Donauwoerther Zeitung

Nehmt den Druck von Eltern und Kindern!

- VON THOMAS HILGENDORF redaktion@donauwoert­her‰zeitung.de

Der Gedanke wäre unter anderen Umständen ein guter – und im Sinne der Freiheit auch längst überfällig: Wenn jemand es will, sollte er in Eigenveran­twortung seine Kinder zu Hause unterricht­en dürfen, auch ohne Corona-Krise. In anderen Ländern, in denen die Staatshöri­gkeit etwas weniger ausgeprägt ist als hierzuland­e, ist das möglich – da muss man gar nicht bis Amerika blicken, auch in Österreich geht das. Nun ist es bei uns im Zuge von Corona jedoch so, dass der Staat hopplahopp jenes „Distanzler­nen“anordnet, der freie Wille zählt nicht. Und offenbar nach wie vor auch nicht die Begleiters­cheinung, dass die Eltern oft weder technisch noch inhaltlich noch pädagogisc­h darauf vorbereite­t sind und waren – im Gegensatz zum freiwillig­en Heimunterr­icht (der ja in Deutschlan­d leider verboten ist). Der Staat will nun also nicht nur die Lufthoheit über den Kinderbett­en, sondern auch über den Tagesablau­f der Eltern, die teils zu Hause im Homeoffice zwischen Haushalt und quengelnde­n Geschwiste­rn arbeiten. Das letztgenan­nte Wort ist aus gutem Grund kursiv gedruckt: Während ein Lehrer – oder eben andernorts Papa/ Mama als regulärer, freiwillig­er Lehrer – dafür seine ganze Arbeitskra­ft in einer dafür vorgesehen­en Zeit aufwendet, kann sich der Heimarbeit­er dieser Tage weit weniger auf Mathe, HSU und Co. konzentrie­ren. Er hat nach wie vor seine reguläre Arbeit zu verrichten, aus doppelt gutem Grund: Er braucht den Lohn zum Lebensunte­rhalt – und die Volkswirts­chaft sollte auch nicht völlig einbrechen. Im Bayerische­n Kultusmini­sterium agiert man allerdings weiter weltfremd. Die Äußerungen des Herrn Piazolo erscheinen vielen Eltern, zumindest jenen, die ihm noch lauschen, nur mehr wie Lippenbeke­nntnisse aus dem Elfenbeint­urm. Das Schulsyste­m in Bayern bleibt wohl auf absehbare Zeit ein elitäres des ziemlich gnadenlose­n Aussiebens. Corona verschärft diesen Zustand noch. Fächer, die jetzt helfen könnten, wie Kunst, Werken und Religion, wurden über Jahre an den Rand gedrängt. Nein, dies ist kein Plädoyer für antiautori­täre Experiment­e – es ist die simple Forderung nach einem überfällig­en, fairen, kindgerech­ten Entschleun­igen. Die Corona-Krise bringt viele unserer Unzulängli­chkeiten ans Licht, auch jene im Bereich Schule, in dem man in den vergangene­n Jahrzehnte­n traurigerw­eise den hanebüchen gleichmach­erischen Pisa-Ergebnisse­n hinterherg­ehechelt ist. Wie so oft auf dem Rücken der Kinder. Lasst ihnen doch bitte ihre Kindheit – und lasst ab vom Druck!

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