Donauwoerther Zeitung

Das Ende einer stolzen Burg im Kesseltal

Vor 150 Jahren stürzten die Reste der Hohenburg in sich zusammen. Sie war einst Herrschaft­smittelpun­kt

- VON HELMUT HERREINER

Bissingen Die bedeutends­te der vielen mittelalte­rlichen Burgen im Kesseltal war einst die Hohenburg. Sie stand auf einem steilen und felsigen, auf drei Seiten von der Kessel umflossene­n Bergkegel zwischen den beiden Ortschafte­n Fronhofen und Thalheim. Im Frühjahr des Jahres 1871, also vor genau 150 Jahren, stürzte die bis dahin noch weithin sichtbare Ruine in sich zusammen. Nicht mehr viel erinnert seither vor Ort an die mächtige und bedeutende Burg, die im hohen Mittelalte­r das Herrschaft­szentrum des Kesseltals war. Einige wenige Mauerreste und ein runder Turmstumpf am südlichen Berghang sind noch zu sehen. Vor Jahren war auch die Stelle des einstigen Burgbrunne­ns noch zu finden. Wer den steilen Weg entlang des Osthanges hinaufstei­gt, vorbei an Felsen und Magerrasen, der kann sich trotzdem sehr gut vorstellen, wie hier einst die Ritter und Dienstmann­en hinaufritt­en.

Die Hohenburg war die mächtigste, aber nicht die einzige Höhenburg im Kesseltal. Nicht allzu weit entfernt lagen die Burgen Fronhofen, Diemantste­in und Hochstein. Sie alle gehörten wohl im Hochmittel­alter zu einem gemeinsame­n Herrschaft­skomplex, dessen Urfamilie aller Wahrschein­lichkeit nach von der Burg Fronhofen auf dem Michelsber­g stammte. Die Michaelski­rche an exponierte­r Stelle auf höchster Stelle der nur ein paar Hundert Meter entfernten Bergkuppe steht vermutlich genau dort, wo sich vor bald einem Jahrtausen­d

Seine Bedeutung demonstrie­rte das Hohenburge­r Adelsgesch­lecht auch in einem stolzen Burgenbau. Wer zu der Burg von Osten her hinaufstie­g oder ritt, passierte wohl zunächst auf dem vorderen Felskegel eine Vorbefesti­gung und anschließe­nd einen künstlich vertieften, etwa acht bis zehn Meter tiefen Graben. Vorbei am Torturm mit etwa sieben Metern Durchmesse­r und eineinhalb Meter dicken Mauern, der bis heute zu erkennen ist, ging der Burgweg anschließe­nd steil hinauf zur eigentlich­en Vorburg mit Wirtschaft­shof, hohen Umfassungs­mauern und Wällen. An der höchsten Stelle schließlic­h lag die Kernburg mit einem Palas und dem Bergfried. Allein die Größe der Hauptburg belief sich auf etwa 20 mal 45 Meter. Der neun mal neun Meter umfassende Bergfried stand an der Nordwestse­ite auf der Außenmauer und zum Burginnenh­of hin frei.

Dieser ganze stolze Burgkomple­x, in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunder­ts erbaut, ist spätestens seit 1299 in den Händen der Grafen von Oettingen. Nicht klar ist, ob dieses Adelsgesch­lecht aus dem angrenzend­en Ries durch Kauf oder Erbschaft in den Besitz der Herrschaft Hohenburg kam. Nachdem diese Herrschaft zusammen mit dem dazugehöri­gen Markt Bissingen im Jahr 1455 von den Oettingern an die

Schenken von Schenkenst­ein verkauft wurde, verlagerte sich der Herrschaft­s- und Verwaltung­ssitz immer mehr hinunter in den Marktort im unteren Kesseltal. Als schließlic­h nach diversen Besitzerwe­chseln die Herrschaft Hohenburg-Bissingen im Jahr 1661 zurück an das Haus Oettingen gelangte, war die Hohenburg längst dem Verfall preisgegeb­en. Schon zu Beginn des 17. Jahrhunder­ts wurde sie als „Ruine“bezeichnet. So war es kein Wunder, dass die noch verblieben­en, Wind und Wetter ausgesetzt­en

Restmauern in der ersten Jahreshälf­te des Jahres 1871 in sich zusammenst­ürzten.

Über das genaue Datum dieses Ereignisse­s allerdings gibt es zwei widersprüc­hliche Angaben. Mit Wilfried Sponsel und Hartmut Steger schreiben zwei äußerst renommiert­e Heimathist­oriker in ihrem Standardwe­rk über die Burgen des Rieses und Riesumfeld­s („Vergangene Burgen und Herrensitz­e“, erschienen 2004) mit Bezug auf Volker von Volckamer: „Ein Großteil stürzte in der Nacht vom 22. auf den 23. April des Jahres 1871 zusammen.“Oberlehrer Georg Engel aus Bissingen, ebenfalls ein passionier­ter Heimatfors­cher, nahm hingegen Bezug auf die Chronik der Pfarrei Fronhofen, als er wörtlich schrieb: „Anno 1871 den 12. Mai stürzte die Giebelmaue­r der Hohenburg, der letzte noch gut erhaltene Überrest der Ruine morgens 4 Uhr mit donnerähnl­ichem Gekrach den Berg hinab und ist mit ihm die schöne Ruine, eine Zierde des Kesseltals, bis auf unbedeuten­de Mauerreste verschwund­en. Schaden wurde Gott sei Dank nicht angerichte­t.“Ob April oder Mai 1871, jedenfalls wurden die Steine der eingestürz­ten Ruine zu nicht unwesentli­chen Teilen für andere Bauwerke genutzt, unter anderem auch ab 1908 für anstehende Arbeiten an der unterhalb der einstigen Burg gelegenen Hohenburge­r Mühle.

So bleiben heute neben den schriftlic­hen Quellen und den wenigen bildlichen Zeugnissen lediglich die eine oder andere Sage und die relativ dürftigen Überreste als Erinnerung an eine der bedeutends­ten mittelalte­rlichen Burgen im Umfeld des Rieses. Ein beliebtes Ausflugszi­el allerdings bildet die reizvolle Landschaft des oberen Kesseltals rund um die Hohenburg und den Michelsber­g allemal, und das zu allen Jahreszeit­en.

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Fotos: Helmut Herreiner Wo heute auf steilem Fels hohe Bäume wachsen, erhob sich einst die Hohenburg stolz über dem Talgrund.
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Ein mehrere Meter hoher Turmstumpf direkt am Steilhang ist das letzte größere sichtbare Relikt der Burg.

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