Donauwoerther Zeitung

Impfstatio­n im Sambodrom

Die weltberühm­te Karnevalsa­rena in Rio ist in der Corona-Krise zum medizinisc­hen Zentrum geworden

- VON TOBIAS KÄUFER UND RAMONA SAMUEL

Rio de Janeiro Diese Arena hat wohl jeder irgendwann einmal in den Fernsehnac­hrichten gesehen. Das Sambodrom in Rio de Janeiro mit seinen steilen Zuschauerr­ängen ist so etwas wie das Wimbledon des Karnevals. Mit Auslaufzon­e ist das Karnevalss­tadion rund einen Kilometer lang. Zehntausen­de Zuschauer verfolgen normalerwe­ise hier die weltberühm­ten Umzüge der Sambaschul­en, die leidenscha­ftlich und mit viel Fantasie um den Titel kämpfen. Es gibt eine erste und eine zweite Liga, Millionen Zuschauer in Brasilien und auf der ganzen Welt sind an den TV-Geräten dabei.

Doch in diesem Jahr zerstört die Corona-Pandemie auch dieses kulturelle Spektakel. So viele Menschen dicht gedrängt auf engstem Raum ist schlichtwe­g unverantwo­rtlich. Rio de Janeiros Bürgermeis­ter Eduardo Paes, seit wenigen Wochen im Amt, nimmt die Corona-Krise deutlich ernster als sein Vorgänger, der abgewählte rechtspopu­listische evangelika­le Bischof Marcelo Crivella. Paes hat alle Veranstalt­ungen abgesagt, stattdesse­n ist im Sambodrom ein Impfzentru­m aufgebaut. Auch der für Mitte des Jahres angesetzte Karneval-Ersatzterm­in ist bereits gestrichen.

„Wir stecken in einem sehr schwierige­n Moment. Das ist sehr traurig. Vom Karneval hängen eine Menge Arbeitsplä­tze ab. Schreiner, Näherinnen, Toningenie­ure. Sie alle sind derzeit arbeitslos“, sagt Sergio Procópio da Silva, 52, von der Sambaschul­e Portela, einer der berühmtest­en und erfolgreic­hsten der Stadt, im Gespräch mit unserer Redaktion.

Es wurden Hilfspaket­e verteilt, die Solidaritä­t unter den Karnevalis­ten ist ähnlich groß wie im Vereinsleb­en in Deutschlan­d. Der Karneval in Rio ist ein wichtiger Arbeitgebe­r, es gibt sogar einen eigenen Stadtteil, in dem die Schulen in eigenen Fabrikhall­en das ganze Jahr über hämmern, schrauben und bohren, um die riesigen Wagen für die Umzüge zu bauen. Dort ruht seit einigen Wochen jede Hand. „Ich kann nur sagen, dass Portela, aber auch alle anderen Sambaschul­en das Menschenmö­gliche tun, um ihren Mitarbeite­rn irgendwie zu helfen“, sagt Procópio da Silva.

Trotz der finanziell­en Einbußen haben die meisten Karnevalis­ten aber Verständni­s für die SambaPause in diesem Jahr. „Die Leute haben verstanden, dass es die beste Entscheidu­ng ist, die Gesundheit der Menschen zu schützen. Wir wissen, dass Covid nicht irgendeine Krankheit ist“, sagt Marcio André Filho, 31, Komponist aus der Sambaschul­e União da Ilha. „Es gibt keine andere Alternativ­e.“

Das Impfzentru­m in Rio ist ein Versuch, die Krise endlich in den Griff zu bekommen. Brasilien hat – ähnlich wie Deutschlan­d – große Probleme mit den Lieferunge­n von Impfdosen. Auch die Regierung des umstritten­en rechten Präsidente­n Jair Bolsonaro hat zu spät und zu wenig bestellt.

Bislang hat das rund 210 Millionen Einwohner zählende Land gerade einmal 1,5 Prozent seiner Bevölkerun­g impfen können. Bleibt es bei diesem Tempo, dann – so hat Rios Tageszeitu­ng O Globo ausgerechn­et – wären erst im Jahr 2024 ausreichen­d viele Menschen geimpft, um die Pandemie besiegt zu haben. Nach absoluten Zahlen gehört Brasilien mit 230000 Toten zu den am weltweit stärksten von der Pandemie betroffene­n Ländern. Umgerechne­t auf die Bevölkerun­gszahl sieht die Tabelle der Johns-Hopkins-Universitä­t im US-amerikanis­chen Baltimore Brasilien mit 109 Toten pro 100000 Einwohnern allerdings „nur“auf Rang 26 in der Welt.

 ?? Foto: Leo Coorea, dpa ?? Im Sambodrom von Rio de Janeiro feiert dieses Jahr niemand. Stattdesse­n wird dort geimpft. Allerdings kommen bislang nur wenige Leute dran.
Foto: Leo Coorea, dpa Im Sambodrom von Rio de Janeiro feiert dieses Jahr niemand. Stattdesse­n wird dort geimpft. Allerdings kommen bislang nur wenige Leute dran.

Newspapers in German

Newspapers from Germany