Verfahren ging es freilich nur um vier Fälle. Der Rest war verjährt oder von der Staatsanwa­ltschaft eingestell­t. Dabei hatte der 72-Jährige dem Sachbearbe­iter der Kripo zufolge insgesamt 17 Taten gestanden. Allein bei diesen habe sich der Schaden auf etwa 190000 Euro summiert. Bei den mehr als 30 über die Versicheru­ngen regulierte­n Schadensfä­llen ging es meist um Autounfäll­e, vereinzelt aber auch um Diebstähle, die der Mann bei der Hausratver­sicherung geltend machte. Insgesamt ermittelte die Kripo einen Schaden von 350 000 Euro.

Strafrecht­lich belangt wurde der Angeklagte jetzt für knapp 27000 Euro aus den vier Fällen, die in den Jahren 2017 und 2018 spielten. Die Versicheru­ngen zahlten – wie in den Jahren zuvor. Ob sie jemals Verdacht schöpften, kam in der Verhandlun­g nicht zur Sprache. Tatsache ist: Nie zeigte in all den Jahren eine Versicheru­ng den Serien-Unfallveru­rsacher an. Der hatte jeden Pkw bei einer anderen Gesellscha­ft angemeldet und wechselte immer wieder die Versicheru­ng.

Der Beamte, der als Zeuge aussagte, nannte mehrere Details aus den Ermittlung­en. Bei einem der Autos habe der Mann im Laufe der Jahre sich über die Vollkasko erst dreimal Schäden begleichen lassen und dann sei der Wagen durch ein Feuer zerstört worden. Oft seien es vor allem Lackschäde­n gewesen, die der Nordschwab­e anschließe­nd provisoris­ch repariert habe. Auffällig auch: Der Angeklagte war bei den Schadensfä­llen stets allein unterwegs und praktisch ausnahmslo­s bei Tageslicht. Bei den Schadensfä­llen, bei denen angeblich Gegenständ­e auf der Fahrbahn lagen, gab es nach Aussage des Beamten nie einen Zeugen oder Mitteilung­en anderer Verkehrste­ilnehmer.

Man sei bei den Nachforsch­ungen auf zahlreiche weitere Ungereimth­eiten gestoßen, berichtet der Kriminaler. So habe der 72-Jährige nach dem Brand des Sportcoupé­s in Donauwörth zu der Frage, wo er sich zu diesem Zeitpunkt aufgehalte­n habe, mehrere Versionen genannt. Unglaubwür­dig sei die Aussage nach einem Unfall gewesen, der im April 2019 angeblich im Allgäu passiert sei. Das Handy des Mannes sei jedoch nachweisli­ch in Donauwörth eingeloggt gewesen. Die Mobiltelef­on-Daten stimmten auch nicht mit den Äußerungen bezüglich des vermeintli­chen Diebstahls eines Elektrofah­rrads ein.

Die Sache wurde für die Kripo so heiß, dass sie mit richterlic­hem Beschluss das Telefon des Verdächtig­en abhörte. Letztlich kam aber nur ein kleiner Teil der Fälle zur Anklage. Die vier Betrügerei­en räumte der 72-Jährige vor Richter Nicolas Pfeil ein. Als Motiv führte Verteidige­r Florian Engert an, sein Mandant sei nach einem Hausbau vor 30 Jahren noch immer hoch verschulde­t und habe auf diese Weise versucht, „Geld zu generieren“, um das Darlehen zu tilgen. Die Schadenssu­mme in Höhe von knapp 27000 Euro überwies der 72-Jährige inzwischen an die Versicheru­ngen zurück.

Staatsanwä­ltin Alisa Starflinge­r sprach von einem „Geschäftsm­odell“des Angeklagte­n. Der habe sich eine erhebliche Einkommens­quelle verschafft. Starflinge­r forderte eine Freiheitss­trafe von zwei Jahren zur Bewährung. Rechtsanwa­lt Engert hielt ein Jahr und vier Monate für angemessen. Richter Pfeil verurteilt­e den 72-Jährigen, der bereits mehrfach vorbestraf­t ist, zu eineinhalb Jahren auf Bewährung. Zudem muss der Betrüger 3000 Euro an eine gemeinnütz­ige Einrichtun­g zahlen.

Abzuwarten bleibt, ob auf den Verurteilt­en weitere finanziell­e Forderunge­n durch die Versicheru­ngen zukommen. Im Gegensatz zum Strafrecht gelten im Zivilrecht unter bestimmten Umständen längere Verjährung­sfristen (bis zu 30 Jahre). Aber auch strafrecht­lich ist der Pensionär, der inzwischen nur noch einen alten Kleinwagen sein Eigen nennt, anscheinen­d noch nicht aus dem Schneider. Bei der Staatsanwa­ltschaft Augsburg ist gegen ihn ein Verfahren wegen Brandstift­ung anhängig.

Kripo hört das Telefon des Verdächtig­en ab

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