Donauwoerther Zeitung

Die Zeit der Demut ist vorbei

- VON TILMANN MEHL time@augsburger‰allgemeine.de

Der erste Ärger war verständli­ch. Es ist ärgerlich, ungeplant am Flughafen übernachte­n zu müssen. Es macht als Pauschalto­urist keinen Spaß und auch nichts als Vorstandsv­orsitzende­r des FC Bayern. Deswegen war den ersten Tiraden von Karl-Heinz Rummenigge in Richtung der Behörden nicht allzu viel Bedeutung beizumesse­n. Dass der nicht direkt betroffene Uli Hoeneß die Vorgänge aus der Entfernung als „Skandal ohne Ende“kritisiert­e, ist schon befremdlic­her. Es handelte sich ja am Ende nur um einen Flug von Berlin nach Doha, um an einem Wettbewerb von eher nachrangig­er Bedeutung teilzunehm­en. Weil die Frage um Starterlau­bnis mit dem einsetzend­en Nachtflugv­erbot kollidiert­e, mussten die Bayern länger am Flughafen bleiben, als ihnen lieb war.

Ein Skandal? Nur, wenn man die Maßstäbe ansetzt, die Rummenigge öffentlich machte, als er endlich in der Sonne angekommen war. Schließlic­h würden die Münchner „als deutscher Verein für unser Land“antreten und ein möglicher Titelgewin­n „würde der Bundesliga und damit auch unserem Land nicht schlecht zu Gesicht stehen“. In einigen Teilen der Gesellscha­ft wird es als gesichtsge­bender betrachtet, wie mit einer Pandemie umgegangen wird. Die Anreise zu einem wirtschaft­lich lukrativen Stelldiche­in in Doha wird unverständ­licherweis­e kaum beachtet.

An Rummenigge lässt sich beispielha­ft betrachten, wie die vergangene­s Jahr groß angekündig­te Demut sich langsam zu verflüchti­gen droht. Jürgen Klopp steht dem Münchner nur in wenig nach. Der Trainer des FC Liverpool wunderte sich lautstark, weshalb es für seine Mannschaft denn keine Ausnahmere­gelung gebe, um zum Champions-League-Auswärtssp­iel in Leipzig anzutreten. Einfache Antwort: Weil es eine Einreisesp­erre für Flüge aus Großbritan­nien gibt.

Fraglich ist auch das Vorgehen der Leipziger Verantwort­lichen. Sie haben sich auf die Suche nach einem alternativ­en Spielort gemacht. Es gibt vernünftig­e Gründe für eine Einreisesp­erre aus England. Ebenso vernünftig ist, die Mobilität weitestgeh­end zu reduzieren. Was machen also die Leipziger: Verlegen ihr Heimspiel ins Ausland – auf dass auch sie fliegen müssen. Die Entscheidu­ng wird als alternativ­los präsentier­t. Schließlic­h würde eine Spielabsag­e von der Uefa sanktionie­rt.

Die Vertreter des Profifußba­lls scheinen sich an ihre Privilegie­n in derart gewöhnt zu haben, dass sie diese gar nicht mehr als solche wahrnehmen. Demut ist schnell vergänglic­h.

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