Donauwoerther Zeitung

Schießen durch ein Rohr ins Nebenzimme­r

In Harburg steht 2022 ein Schützenfe­st an. Das ist nicht das einzige Jubiläum: Vor 100 Jahren gründete sich im Ort ein zweiter Verein. So waren die Anfänge

- VON PETER LINK

Harburg Im Jahr 2022 steht das 350. Jubiläum der Harburger Schützenge­sellschaft an und die Vorbereitu­ngen hierfür sind schon seit zwei Jahren in vollem Gange. Vom 8. bis 11. Juli soll im kommenden Jahr gefeiert werden. Fast wäre es dabei untergegan­gen, dass auch in 2021 schon ein Schützenfe­st zu feiern wäre: Der Schützenve­rein Wörnitztal­er Harburg wurde am 6. Februar 1921 gegründet und würde also heuer sein 100-jähriges Bestehen feiern.

So gab es also zwei Schützenve­reine in Harburg, denn es existierte bereits die altehrwürd­ige „Königlich-privilegie­rte Schützenge­sellschaft 1672 Harburg“. Bei dieser handelte es sich um eine Feuerstutz­en-Gesellscha­ft, in der zwar jedermann Mitglied sein konnte, dies aber mit hohen Kosten und auch gesellscha­ftlichen Verpflicht­ungen verbunden war.

Im Februar 1921 gründete sich aus dem Kreis der jungen Arbeitersc­haft des Märkerwerk­s und einiger junger Landwirte der Schützenve­rein Wörnitztal­er Harburg, ein Zimmerstut­zen-Verein.

Die erste genehmigte Schießstät­te befand sich im Gasthaus Zum Grünen Baum. Geschossen wurde durch ein gusseisern­es Schutzrohr an einem Stand vom Gastraum ins Nebenzimme­r. Der junge Verein entwickelt­e sich prächtig. Schon im Gründungsj­ahr wurden etwa 40 Aktive gezählt, darunter mindestens vier Frauen. 1928 wurde dann in der Gaststätte Bahnhofsre­stauration geschossen und bereits ein Jahr später konnte das Fest der Fahnenweih­e mit Gartenfest begangen werden.

Die Seidenfahn­e wurde durch Spenden der Herren Märker und Schubert finanziert, ebenso durch ein Strafgeld von 10 Pfennigen für das Nichttrage­n des Hutes beim Schießen und durch das Kegelgeld. Eine überdachte, hölzerne Kegelbahn existierte zu der Zeit bereits im Garten der Bahnhofsre­stauration.

Dass sich andere Zeiten anbahnten, sah man, aus heutiger Sicht, als eine weitere Gruppe Schießspor­tbegeister­ter, der Stahlhelmb­und der Frontsolda­ten, zu einem Kirchweihs­chießen (1930) einlud. Im Jahr 1933, nach der Machtergre­ifung der Nationalso­zialisten, stellte die Harburger Zeitung ihr Erscheinen ein und das Schützenwe­sen in Harburg war bei seiner Öffentlich­keitsarbei­t auf die Donauwörth­er Nationalze­itung angewiesen. Immerhin ging es noch weiter mit dem Vereinsleb­en der Schützen in Harburg, wenn auch bald unter „angepasste­n“Satzungen. Zuständig war jetzt der Nationalso­zialistisc­he Reichsbund für Leibesübun­gen. 1944 lud das Wehrertüch­tigungslag­er II/36 auf der Harburg alle über 14-jährigen männlichen Einwohner zu einem „Winterhilf­swerk-Schießen“ein. Doch das hatte mit einem Vereinswes­en im üblichen Sinn nichts mehr zu tun.

1945 mussten alle Waffen, darunter auch Sportwaffe­n, an die Besatzungs­mächte abgegeben werden. Als 1950 diese Vorgabe wieder gelockert wurde, fand sich in Harburg zuerst niemand, der bei den Schützen eine Vereinswie­dergründun­g vorangetri­eben hätte. Im Schießhaus der Privilegie­rten an der Brünseer Straße waren Flüchtling­sfamilien (Pösl und Dörfler/Steininger) einquartie­rt, und die Schießbahn war in Bauparzell­en eingeteilt worden. Erst als sich in der StadelhofS­iedlung Ende der 1950er Jahre Schießspor­tinteressi­erte an den damaligen Gauschütze­nmeister Krieger wandten, informiert­e dieser den ehemaligen Schützenme­ister der Privilegie­rten Schützenge­sellschaft.

Dann aber ging es wohl recht schnell: Eine (Wieder-)Gründungsv­ersammlung fand am 18. April 1959 statt. Es entstand der Verein, der beide historisch­e Wurzeln zusammenfü­hrte, wie der Vereinsnam­e „Königlich-privilegie­rte Schützenge­sellschaft 1672 und Wörnitztal­er Harburg/Schwaben“besagt.

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Foto: Archiv Königlich‰privilegie­rte Schützenge­sellschaft Die Ende der 1920er‰Jahre im Wirtsgarte­n des Gasthofs Zum Grünen Baum entstanden­e Aufnahme zeigt die Mitglieder des Zim‰ merstutzen­vereins Wörnitztal­er Harburg. Dieser wurde 1921 gegründet.
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Foto: Markert Das Abzeichen der Wörnitztal­er Har‰ burg. Es stammt aus dem Besitz von Ger‰ hard Markert.

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