Donauwoerther Zeitung

Eine scharfe Knolle

In der kalten Jahreszeit schwören viele auf Ingwer. Er macht sich nicht nur gut in heißem Tee, sondern gibt vielen Gerichten das gewisse Etwas. Was die Wunderwurz­el wirklich kann

- VON LAURA KLEINKAUF

Eine Schönheit ist er nicht gerade. Er ist krumm, runzelig und aus der Form geraten. Zum Glück sind es bekanntlic­h die inneren Werte, die zählen. Und unter seiner Schale stecken ziemlich viele gute Eigenschaf­ten: Vitamine, Eisen, Zink, Magnesium und vieles mehr machen den Ingwer zu einem wahren Gesundheit­s-Booster. Gerade wenn es draußen kalt ist und akute Erkältungs­gefahr besteht, landet er bei vielen in der heißen Teetasse.

Die asiatische Medizin setzt schon seit 3000 Jahren auf die heilenden Kräfte der Knolle. Sie wendet ihn bei Kopfschmer­zen, Gastritis, Rheuma oder Muskelschm­erzen an. Auch hierzuland­e liegt er voll im Trend: Ingwer-Shots boomen. Die Apothekens­chränke sind voll mit Ingwerprod­ukten. Und zahlreiche Werbebotsc­haften sprechen der Knolle nahezu Superkräft­e zu. Sogar vor einer Corona-Infektion soll er schützen. Doch hält der Ingwer wirklich das, was er verspricht?

Ingwer, auch Zingiber officinale genannt, wächst als eineinhalb Meter hohe Blattpflan­ze in tropischen oder subtropisc­hen Ländern. In ihm stecken etwa 150 Inhaltssto­ffe. Medizinisc­h bedeutsam sind vor allem die in ihm enthaltend­en ätherische­n Öle und die Scharfstof­fe, die ihm auch seine exotische Schärfe verleihen. „Das sind vor allem die Gingerole, die besonders im frischen Ingwer vorhanden sind und die Shogaole in getrocknet­en Produkten“, sagt Anja Schwengel-Exner, Ernährungs­beraterin bei der Verbrauche­rzentrale Bayern.

Ob die Knolle ein echter Virenkille­r ist und antivirale oder antibakter­ielle Wirkung hat, ist wissenscha­ftlich nicht bestätigt. Dennoch können uns seine Wirkstoffe in der kalten Jahreszeit unterstütz­en. „Die Scharfstof­fe des Ingwers nehmen zum Beispiel einen positiven Einfluss auf das Milieu im Darm, der der Hauptmotor unseres Immunsyste­ms ist. Dort kann über den Ingwer eine Fehlbesied­lung mit ungünstige­n Bakteriens­tämmen vermindert werden“, erklärt die Ernährungs­expertin. Bakterien, die für unser Immunsyste­m eine größere Bedeutung haben und eine abwehrende Wirkung gegen Krankheits­erreger bedeuten, könnten sich so besser ansiedeln. „Aber das ist ja nicht direkt der Ingwer, der auf das Virus wirkt.“

Ein Virenkille­r ist der Ingwer also nicht. Aber was ist, wenn die Nase läuft und der Hals kitzelt? Hilft ein Ingwertee denn gegen Erkältung? „Um das offiziell zu bestätigen, gibt es nicht ausreichen­d klinische Daten“, erklärt Gerhard Franz, Spezialist für Pharmazeut­ische Biologie von der Universitä­t Regensburg. Hinweise gäbe es dennoch. Auch Frau Schwengel-Exner sieht hier die positiven Effekte des Ingwers: „Die Phenole reizen die Schleimhäu­te in den Bronchien und regen dadurch die Schleimpro­duktion an. Das sorgt dafür, dass das Sekret besser abgehustet werden kann.“Gleiches gilt für die Mund- und Nasenschle­imhaut. „Wenn das Immunsyste­m stimuliert ist, können die Erscheinun­gen einer Erkältung bzw. eines viralen Infektes in der Nase und im Rachen gemildert werden. Er hat also eine sekundäre, indirekte Wirkung.“, bestätigt Professor Franz. Kommt allerdings ein leichtes Fieber hinzu, sollte man den Ingwer mit Vorsicht genießen. Denn die Wurzel heizt ordentlich ein und kann die Körpertemp­eratur weiter nach oben treiben.

Indirekt kann der Ingwer unser Immunsyste­m also unterstütz­en. Dennoch gilt die Devise: Bei dem einen wirkt’s, beim anderen nicht. Unser Immunsyste­m ist komplex. „Es ist ein multifakto­relles Geschehen. Wie der Ingwer wirkt, hat auch häufig etwas mit der genetische­n Dispositio­n des Einzelnen zu tun.“, stellt Frau Schwengel-Exner klar.

Gut erforscht ist dagegen seine direkte Wirksamkei­t bei Übelkeit. Ein Stückchen Ingwer oder Bonbon vor einer Reise – das ist nicht nur eine alte Binsenweis­heit unter Seefahrern, sondern macht tatsächlic­h Sinn. „Die Gingerole wirken auf bestimmte Rezeptoren im Magen ein und rufen eine Normalisie­rung der Magenbeweg­ung hervor“, erklärt Professor Franz. Schwangere und Empfindlic­he sollten den Ingwer jedoch mit Vorsicht genießen, da der Ingwer den Magen-Darm-Trakt unter Umständen auch sehr reizen und die Übelkeit verstärken kann.

Viele der kursierend­en Mythen bleiben jedoch Mythen. Etwa die Behauptung, dass Ingwer beim Abnehmen hilft, ist mehr Wunsch als Wahrheit. Zwar wirkt Ingwer verdauungs­fördernd – zum Appetitzüg­ler oder Pfundschme­lzer macht ihn diese Eigenschaf­t aber nicht.

In der Küche macht er trotzdem

Ingwer‰Shots liegen im Trend und boomen

Ingwer macht sich auch gut in klassische­r Hausmannsk­ost

eine gute Figur. Feinschmec­ker lieben seine süße Schärfe, mit dem er Gerichte belebt. Er schmeckt nicht nur in der asiatische­n Currypfann­e, auch bei traditione­ller Hausmannsk­ost ist er ein guter Begleiter. „Man kann auch mal den klassische­n Rotkohl mit Ingwer aufpeppen. Gerade zu Kohlsorten passt Ingwer gut.“, empfiehlt Schwengel-Exner.

Bis er in unserem Gewürzrega­l landet, nimmt die Wurzel allerdings meist eine lange Reise aus China oder Peru auf. Eine gute Ökobilanz sieht anders aus. Zum Glück wird der Exot mittlerwei­le auch hierzuland­e angebaut. Und wer etwas Geduld und Experiment­ierfreude mitbringt, kann Ingwer sogar auf der heimischen Fensterban­k ziehen.

Ein universell­es Allheilmit­tel ist Ingwer also nicht. Aus der Naturheilk­unde, dem Ayurveda, der Erfahrungs­medizin oder anderen alternativ­en Heilmethod­en können ihm dennoch diverse gute Eigenschaf­ten zugeschrie­ben werden. Das beste Mittel, um sich gegen Krankheits­erreger zu schützen, ist wohl immer noch, das Immunsyste­m nicht zu schwächen. Und da hat eine heiße Tasse Ingwer-Tee sicherlich noch niemandem geschadet.

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Foto: dpa Für viele ist Ingwer im Winter nicht mehr wegzudenke­n. Die scharfe Knolle würzt nicht nur den Tee, sondern stärkt – indirekt – auch das Immunsyste­m.

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