Beerdigung wirft Fragen auf
Eine Beerdigung mit mutmaßlich 100 Personen (oder mehr) in Corona-Zeiten wirft Fragen auf und bewegt seit Freitag nicht nur die Gemüter in Rain. Es stellen sich grundsätzliche Fragen: Wie hätten Sie gehandelt, wären Sie Bürgermeister in Rain? Wie hätten Sie gehandelt, wären Sie der verantwortliche Polizeibeamte vor Ort? Wie hätten Sie gehandelt, wären Sie zu jener Beerdigung eines Ihnen am Herzen liegenden Menschen angereist? Der Autor dieser Zeilen – und vielleicht der ein oder andere von Ihnen – kann auf alle drei Fragen recht ruhigen Gewissens antworten: genauso, wie es zuletzt in Rain geschehen ist. Und doch ist die Kritik daran, dass in einem Fall 100 Menschen angereist sind und diese mit nachgeholter Genehmigung wohl keine Konsequenz zu befürchten haben, zumindest nachvollziehbar. Denn freilich geht es um Gerechtigkeit: Viele andere Trauernde durften zuletzt nicht Abschied nehmen – sie hatten sich an die Regel gehalten, dass nur 25 Personen aus dem nächsten Umfeld auf den Friedhöfen sein dürfen.
In diesem Fall jedoch erforderte ein Ausnahmefall eine Ausnahmeregelung. Die Menschen waren bereits vor Ort – ob sie nun gewusst hatten, dass so viele andere kommen oder nicht, liegt dabei in der Verantwortung der einzelnen Trauergäste. Die Situation war wie sie war. Was hätte die Polizei tun sollen? Mit Anwendung von Zwangsmitteln den Friedhof räumen? Den Menschen, die ohnehin in einer seelischen Ausnahmesituation sind, mit dem Schlagstock drohen?
Hier ergibt sich zum einen der Unterschied zu „lockeren“Versammlungen, wie etwa Partys und Co. Doch hieran erkennt man auch unschwer, dass sämtliche CoronaMaßnahmen, so notwendig sie in vielen Fällen aktuell sein mögen, nur ausnahmsweise und stets nur auf Zeit gelten können.
Unsere freiheitliche, christlich geprägte Gesellschaft, die von direkter mitmenschlicher Zuwendung, von Beistand und Solidarität leben sollte (und zumindest in Teilen, Gott sei Dank, noch auf diesem Fundament lebt), sie erträgt jene grundlegenden Einschränkungen immer nur auf Zeit in einem spür- und sichtbaren Maß. Deswegen ist es in der Tat richtig, dass darüber debattiert werden muss, wenn Menschen sich durch zu harte Kontrollen oder Sanktionen gegängelt fühlen. Auch hier sollte vielmehr der Ermessensspielraum im Sinne des milderen Mittels gelten. Was oftmals leider nicht so ist – was wiederum Unmut erzeugt.
Corona ist eine Zumutung, Corona zeigt sich auch in jenen gefühlten und tatsächlichen Ungerechtigkeiten. Wir als Gesellschaft sind aufgerufen, damit im Sinne der Verhältnismäßigkeit umzugehen. Das erfordert immer auch bedachte Einzelfallentscheidungen, auch wenn diese dem einen oder anderen dann als unfair erscheinen – weil er sich selbst an alle Regeln gehalten hat. Wir leben im Ausnahmezustand.