Die Lage der Musikschulen in der Pandemie
Josef Basting, der Leiter der Werner-Egk-Musikschule und Dirigent der Donauwörther Stadtkapelle, erzählt vom Alltag während des Corona-Lockdowns und warum er sich gegen den digitalen Musikunterricht entschieden hat
Donauwörth Es ist ruhig geworden in der lokalen Musikszene. Ruhiger noch als während des ersten CoronaLockdowns. Damals, im Frühjahr/ Sommer 2020, hatten viele aktive Musiker noch von langer Hand geplante Vorhaben in den Terminkalendern stehen, die realisierbar schienen. Inzwischen harren sie der Dinge – mehr oder weniger desillusioniert. Instrumente, Stimmen, Töne sind verstummt. Wer im stillen Kämmerlein singt oder spielt, bleibt für sich. Fatal ist diese Isolation vor allem für diejenigen, die im Ensemble spielen. Unsere vielen Blaskapellen im Landkreis etwa, deren gemeinschaftliches Wirken sich aus der Summe ihrer Einzelstimmen und Register definiert. Wir sprachen mit Josef Basting, dem musikalischen Leiter und Dirigenten der Stadtkapelle Donauwörth, über die aktuelle Situation.
Herr Basting, wie sieht es gerade bei der Werner-Egk-Musikschule und der Stadtkapelle aus?
Basting: Tja, bei uns ist fast Stillstand. Das war ja der Sinn des Lockdowns. Aber im Gegensatz zu 2020 im Frühjahr fehlt momentan auch eine konkrete Perspektive für Frühjahr und Sommer, wenn eigentlich die Hochsaison für musikalische Darbietungen sein sollte. Ob Frühlingsund Sommerkonzerte der Musikschul-Fachbereiche stattfinden können, steht momentan überhaupt noch gar nicht zur Debatte. Und auch wenn, dann stellt sich wie im vergangenen Jahr die Frage: Unter welchen Umständen? Unter dieser Ungewissheit und der aufgebürdeten Untätigkeit leiden alle: Musikschüler und Lehrkräfte, aber genauso die Musikerinnen und Musiker der Stadtkapelle.
Wie sieht es denn gerade im Hinblick auf den Instrumentalunterricht aus?
Basting: Unsere Musiklehrkräfte befinden sich seit Anfang Januar in Kurzarbeit, dürfen also auch gar keine Unterrichtsleistung erbringen. Das macht natürlich die Eltern unserer Schüler auch nicht gerade glücklich. Manche fürchten, dass es den Kindern langweilig wird und sie den Bezug zum Instrument verlieren könnten.
Weshalb findet bei Ihnen kein OnlineUnterricht statt?
Basting: Wir haben uns aus verschiedenen Gründen für diese Variante entschieden und erheben für den ausgefallenen Unterricht auch keine Gebühren. Online-Unterricht ist für die Stadt und auch für mich keine Option, weil wir bei unseren fast 600 Schülern und beim Lehrpersonal nicht gleichwertige technische Voraussetzungen erwarten können. Es ist ein großer Unterschied, ob ich mit den meist nur stecknadelkopfgroßen Mikrofonen in Smartphone oder Tablet lediglich meine Sprache übertragen möchte oder ob ein Frequenzspektrum von 45 bis nahezu 20.000 Hertz eingefangen und vernünftig wiedergegeben werden soll.
Wie muss man sich die Übertragung bei Musik vorstellen?
Basting: Bei leiseren Instrumenten mag das funktionieren, bei kräftigeren Klangquellen kommt auf der anderen Seite manchmal nur noch verpixelter Datenmüll heraus. Der Musiklehrer soll ja nicht nur zum Zuhören verdammt sein, sondern auch Hilfestellung geben, mitagieren können, dynamische Zeichen geben, das Tempo anpassen und auch mal eine Stelle abbrechen können. Eintragungen im Notenblatt, das Einstimmen des Instrumentes, Korrektur der Spielhaltung, Fingersatz, Bogenführung, Ansatz, Atmung oder auch die Hilfe beim Aufbau und Wartung – all das zählt zu den wesentlichen Bestandteilen des Präsenzunterrichtes, die über den Bildschirm nur unzureichend erfüllt werden können. Die künstlerische Arbeit bleibt komplett auf der Strecke.
