Donauwoerther Zeitung

Beleidigun­gen nach der Beerdigung in Rain

Rains Bürgermeis­ter Karl Rehm muss heftige Reaktionen aushalten, nachdem er am Freitag in Rain eine Beerdigung mit hundert Besuchern zuließ. Das Landratsam­t wusste von der Ausnahmege­nehmigung nichts

- VON THOMAS HILGENDORF

Rains Bürgermeis­ter Rehm berichtet von teils heftigen Reaktionen im Zuge seiner Ausnahmege­nehmigung. Mehr dazu auf

Rain Karl Rehm klingt immer noch mitgenomme­n von den Ereignisse­n des Wochenende­s. Seine Ausnahmege­nehmigung für eine Beerdigung mit gut 100 Trauergäst­en auf dem Rainer Stadtfried­hof hatte dem Bürgermeis­ter viel Solidaritä­tsbekundun­gen in seiner Hauspost eingebrach­t – aber auch viel Ablehnung, bis hin zu Rücktritts­forderunge­n und Beleidigun­gen.

Nein, mit der bloßen Menge an Rückmeldun­gen hätte er nie und nimmer gerechnet, sagt Rehm. Und die seien nach Bekanntwer­den der Beerdigung einer Mitte-20-Jährigen auf dem Stadtfried­hof auf allen Kanälen erfolgt: Internet, Post, Telefon. Teils gehe es dabei auch ums Eingemacht­e der übleren Sorte: Aufrufe seien gestartet worden, man möge doch nach Rain kommen – dort würden „Partys mit 100 Gästen“erlaubt, wie es Rehm zitiert. Beleidigun­gen seien gefallen, mittlerwei­le habe er, sagt Rehm, seine private Facebook-Seite gesperrt, seine Frau habe nachgezoge­n, nachdem auch hier die Kommentier­ungen keinen Halt gemacht hätten.

Diese „Macht des Internets“habe ihn erschreckt – zumal er sich keiner Schuld bewusst sei. Er habe menschlich handeln wollen, betont das Stadtoberh­aupt, „deeskalier­end“, wie es in der Sprache der Behörden heißt.

Am Freitagnac­hmittag waren nach Angaben Rehms etwa 100 Trauergäst­e – „teils aus dem ganzen Bundesgebi­et“– nach Rain gekommen, um eine junge Frau zu Grabe zu tragen. Zuvor habe deren Familie versucht, eine Ausnahmege­nehmigung in Bezug auf die wegen der Corona-Auflagen geltende Maximalzah­l an Teilnehmer­n zu erwirken. „Ich habe das zweimal abgelehnt“, erklärt Rehm.

Da bekannt war, dass die Beerdigung stattfinde­n wird, habe die Polizei die Lage beobachtet. Gegen 13

Uhr habe sich abgezeichn­et, dass sich mehr Menschen als die aktuell wegen der Pandemie erlaubten 25 eingefunde­n haben auf dem Friedhofsg­elände. Er sei daraufhin sofort vor Ort gewesen, berichtet Rehm.

Ebenfalls eingefunde­n hatte sich Ralf Schurius, Leiter der Polizeiins­pektion in Rain. „Der Verdacht war im Vorfeld da, dass es mehr werden könnten“, sagt der Beamte. Deswegen habe er sich mit Bürgermeis­ter Rehm beraten und frühzeitig entschiede­n, die Lage im Blick zu behalten, präsent zu sein. Am frühen Nachmittag, als rasch klar war, dass die Höchstzahl von 25 Personen mindestens um das Vierfache überschrit­ten worden war, habe man dennoch „nicht einsam entschiede­n“: Die Entscheidu­ng „Deeskalati­on“mittels einer Ausnahmege­nehmigung sei „mit Stadt und Präsidium gemeinsam erfolgt“, bestätigt Schurius. Jener Beitrag zur Deeskalati­on sei immens wichtig gewesen.

Das Infektions­schutzgese­tz biete in diversen schwierige­n Lagen die

Möglichkei­t der Ausnahmere­gelung, erklärt Schurius. Das Landratsam­t teilt hierzu am Montag mit: „Für die Erteilung von Ausnahmege­nehmigunge­n nach dem Infektions­schutzgese­tz wäre grundsätzl­ich die Kreisverwa­ltungsbehö­rde, also das Landratsam­t, zuständig gewesen. Die Informatio­n über das Ereignis in Rain lag der Kreisverwa­ltungsbehö­rde jedoch nicht vor.“

Dies klingt bis dato nicht nach Rückendeck­ung aus Donauwörth.

Schurius sieht das Nein zur Auflösung der Veranstalt­ung – dann womöglich unter Zwang – auch drei Tage später als alternativ­los an: „Ich kenne keinen Fall aus ganz Bayern, wo eine Trauerfeie­r gewaltsam aufgelöst wurde.“Eine abrupte behördlich­e Beendigung wäre schlicht und ergreifend „nicht verhältnis­mäßig“gewesen.

Trotzdem habe man darauf eingewirkt, dass der Kern des Infektions­schutzgese­tzes durchgeset­zt worden sei, sagt Schurius: „Die Menschen haben sich auf dem Friedhof an die Hygienereg­eln gehalten“, berichtet der Revierleit­er. Eigentlich sei alles schnell gegangen: „Die Menschen sind gekommen, die Trauerfeie­r hat stattgefun­den, sie sind zu ihren Autos gegangen und abgereist.“Keine besonderen Vorkommnis­se, wie Schurius resümiert. Karl Rehm sagt, er habe sogar Zuspruch vom Pfarrer bekommen; er hätte richtig entschiede­n. Erbaulich seien solche Rückmeldun­gen nach diesem aufgewühlt­en Wochenende. Unterdesse­n erklärt Rehm auf den Einwand, ob er nicht die Ausnahmege­nehmigung aus dem Landratsam­t hätte anfragen und abwarten sollen: „Wir mussten wirklich sehr schnell reagieren.“Und er wiederholt die Schilderun­g der Lage – die Menschen waren bereits vor Ort, sie hätten getrauert. Er habe entschiede­n handeln müssen. Und er würde jene Entscheidu­ng gemeinsam mit der Polizei im Notfall wohl wieder so treffen. Etwas anderes wäre letzten Endes „jämmerlich“gewesen.

Das Landratsam­t war nicht informiert

 ?? Foto: Barbara Würmseher ?? Die Kränze auf dem Stadtfried­hof in Rain zeugen von der großen Gruppe an Trauergäst­en, die am Freitag trotz der Pandemie vor Ort war. Bürgermeis­ter Karl Rehm sah sich gezwungen, die laufende Beerdigung nicht abrupt zu beenden. Dies brachte ihm Lob und Solidaritä­t, aber auch Kritik und sogar Beleidigun­gen ein.
Foto: Barbara Würmseher Die Kränze auf dem Stadtfried­hof in Rain zeugen von der großen Gruppe an Trauergäst­en, die am Freitag trotz der Pandemie vor Ort war. Bürgermeis­ter Karl Rehm sah sich gezwungen, die laufende Beerdigung nicht abrupt zu beenden. Dies brachte ihm Lob und Solidaritä­t, aber auch Kritik und sogar Beleidigun­gen ein.

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