Diplomatischer Affront
Deutschland droht nach Ausweisung von Botschaftsvertreter mit Konsequenzen. Streit über Nawalny spitzt sich zu
Moskau/Brüssel/Berlin Der Streit zwischen der EU und Russland über die Inhaftierung des Kremlkritikers Alexej Nawalny spitzt sich dramatisch zu. Das Außenministerium in Moskau wies am Freitag Diplomaten aus Deutschland, Polen und Schweden aus, weil sie an Protesten gegen die Inhaftierung Nawalnys teilgenommen hätten. Die Regierungen in Berlin und Warschau kritisierten den Schritt scharf und drohten mit Gegenmaßnahmen. Die Ausweisungen wurden ausgerechnet während eines Besuchs des EUAußenbeauftragten Josep Borrell in Moskau bekannt, der beim russischen Außenminister Sergej Lawrow mit seiner Forderung nach einer
Freilassung Nawalnys abblitzte. Neue EU-Sanktionen gegen Russland gelten nun als sicher.
Die drei EU-Diplomaten wurden vom russischen Außenministerium am Freitag „zu unerwünschten Personen“erklärt. Dazu seien die Botschafter der drei Länder einbestellt worden und ihnen seien Protestnoten überreicht worden. Die Diplomaten sollen an nicht genehmigten Protesten am 23. Januar teilgenommen haben, bei denen Tausende Demonstranten festgenommen wurden. Dies sei unvereinbar mit dem diplomatischen Status, hieß es zur Begründung der Ausweisung.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nannte das Vorgehen der russischen Regierung ungerechtfertigt. Es sei „eine weitere Facette in dem, was ziemlich fernab von Rechtsstaatlichkeit im Augenblick gerade in Russland zu beobachten ist“, sagte sie. Außenminister Heiko Maas sagte, die Ausweisung beschädige das Verhältnis Russlands zu Europa weiter. „Sollte die Russische Föderation diesen Schritt nicht überdenken, wird er nicht unbeantwortet bleiben.“Der betroffene deutsche Diplomat sei seiner im
Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen vorgesehenen Aufgabe nachgekommen, sich mit rechtmäßigen Mitteln über die Entwicklung vor Ort zu informieren, betonte Maas. Der russische Botschafter Sergej Netschajew wurde ins Auswärtige Amt in Berlin einbestellt, um ihm die deutsche Haltung klarzumachen. Borrell erfuhr von der geplanten Ausweisung der Diplomaten während seines Treffens mit Lawrow – was man durchaus als Affront werten kann. Er habe das Vorgehen scharf verurteilt, erklärte der EU-Außenbeauftragte später. „Diese Entscheidung sollte überdacht werden.“
Auch sonst verlief der MoskauBesuch
Borrells erfolglos. Bei einer Pressekonferenz mit Lawrow konnte er keinerlei konkrete Fortschritte in Sachen Nawalny verkünden. Die Konsequenz dürften neue Sanktionen sein. Offen ist noch, wie weitgehend sie sein werden. Eine Option ist, erstmals ein im vergangenen Jahr geschaffenes EU-Sanktionsinstrument zu nutzen. Dieses ermöglicht es etwa, in der EU vorhandene Vermögenswerte von Akteuren einzufrieren, die schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen begehen oder davon profitieren. Zudem würden unter anderem EU-Einreiseverbote verhängt. Die EU will nun am 22. Februar mögliche weitere Maßnahmen erörtern.