Alte Römer und Fake News
Am Freitagmorgen durfte das Capito-Team die 6d am Wertinger Gymnasium im Lateinunterricht besuchen – und hat eine spannende Zeitreise erlebt
Warum muss in Homeschooling-Zeiten der Unterricht auch so früh beginnen? Die Frage stelle ich mir, als ich am Freitagmorgen um 7.40 Uhr meinen Computer starte. Gleich habe ich Latein mit der 6d des Wertinger Gymnasiums. Als ich wenig später in ein Mosaik aus Gesichtern blicke, klärt mich Lehrer Christian Aigner auf: „Das Kultusministerium sagt, wir sollen uns am Stundenplan orientieren, damit die Kinder nah am normalen Schulalltag bleiben.“Das Kultusministerium ist für die bayerischen Schulen zuständig.
Also Latein. Im Kopf geht’s gleich ab in die Vergangenheit, 2000 Jahre zurück zu den alten Römern. Herr Aigner hat den 19 Jungen und Mädchen in der Klasse ein Wortschatzrätsel vorbereitet. Der Lehrer kennt sich mit digitalem Unterricht aus. Er berät auch andere Lehrkräfte und hat einen Latein-LernYoutube-Kanal. Nun greift er in die technische Trickkiste. Mit einem Computerstift trägt er die Antworten der Kinder in die Rätselkästchen ein. Dann spricht er mit den Kindern über die Therme, das öffentliche Badezimmer der alten Römer. Dorthin gingen die Männer und Frauen einst, um sich zu waschen – und auch, um Geschäfte verschiedener Art zu erledigen (siehe „Tolle Welt“oben). Möglicherweise haben sie dabei auch Lügengeschichten erzählt, sagt Herr Aigner. Heute haben die einen anderen Namen: Fake News (gesprochen: Fäik Njus). Das ist mein Stichwort. Ich hatte der Klasse versprochen, etwas über Fake News zu erzählen – also über gezielt verbreitete Falschnachrichten. Ich erkläre ihnen den Unterschied zwischen
Fake News und einem Fehler in den Nachrichten einer Zeitung oder einer Nachrichtensendung. Die Kinder hören aufmerksam zu und fragen interessiert nach. Wären Fake News so logisch wie die Lateinische Grammatik, dann könnte man sie einfacher durch feste Regeln entlarven.
Doch leider gibt es keine Zauberformel gegen Lügen. Ich gebe den Kindern daher ein paar Tipps, worauf sie achten und welche Fragen sie sich stellen sollen: Wem nützt die Information? Was soll sie bewirken? Ist die Informationsquelle glaubwürdig? Was sagen Mama und Papa dazu?
Nun dürfen die Kinder ein bisschen langsamer machen
Dann erzählte ich ihnen noch von dem schlauen Mann namens Immanuel Kant. Der hat schon vor über 200 Jahren einen Satz gesagt, der noch immer aktuell ist: „Habe den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.“Oder anders ausgedrückt: Nachdenken! Während ich das sage, tippt Herr Aigner schnell etwas in den Computer. Plötzlich ploppt ein Bild von Kant auf. Daneben steht „sapere aude“– das ist die berühmte lateinische Übersetzung von Kants Leitsatz.
„Sapere aude“wird am Wertinger Gymnasium bereits gelebt. Die Kinder nennen mir ihre Meinung zum Homeschooling und zu den von der Politik gestrichenen Faschingsferien (siehe links). Die Schule hat sich noch etwas überlegt: Weil die Jungen und Mädchen in diesem Schuljahr Vollgas gegeben haben, darf das Lerntempo nun eine Woche lang etwas verlangsamt werden. Als Belohnung für das Homeschooling und zum Krafttanken für das Vollgaslernen bis zu den Osterferien.