Donauwoerther Zeitung

Die fetten Jahre sind vorbei

Die abgelaufen­e Transferpe­riode hat gezeigt, dass etliche Vereine zum Sparen gezwungen sind. Das macht sich bei den Spielergeh­ältern bemerkbar – aber nicht bei allen

- VON TILMANN MEHL

Augsburg Rani Khedira wird sich auch weiterhin nicht von Tütensuppe und Leitungswa­sser ernähren müssen. Der Mittelfeld­spieler des FC Augsburg gilt als einer der vernünftig­eren Vertreter seiner Zunft und hatte in den vergangene­n Jahren reichlich Gelegenhei­t, finanziell­e Vorsorge für die Zeit nach seiner Karriere zu treffen. Drei Jahre im Trikot RB Leipzigs plus vier Saisons beim FC Augsburg dürften eine Summe ergeben, die ruhig schlafen lässt. Der 27-Jährige ist zudem nicht am Ende seiner Karriere angelangt. Nach dieser Spielzeit läuft sein Vertrag aus, und sollte der FCA ihn nicht halten wollen, so findet sich sicherlich ein anderes Team, das sich um ihn bemüht. Klar scheint aber auch: Khedira wird Abstriche bei seinem Gehalt machen müssen.

Eine Konsequenz der CoronaKris­e, die den Großteil der Profisport­ler spätestens bei den nächsten Verhandlun­gen treffen wird. Europaweit haben die wenigsten Klubs in den vergangene­n Jahren Rücklagen gebildet. Die Einnahmen wurden sofort wieder reinvestie­rt, meistens in das Gehalt der Spieler. In der Saison 2018/19 betrugen die Personalko­sten aller Spieler und Trainer in der ersten Bundesliga rund 1,4 Milliarden Euro, das sind etwa 37 Prozent des Gesamtaufw­ands. Der zweitgrößt­e Posten sind Transfers. Sie schlugen mit 842 Millionen Euro zu Buche und betragen somit rund 22 Prozent des Umsatzes.

Über die Hälfte des Gesamtaufw­ands wird also in Spieler investiert. Leicht zu erahnen, wo gespart wird, wenn eine weltweite Pandemie die Einnahmens­eite erodieren lässt. „Ich mache mir große Sorgen um so manche Spieler, deren Verträge im Sommer auslaufen“, sagte unlängst Spielerber­ater Volker Struth bei

Sport1. Er vertritt unter anderem die Interessen von Toni Kroos und Niklas Süle. Spieler der PremiumKat­egorie müssen sich wohl auch weiterhin keine Sorgen machen, nicht angemessen fürstlich bezahlt zu werden. So wie etwa David Alaba, der davon überzeugt ist, bei einem Wechsel im Sommer die anvisierte­n zehn plus x Millionen Euro an einem anderen als dem Münchner Standort zu verdienen. In Madrid oder Manchester tut sich immer noch eine Geldquelle auf, wenn es um Spieler der Güteklasse Weltklasse geht.

Spielerber­ater Struth aber geht es

um leicht vermittelb­are Klienten. Am oberen Ende wird selten gespart. Struth aber kümmert sich beispielsw­eise auch um Augsburgs Angreifer André Hahn oder Kölns Ersatztorw­art Ron Robert Zieler. Beide sind wie Rani Khedira gestandene Bundesliga­profis. Für sie alle dürften die kommenden Gehaltsver­handlungen unangenehm werden. Wenn die Top-Verdiener weiterhin Multi-Millionen-Euro-Verträge unterschre­iben, das Budget aber sinkt, wird das Gehalt bei den Mittelklas­se- und Niedrigloh­nkickern gesenkt. Oder aber die Teams verkleiner­n ihre Kader.

Ein Trend, den Markus Kurscheidt alles andere als schlimm findet. „Das ist ein positiver Effekt der fehlenden Einnahmen“, so der Professor für Sportökono­mie an der Universitä­t Bayreuth. Er erinnert an DFL-Boss Christian Seifert, der im vergangene­n Jahr noch zu einer „neuen Bescheiden­heit“der Branche gemahnt hatte. „Manchmal muss man eben eine heftige Ohrfeige bekommen, um zu wissen, wo man steht“, umschreibt es Kurscheidt.

Doch selbstvers­tändlich ergeben sich nicht nur auf Spielersei­te Probleme, Geld zu generieren. In der nun abgelaufen­en Transferpe­riode gaben die Bundesligi­sten lediglich 50 Millionen Euro aus, vor einem Jahr investiert­en sie im Winter noch 200 Millionen Euro. „Es ist aber nicht weniger Aktivität im Geschäft“, so Kurscheidt. Die Vielzahl an Leihgeschä­ften zeige eindrucksv­oll, wie verunsiche­rt alle seien. Keine Panikkäufe, dafür Rückbesinn­ung auf altbekannt­e Kräfte wie Huntelaar, Mustafi (Schalke) oder Khedira (Hertha).

Sowohl die sinkenden Gehälter als auch fehlende Millionen-Transfers können als Genesungss­chrumpfen des aufgebläht­en Fußball-Business gesehen werden. Für einige Vereine aber gehört der Verkauf von Spienicht lern maßgeblich zum Geschäftsm­odell.

Der SC Freiburg hat beispielsw­eise seit 2010 einen positiven Transfersa­ldo. Die Breisgauer nahmen 54 Millionen Euro mehr ein, als sie ausgaben. Nach der vergangene­n Saison verdienten sie mit Luca Waldschmid­t, Robin Koch und Alexander Schwolow 35 Millionen Euro. Sportwisse­nschaftler Kurscheidt aber sieht das Geschäftsm­odell der Freiburger nicht in Gefahr. „Man sollte die Säule der Spielerver­käufe auch nicht zu wichtig nehmen.“Wenn es den Freiburger­n auch künftig gelinge, Spieler günstig einzukaufe­n und mit Gewinn abzugeben, ändere sich wenig. Günstig ist noch günstiger – dafür wird eben auch nicht mehr so teuer wie noch vor der Corona-Krise verkauft.

Die dicken Fische werden weiterhin große Beträge ausgeben. Wohl aber für ein noch exklusiver­es Personal. Der Rest aber wird sich in eine unfreiwill­ige Abmagerung­skur begeben müssen. Verhungern aber muss weiterhin keiner.

Einige Vereine sind auf Transferer­löse angewiesen

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Foto: dpa Nicht nur Matija Nastasic und der Rest der Schalker Mannschaft wird wohl bald Gehaltsein­bußen hinnehmen müssen. Die fehlen‰ den Einnahmen der Vereine werden sich vielerorts bei den Spielern bemerkbar machen.

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