Gibt es derzeit gar keine Kontakte zwischen Lehrern und Schülern?
Basting: Es steht jeder Lehrkraft frei, soweit ein persönlicher Kontakt erwünscht ist, zumindest Tipps zum Üben zu Hause zu geben und so den Kontakt zu den Schülern zu halten.
Was fehlt im Zwischenmenschlichen?
Basting: Was oft wirklich unterschätzt wird: Man ist eben nicht nur Lehrer, sondern oftmals auch der „erste Mensch“, dem man von der schlechten Note in der Schule erzählt oder mit dem man durch das jahrelange Vertrauensverhältnis Freude, Enttäuschung, Höhen und Tiefen teilt. Manchmal platzen die Schüler schier, weil sie unbedingt etwas Wichtiges loswerden wollen. Vorher ist an ein vernünftiges Musizieren gar nicht zu denken. Und manchmal ist das gemeinsame Musizieren auch die Lösung für manches Problem.
Welche Vorkehrungen hat man denn in der Werner-Egk-Musikschule getroffen, dass die Schüler, wenn es wieder erlaubt ist, zurückkehren?
Basting: Bereits im Frühjahr 2020 wurden dafür alle Vorkehrungen getroffen, das Hygienekonzept für die Musikschule ist umgesetzt, teure Plexiglaswände wurden beschafft, die Raumbelegungen angepasst. Wir sind vorbereitet, dass die Musikschüler schnellstens wieder in unser Haus kommen können. Ich gehe davon aus, dass wir zumindest mit dem Einzelunterricht demnächst wieder starten dürfen. Zudem soll dann auch der neu beworbene Fachbereich Hausmusik starten können, für das sich schon einige Interessenten angemeldet haben. Mit dem Musikschulorchester steht ein weiteres Großprojekt in den Startlöchern.
Und wie sieht der Alltag bei den Musikern der Stadtkapelle aus?
Basting: Auch die 65 Musiker der Stadtkapelle dürfen sich seit Anfang November nicht mehr zum Musizieren treffen. Im Oktober konnten wir noch das Benefizkonzert im Stauferstadion durchführen, das Abschlusskonzert der Kulturtage musste dann aber schon abgesagt werden. Zwei Monate mit intensiven Proben unter erschwerten Bedingungen waren quasi vergebens. Noch hoffen wir, das Programm, für das die Kapelle wegen der Abstandsregeln in mehrere Ensembles aufgeteilt werden sollte, doch noch anbieten zu können. Zudem haben wir mit dem früheren Lager der Firma Wermuth einen sehr großen Proberaum zur Überbrückung angemietet, aber auch hier ist momentan nichts erlaubt. Gleiches gilt im Übrigen für die Jugendkapelle, die vor dem Lockdown ebenfalls auf einem sehr guten Weg war.
Ein Blick nach vorne: Gibt es Pläne für dieses Jahr?
Basting: Die Planungen für 2021 gehen in gewohntem Maße weiter, weil ich glaube, dass wir ganz schnell wieder gefordert sein werden, sobald wieder Veranstaltungen möglich sind. Den Musikern müssen wir dann aber wieder eine gewisse Zeit zugestehen, zum gewohnten Niveau zurückzufinden. Ohne die Proben gehen die Spielroutine, die Grifftechnik und in erster Linie der Ansatz verloren. Damit meint man die Kraft in der Lippenmuskulatur, die bei den Bläsern für Ausdauer und Tonstabilität zuständig ist. Aber auch optisch wird sich in der Stadtkapelle etwas ändern: Momentan fertigt Schneidermeister Christoph Werani für die Herren neue gelbe Trachtenwesten im schwäbischen Schnitt an. Auf die Präsentation in neuer Optik freuen wir uns schon alle.