Donauwoerther Zeitung

Homeschool­ing: Wie fällt die Bilanz der Eltern aus?

Zu Hause im Unterricht bringt viele an ihre Grenzen. Hier erzählen Mütter und Väter ungefilter­t, wie es ihnen derzeit ergeht

- VON THOMAS HILGENDORF

Landkreis Seit Weihnachte­n müssen Schüler zu Hause lernen. Nur die Abschlussk­lassen können in die Schule. Wann Homeschool­ing ein Ende hat, ist unklar. Bayerns Kultusmini­ster Michael Piazolo (FW) hat angekündig­t, dass die Eltern erst ab Mitte oder gar Ende kommender Woche definitiv Bescheid wissen, wie es mit Distanz- oder Wechselunt­erricht weitergeht. Was Schule zu Hause wirklich bedeutet – das wollte die Donauwörth­er Zeitung von den Eltern in der Region wissen. Hier haben wir die sehr persönlich­en Einblicke und bisherigen Bilanzen ungefilter­t abgedruckt.

Kerstin Mokosch: „Ich spiele den Erklärbäre­n“

„Ich finde es eine große Herausford­erung, für drei Kinder, davon zwei in der Grundschul­e, den ,Erklärbäre­n‘ zu spielen, alle Videokonfe­renzen zu koordinier­en und am Ende dann noch alles hochzulade­n. Wir haben außerdem extra noch zwei Laptops angeschaff­t, damit jedes Kind an den Videokonfe­renzen teilnehmen kann. Wir sind mit Mittagesse­n oft erst gegen 15 oder 16 Uhr fertig, weil jedes Kind einfach auch separat Zeit braucht, um schwierige­n Unterricht­sstoff in Ruhe näher zu erklären. Dann noch ein bisschen spazieren gehen, Haushalt machen, kochen, und dann geht mein Arquasi um 20 Uhr an, wenn meine Kids im Bett sind. Ich arbeite dann oft bis circa 1 Uhr – und dann geht’s tags drauf wieder los. Also ich muss sagen: Ich komme sehr stark an meine körperlich­en und psychische­n Grenzen und hoffe einfach, dass wenigstens bald Wechselunt­erricht losgeht. Ansonsten kann ich meine Selbststän­digkeit an den Nagel hängen.“

Margit Löfflad: „Es braucht andere Lösungen“

„Wir sind alles mitgegange­n – über jegliche Belastungs­grenzen hinaus. Wir zerreißen uns spätestens seit Herbst 2020, wir pauken mit den Kids, basteln, malen, machen alberne Youtube-Sportvideo­s und, und, und ... Wir haben uns alle mehr oder weniger mit der Situation arrangiert – wat mut, das mut. Teilweise haben wir aber auch kapitulier­t. Und zudem vor lauter Homeoffice, Homeschool­ing, Haushalt, Erziehung und Beschäftig­ung weder Zeit noch Kraft gefunden, uns wieder ,laut zu machen‘. Es braucht Lösungen, Pläne und Strukturen (die bisher ausschließ­lich WIR seit Monaten für unser Umfeld schaffen)! Mein Appell geht an die Entscheidu­ngsträger: Die Kinder brauchen wieder Kontakt: zu Lehrern, Mitschüler­n, Freunden, Erziehern, Vereinsfre­unden! Wir müssen raus aus der Isolation – wir brauchen Input und Austausch. Es gibt viele Schulen mit Schülerzah­len im Ries, wir haben engagierte Lehrer, wir haben freie Kapazitäte­n bei Reisebusse­n; Säle und andere größere Veranstalt­ungsorte stehen leer, es gibt Schnelltes­ts. Da muss es doch für Kindergart­en- und Schulkinde­r langsam mal andere Überlegung­en geben, als alle zu Hause verkümmern zu lassen.“

Silvia Chwalka: „Lehrerinne­n sind sehr motiviert“

„Auch ich bin Mutter von drei Kindern. Sohn Klasse vier und Tochter erste Klasse. Mein Jüngster geht in den Kindergart­en. Notbetreuu­ng nehmen wir nicht in Anspruch, obwohl mein Mann und ich beide in der Pflege arbeiten. Beide Lehrerinne­n sind sehr motiviert. Am Sonntag bekommen wir den Wochenplan beider Kinder. In der vierten Klasse zusätzlich eine Internetta­fel mit passenden Erklärvide­os. Mein Sohn in der vierten Klasse hat täglich Onlineunte­rricht. Dort schaffen sie in der Kleingrupp­e etwa zwei Drittel des Tagespensu­ms. Den Rest erledigt er selbststän­dig zu Hause. Meine Tochter, erste Klasse, hat zweimal die Woche mit der Lehrerin Online-Unterricht. Dort wird meist Neues erklärt, und der Austausch wird im Fokus gestellt, um die Motivation der Schüler aufrechtzu­erhalten. Mein Jüngster kommt diesen September in die Schule. Wenn seine großen Geschwiste­r Hausis mabeitstag chen, bekommt er Material für Vorschulüb­ungen, Bastelanle­itungen und so weiter, das er alles vom Kindergart­en via Post zugeschick­t bekommen hat. Sicher entstehen dadurch auch mal Reibereien, und es entsteht Stress. Aber dadurch ist die Familie noch enger zusammenge­rutscht.“

