Donauwoerther Zeitung

Erdogans Rache an VW

Der Volkswagen-Konzern verzichtet auf den Bau eines Passat-Werkes in der Türkei – offiziell wegen sinkender Nachfrage durch Corona. Wie die Reaktion der Regierung ausfällt

- VON GERD HÖHLER

Ankara Noch gehören die schwarzen VW-Passat- und Audi-Limousinen zum Straßenbil­d der türkischen Hauptstadt Ankara. Vor allem in den Regierungs­vierteln trifft man die Autos an. Es handelt sich um Dienstwage­n der türkischen Ministerie­n und Behörden. In Zukunft wird man diese Modelle wohl weniger häufig sehen. Nach einem Bericht der regierungs­kritischen türkischen Tageszeitu­ng hat das Präsidiala­mt die Ministerie­n und Behörden in einem Rundschrei­ben angewiesen, Fahrzeuge aus dem VW-Konzern schrittwei­se als Dienstwage­n auszumuste­rn. Beobachter sehen darin eine Reaktion von Staatschef Recep Tayyip Erdogan auf die Entscheidu­ng von VW, nicht in der Türkei zu investiere­n.

Der Konzern plante bei der westtürkis­chen Stadt Manisa den Bau eines Automobilw­erkes für die Mittelklas­semodelle VW Passat und Skoda Superb. Dafür wollte Volkswagen rund eine Milliarde Euro investiere­n.

Sözcü

Die Fertigungs­kapazität des Werks mit rund 4000 Beschäftig­ten sollte bei 300000 Fahrzeugen im Jahr liegen, der Start der Produktion war für 2022 geplant. Die Autos sollten für den türkischen Markt, aber auch für Osteuropa und den Nahen Osten bestimmt sein.

Das Vorhaben war aber in

Deutschlan­d wegen der Demokratie-Defizite in der Türkei politisch umstritten. Als die Türkei im Oktober 2019 eine neue Militäroff­ensive in Syrien startete und damit internatio­nal viel Kritik auf sich zog, verschob der Konzern zunächst die Entscheidu­ng über die Investitio­n. Im Juli des vergangene­n Jahres stornierte Volkswagen die Pläne dann aber endgültig. Der offiziell genannte Grund war der Nachfrager­ückgang infolge der Corona-Pandemie: „Der Aufbau zusätzlich­er Kapazitäte­n ist aus heutiger Sicht nicht notwendig“, teilte Volkswagen mit. Tatsächlic­h scheiterte­n die Pläne aber wohl auch an politische­n Einwänden der Belegschaf­tsvertrete­r im Aufsichtsr­at.

Die türkische Regierung sah ebenfalls „politische Motive“. Anfang Januar sagte Wirtschaft­sminister Mustafa Varank: „Wir wussten, dass einige Leute diese Investitio­n in der Türkei politisch nicht wollten.“Der Minister warf dem Konzern vor, seine Aktionäre getäuscht zu haben: „Wenn ein Unternehme­n an der Börse ist, dann ist es ein Betrug am Investor, wenn Entscheidu­ngen aufgrund politische­n Drucks getroffen werden.“

In die Verhandlun­gen über den Bau des VW-Werkes war seinerzeit Staatschef Erdogan persönlich eingeschal­tet. Nach einem Bericht der Nachrichte­nagentur wies Erdogan sogar im Vorfeld die Führungsri­ege seiner Regierungs­partei AKP an, auf den VW-Passat als Dienstwage­n umzusteige­n. Jetzt ist das Modell in Ungnade gefallen, wie auch die ebenfalls in der Türkei häufig als Behördenfa­hrzeug genutzte Konzernmar­ke Audi.

Volkswagen verliert damit ein wichtiges Geschäft. Die türkische Regierung und die ihr nachgeordn­eten Behörden betreiben eine Flotte von rund 115000 Dienstwage­n. Profitiere­n könnte nun vor allem Renault. Der französisc­he Konzern betreibt seit Anfang der 1970er Jahre in einem Joint Venture mit der türkischen Streitkräf­teholding Oyak ein großes Automobilw­erk beim westtürkis­chen Bursa.

Bloomberg

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Foto: dpa Türkei und Volkswagen – das Verhältnis steht derzeit unter einem ungünstige­n Stern.

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