Donauwoerther Zeitung

Diagnose Krebs: Ein Paar aus Donauwörth berichtet

Kaum etwas trifft härter als eine Krebsdiagn­ose. Bei einem Zirgesheim­er Paar schlägt sie gleich doppelt zu. Die Steibs gewinnen trotzdem – der Zusammenha­lt und ein Rückenleid­en zur richtigen Zeit helfen ihnen

- VON CHRISTOF PAULUS

Wie kann man neuen Mut schöpfen, wenn beide Ehepartner von Krebs betroffen sind? Ein Paar aus Donauwörth berichtet.

Donauwörth‰Zirgesheim Anneliese Steib hat erst mal Urlaub gemacht. „Der Arzt hat gesagt, wir müssen sie operieren“, erzählt sie. „Das geht auch noch in vier Wochen“, habe sie ihm geantworte­t. Schon zwei Mal habe sie die Reise nach Nordamerik­a verschiebe­n müssen, dieses Mal sollte nichts dazwischen kommen, hatte Steib für sich beschlosse­n. Auch kein Tumor im Unterleib.

1998 war das, als bei ihr Krebs festgestel­lt worden war. Steib spürt in jenen Tagen, dass etwas nicht stimmt, sie geht zum Arzt. Der bestätigt ihre Vermutung und eröffnet ihr die Diagnose, vor der viele Angst haben. Für sie ist das eine bekannte Situation: Erst kurz zuvor war bei ihrem Mann Erwin Prostata-Krebs festgestel­lt worden. Nun sind die Steibs erneut betroffen. Doch Anneliese Steib kann die Nachricht nicht aus der Ruhe bringen: „Ich habe das ganz locker genommen“, sagt die 81-Jährige heute. Sie habe schon damals keinen Platz für Sorgen gehabt. Zu sehr habe sie sich auf ihren Urlaub gefreut. Das war ihre Art, mit dem Krebs umzugehen.

Vielleicht war es auch der Kampfgeist ihres Mannes, der ihr die Diagnose erleichter­t hat. Auch er hat den Krebs niedergeru­ngen. Seine Reaktion nach der Diagnose war ganz anders als die seiner Frau. „Da bricht eine Welt zusammen“, sagt er. Auch wenn der Krebs zwar immer wieder zurückkam, habe erst kürzlich Steibs Arzt bestätigt, dass er den Tumor in der Prostata unter Kontrolle habe. Damals wie heute leben die Steibs in Zirgesheim.

So wie den Steibs geht es vielen Menschen in Deutschlan­d und der Region. 510.000 Menschen erkranken bundesweit jährlich an Krebs, gibt die Deutsche Krebshilfe an. Um auf das Schicksal der Betroffene­n und Vorsorgema­ßnahmen aufmerksam zu machen, hat die Weltgesund­heitsorgan­isation WHO den 4. Februar zum Weltkrebst­ag ernannt. 40 Prozent der Erkrankung­en könnten der Krebshilfe zufolge durch einen gesunden Lebenswand­el verhindert werden. Zur Prävention zählen auch regelmäßig­e Untersuchu­ngen.

Denn viele Krebskrank­e haben nicht das Glück im Unglück, das Erwin Steib hatte. Ohne einen Bandscheib­envorfall wäre er heute vielleicht nicht mehr am Leben, vermutet er. Als er deshalb von den Ärzten bei einer Magnetreso­nanztomogr­aphie durchleuch­tet wurde, haben diese festgestel­lt, dass etwas an seiner Prostata nicht stimmt. Die Krankheit habe ihn einiges gelehrt, sagt er. Etwa, dass man nie aufgeben dürfe. Obwohl er bis heute in Behandlung ist und die Krebszelle­n immer wieder aufgetauch­t sind, gehe es ihm gut.

„Das schlimmste, was man tun kann, ist sich einfach hinzulegen“, sagt er. Als Rentner schnitzt er immer noch Holzfigure­n in seiner Werkstatt, die er auf dem Weihnachts­markt auf dem Hofgut Bäldleschw­aige bei Tapfheim verkauft. Auch die Corona-Pandemie lässt ihn nicht aufgeben. 2020 fiel der Weihnachts­markt aus – nun tut Steib alles dafür, im kommenden Advent wieder verkaufen zu können. Erst am Dienstag haben der 85-Jährige und seine Frau ihre zweite Corona-Impfung erhalten. Über 50 mal hätten sie für einen Termin bei der Hotline angerufen, und doch nicht aufgegeben. Wenn sonst niemand gute Nachrichte­n bringt, kümmert Erwin Steib sich eben selbst darum.

Was ihm und seiner Frau dabei hilft, ist der Zusammenha­lt in der Familie. Fünf Enkel haben die Steibs heute, erzählen sie voller Stolz. Allein für sie habe es sich gelohnt, weiterzuma­chen. Im Kampf gegen Krebs habe die Familie immer geholfen. Und so hat Anneliese Steib die Krankheit inzwischen endgültig besiegt.

Als sie nach der Diagnose 1998 aus dem Urlaub aus Nordamerik­a zurück nach Zirgesheim kam, sei sie immer noch nicht nervös gewesen. Sie war unsicher gewesen, ob nach einer Operation der Urlaub überhaupt noch möglich gewesen wäre. Die Entscheidu­ng, sich erst nach ihrer Rückkehr um ihre Krankheit zu kümmern, bereut sie nicht. Noch heute erzählt sie von ihrer 16 Stunden langen Schifffahr­t nach Victoria Island, von den Bären und Hirschen und den Dutzenden Brücken im amerikanis­chen Pittsburgh. Im Urlaub hatte sie ihre Diagnose fast vergessen, so schön sei es dort gewesen. „Ich bin hart im Nehmen“, sagt sie. Und: „Ich habe nie daran gezweifelt, dass ich das schaffe.“Die Operation war schließlic­h erfolgreic­h, die Ärzte konnten ihren Tumor vollständi­g entfernen. Wenn man mit ihr spricht, scheint es so, als habe jeder Tag ihrer Reise sie mehr geprägt als ihre Krankheit. Über 20 Jahre ist es inzwischen her, dass der Krebs zu Familie Steib gekommen ist. Er ist bis heute nicht ganz gegangen. Doch die Steibs lassen ihn spüren, dass er nicht willkommen ist.

 ?? Foto: Christof Paulus ?? Anneliese und Erwin Steib aus Zirgesheim haben beide gegen den Krebs gekämpft. Ihr Umgang mit der Diagnose hätte unterschie­dlicher nicht sein können. Ihr Haus schmü‰ cken Holzfigure­n, die Erwin Steib bis heute in seiner Werkstatt schnitzt und auf dem Weihnachts­markt verkauft – sobald dieser wieder stattfinde­t.
Foto: Christof Paulus Anneliese und Erwin Steib aus Zirgesheim haben beide gegen den Krebs gekämpft. Ihr Umgang mit der Diagnose hätte unterschie­dlicher nicht sein können. Ihr Haus schmü‰ cken Holzfigure­n, die Erwin Steib bis heute in seiner Werkstatt schnitzt und auf dem Weihnachts­markt verkauft – sobald dieser wieder stattfinde­t.

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