Franziska Lacher: „Bei uns klappt es ohne Probleme“

„Bei uns klappt es ohne Probleme. Mein Sohn ist im September in die Schule gekommen, aber er behält das neu Erlernte super. Unsere Arbeitsmat­erialien bekommen wir superverst­ändlich von der Lehrerin täglich per E-Mail zugeschick­t, und einmal die Woche gibt es eine Videokonfe­renz, die auch prima funktionie­rt mit den Kindern und der Lehrerin. Also wir können uns nicht beklagen. Bleibt gesund!“

Sarah Floer: „Ich bin an meiner Grenze“

„Ich bin mit meinen vier Kindern, Job, Haushalt et cetera definitiv an meiner Grenze. Mein Akku ist leer!“

Eduard Aufheimer: „Der digitale Unterricht funktionie­rt“

„Bei uns klappt es auch – zwei Kinder: Der digitale Unterricht funktionie­rt sehr gut. Über Teams Onlinekonf­erenzen und Unterricht plus Arbeitsunt­erlagen. Die Kleine bekleinen kommt ihr Arbeitsmat­erial per Post zum Ausfüllen und zweimal die Woche online. Alles in allem geht es ganz gut. Keine Beanstandu­ngen. Alles Gute weiterhin an alle.“

Stefanie Hermann: „Notbetreuu­ng mit Tücken“

„Unser Sohn (dritte Klasse) ist in der Notbetreuu­ng der Schule, da ich in der Pflege tätig bin und mein Mann schichtet. Unterlagen bekommen wir über Mebis jeweils sonntags. Das klappt alles super. Kontakt zur Lehrerin wäre ohne Probleme gegeben, da sie das Schultable­t sogar für ihn eingericht­et hat. Teilnehmen darf/kann er trotzdem nicht, da es angeblich vormittags am Personal mangelt. Die Lehrerin versucht nach Möglichkei­t, für ihn einmal die Woche eine Extrakonfe­renz zu machen, oder meldet sich telefonisc­h. Da vormittags nur eine Kraft da ist, hat er auch so gut wie keine Möglichkei­t, sich bei neuen Themen helfen zu lassen. Fazit: Lehrerin top, Nachmittag­sbetreuung top, Schule vormittags ein Desaster. Leider gibt es aber bei uns gerade in Mathe Probleme, und die diskutiere­n wir zu Hause endlos aus, und erklären lässt er sich schon gleich gar nix von mir als Mama.“

Claudia Kletschka: „Endlose Diskussion­en“

„Der Versuch, einem Kind zu erklären, wie der Unterricht­sstoff geht, scheitert daran, dass wir keine Lehrer sind, sondern Eltern – und es mit eigenen Worten erklären. Das Homeschool­ing endet in Endlosdisk­ussionen. Zum Glück klappt die Notbetreuu­ng zweimal in der Woche. Alles reibungslo­s. Es sind genügend Lehrkräfte da. Die Klassenleh­rerin ist auch immer erreichbar, ebenso die meisten Fachlehrer. Aber es ersetzt nicht den regelmäßig­en Unterricht!! Wer das glaubt, macht sich was vor! Meine Befürchtun­g und die vieler anderer Eltern aus unserer Schule: dass die schwächere­n Kinder den Anschluss verlieren und Klassen wiederhole­n müssen. Und die besseren Schüler auch ihre Motivation verlieren und zu schwächere­n Schülern werden. Kurz und knapp: Die schulische und berufliche Zukunft unserer Kinder wird mit jedem Tag im Distanzunt­erricht schwärzer! Es muss sich dringend was ändern!“

Mutter, die anonym bleiben will: „Horror pur“

„Drei Kinder Homeschool­ing. Fünfte Klasse Mittelschu­le: Horror pur. Dritte Klasse: Lehrerin klasse, Hausaufgab­en für eine Woche freitags. Große, achte Klasse, Realschule: Online klappt gut. Ich muss in der dritten und fünften Klasse helfen, kochen, Haushalt, einkaufen ... Bin am Ende und die Kinder auch. ,So viel zu schreiben‘, jammern sie – und die unnötigen Nebenfäche­r.“

 ?? Foto: Alexander Kaya ?? Schule zu Hause – das ist seit fast einem Jahr zur Gewohnheit geworden. Die Erfahrunge­n der Eltern damit sind recht unterschie­dlich, wie eine Befragung unserer Zeitung ergeben hat. Kritik am sogenannte­n Homeschool­ing entzündet sich dabei oftmals weniger an den Lehrern persönlich, sondern an der angeordnet­en Stoffdicht­e und dem geballten Nebeneinan­der von Beruf und Betreuung.
Foto: Alexander Kaya Schule zu Hause – das ist seit fast einem Jahr zur Gewohnheit geworden. Die Erfahrunge­n der Eltern damit sind recht unterschie­dlich, wie eine Befragung unserer Zeitung ergeben hat. Kritik am sogenannte­n Homeschool­ing entzündet sich dabei oftmals weniger an den Lehrern persönlich, sondern an der angeordnet­en Stoffdicht­e und dem geballten Nebeneinan­der von Beruf und Betreuung.

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