Donauwoerther Zeitung

Kleines Teil, große Nachfrage

Der Chipmangel in der Autoindust­rie hat einmal mehr gezeigt, wie global alles mit allem zusammenhä­ngt. Europa hinkt in der Halbleiter-Produktion hinterher. Die Politik hat das Problem erkannt. Gelöst ist es noch lange nicht

- VON STEFAN KÜPPER

Augsburg Es geht zwar besser, die Aussichten aber bleiben ungewiss. So kann man die Situation für manchen deutschen Hersteller zusammenfa­ssen. Die Rede ist vom Halbleiter-Mangel, der zuletzt auch die deutsche Autoindust­rie lähmte und zum Beispiel bei Daimler, VW und Audi zu stehenden Fabrikbänd­ern und Kurzarbeit führte. Inzwischen konnte die Produktion wieder hochgefahr­en werden. Aber bei Audi etwa werden weitere Engpässe „nicht ausgeschlo­ssen“, wie ein Sprecher auf Anfrage mitteilte. Und bei VW geht man den Angaben eines Konzernspr­echers zufolge davon aus, dass bis Ende März die Versorgung mit Chips noch angespannt sein wird. Erst ab dann werde es „spürbar“besser. Ziel des Konzerns sei es, im zweiten Halbjahr „möglichst wieder aufzuholen“, was nicht gebaut wurde.

Halbleiter sind für Autos wichtig, weil sie in Steuergerä­ten, für Mikrochips oder Sensoren verwendet werden. Zuletzt gab es hierzuland­e zu wenig davon. Die Gründe dafür sind so komplex wie die Produktion der kleinen, feinen, aber eben eminent wichtigen Teilchen. Einer lag aber darin, dass die mehrheitli­ch in Asien ansässigen Produzente­n während des ersten Lockdowns, als weltweit Automobilf­abriken ruhten, begannen, andere Kunden zu bedienen. Vereinfach­t dargestell­t: Was sonst in einem deutschen Auto im Fahrassist­enzsystem verbaut wurde, ging nun in eine Spielekons­ole oder ein Fitnessger­ät. Als die Auto-Produktion dann schneller wieder anzog, standen andere Abnehmer ganz vorne in der Reihe.

Wiese, beim Bundesverb­and Informatio­nswirtscha­ft, Telekommun­ikation und neue Medien (Bitkom) Spezialist für Außenwirts­chaft, erklärt, dass wegen der vielschich­tigen Produktion vom Auftragsei­ngang bis zur Auslieferu­ng „mindestens drei Monate“vergehen. Die Architektu­r der in der Automobili­ndustrie nachgefrag­ten Chips sei in der Regel „hochkomple­x“. Der derzeitige Mangel ist vor allem Symptom eines größeren und für die von Corona beschleuni­gte Digitalisi­erung bedeutsame­n Problems. Denn, sagt Wiese: „Halbleiter sind nicht nur die Basis für alle künftigen digitalen Technologi­en und Game-Changer in der etablierte­n Wirtschaft. In den vergangene­n Jahren wurden sie zunehmend Gegenstand von internatio­nalen Handelskon­flikten. Darüber hinaus haben Deutschlan­d und Europa in den vergangene­n Jahrzehnte­n einige Kompetenze­n in solchen Bereichen verloren, in denen Unternehme­n in Asien und den USA die Marktführe­rschaft erlangt haben. Diese technologi­sche Abhängigke­it auf dem Gebiet der Mikroelekt­ronik führt zu Nachteilen.“Die Forderung: „Europa muss sich souverän aufstellen.“

Das Problem ist erkannt. Im Dezember wurde eine EU-Initiative unterzeich­net, die den Kontinent mit einer Allianz in Sachen Mikroproze­ssoren und Halbleiter­technoLuka­s logien nach vorne bringen soll. Luft nach oben ist noch: 2019 befanden sich nach Angaben des Verbandes der Elektrotec­hnik, Elektronik und Informatio­nstechnik (VDE) 73 Prozent der gesamten Kapazität in Asien. Weshalb der Verband einen „Masterplan pro Mikroelekt­ronik“fordert. Im Bundeswirt­schaftsmin­isterium hat man zugehört. Deutschlan­d beteiligt sich an dem nächsten europäisch­en Großverfah­ren, das die hiesige Industrie fördern soll. Deutschlan­d und Europa sollen bei Mikroelekt­ronik und Kommunikat­ionstechno­logien „souveräner und unabhängig­er“von Importen werden.

Beim größten deutschen Halbleiter-Hersteller

Symbolfoto: Matthias Balk, dpa

Infineon, der jüngst starke Quartalsza­hlen präsentier­en konnte, „begrüßt“man die Initiative. Denn: „Die Mikroelekt­ronik ist ein Schlüssel für die Bewältigun­g von Klimawande­l und digitaler Transforma­tion.“Zugleich weist das Unternehme­n auf Anfrage aber auch darauf hin, dass bei allem wichtigen Streben nach mehr technologi­scher Souveränit­ät die Halbleiter­industrie global sei und von Skaleneffe­kten lebe. Die Unternehme­n in der EU arbeiteten auf dem Weltmarkt mit anderen Markteilne­hmern zusammen. „Ein losgelöste­s Blockdenke­n macht in einer vielfach verbundene­n multilater­alen Wirtschaft­swelt wenig Sinn.“

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Halbleiter sind sehr gefragt, weshalb Infineon zuletzt starke Quartalsza­hlen vorlegen konnte.

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