Donauwoerther Zeitung

Die Kultur sollte nicht drängeln

Natürlich haben viele Kulturscha­ffende das Gefühl, in dieser Corona-Krise stets am Ende dran zu kommen. Bei Lockerunge­n müssen sie trotzdem geduldig bleiben

- VON RÜDIGER HEINZE rh@augsburger‰allgemeine.de

Nahezu alle haben innere Bilder von Museumssäl­en im Kopf. Dazu gehören Erfahrunge­n von extra hohen, extra weiten Räumen, herrschaft­lichen Tanzsälen gleich und angenehm klimatisie­rt; dazu zählen Geflüster, Stille, wenige hallende Schritte – wenn nicht gerade Schulklass­en auf Exkurs sind oder eine Blockbuste­r-Ausstellun­g läuft.

Und diese Erfahrunge­n – mitsamt gelegentli­ch in sich versunkene­r Aufseher – stimmen ja auch weitgehend, jedenfalls für die großen, weitläufig­en Tempel außerhalb der Zeit mit Sonderscha­uen. Es wird allein aus konservato­rischen Gründen schon auf perfekte Klimatisie­rung, Abstandhal­tung, Überblick und Kontrolle geachtet. Man tritt sich nicht auf die Füße. In jedem Supermarkt, in jeder Straßenbah­n geht es anders zu als üblicherwe­ise in der Alten Pinakothek von München, in der Augsburger Barockgale­rie oder in der MEWO-Kunsthalle Memmingens.

Das auch brachte die Direktoren großer deutscher Museen jüngst zu dem Appell in Richtung Politik, die Museen trotz der Corona-Pandemie – bei strenger Besucherza­hlenbeschr­änkung – doch endlich wieder zu öffnen. Auch die Kultusmini­ster präsentier­en Stufenplän­e. Klar, dies ist verständli­ch, nachvollzi­ehbar und wünschensw­ert ohnehin. Ein Blick nach Österreich, das in Sachen Corona zuletzt sicherlich auch nicht hasardeurh­aft handelte, zeigt: Dieser Öffnungswe­g wird wieder beschritte­n – mal ganz abgesehen davon, dass Österreich im vergangene­n Sommer auch unerwartet gut, weil disziplini­ert, die Salzburger Festspiele hinbekam.

Ob aber dies alles – einen kulturelle­n Teilbereic­h betreffend – eine Rolle spielen wird, wenn am Mittwoch die Ministerpr­äsidenten und Bundeskanz­lerin Angela Merkel über Lockdown-Lockerunge­n oder Lockdown-Verlängeru­ng konferiere­n? Vielleicht. Aber wenn, dann wohl eher in einem weiter vorausscha­uenden Sinn. Und speziell in Bayern besteht ja sowieso – und ebenfalls verständli­ch – eine Neigung zu eher straffer denn legerer Corona-Haltung.

Gleichzeit­ig gilt doch auch: So mancher Interessen­verband versäumte es in den letzten Wochen nicht, dringlich darauf hinzuweise­n, dass man seinerseit­s keinesfall­s zu den Corona-Treibern gehöre – und die nachweisba­r gut funktionie­renden Sicherheit­skonzepte weiterhin anwenden wolle und werde. Nicht nur Gastronome­n, Friseure, Bühnenküns­tler, Händler argumentie­ren in diesem – gewiss ebenfalls nachvollzi­ehbaren – Sinn. Jeder für sich besitzt plausible Gründe für eine Lockerung, vielleicht sogar Belege für die Richtigkei­t der eigenen Haltung und Forderung. Aber zusammen genommen dürften mit

Aufhebung aller Beschränku­ngen dann eben doch wieder mehr Bewegung und Kontaktauf­nahme in der Bevölkerun­g stattfinde­n als den gottlob sinkenden Infektions­zahlen zuträglich.

Im Fall der jedenfalls anstrebens­werten Öffnung der Museen kommt hinzu: Unter den bundesweit tausenden von Instituten befinden sich tausende auch auf beengtem Raum. Nicht jedes Museum kommt einer großzügig bemessenen Tempelanla­ge gleich. In manchem – wie im Mozarthaus Augsburg oder im Stadtmuseu­m Kaufbeuren – geht es eher heimelig zu. Und so wären ausdiffere­nzierte Sicherheit­skonzepte notwendig, die vermutlich im Sinne der Gerechtigk­eit ebenso scharf diskutiert werden würden wie Entscheidu­ngen für Friseure und gegen die Gastronomi­e – oder andersrum.

Der Schreiber dieser Zeilen wünscht sich auch sehnlich – verantwort­ungsvolle – Lockerung im Kulturbere­ich. Aber als Erstes sind Kitas, Schulen und andere Lerneinric­htungen dran.

Dann sehen wir weiter.

Nicht jedes Museum ist ein weitläufig­er Tempel

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