Beleidigungen nach der Beerdigung in Rain
Rains Bürgermeister Karl Rehm muss heftige Reaktionen aushalten, nachdem er am Freitag in Rain eine Beerdigung mit hundert Besuchern zuließ. Das Landratsamt wusste von der Ausnahmegenehmigung nichts
Rains Bürgermeister Rehm berichtet von teils heftigen Reaktionen im Zuge seiner Ausnahmegenehmigung. Mehr dazu auf
Rain Karl Rehm klingt immer noch mitgenommen von den Ereignissen des Wochenendes. Seine Ausnahmegenehmigung für eine Beerdigung mit gut 100 Trauergästen auf dem Rainer Stadtfriedhof hatte dem Bürgermeister viel Solidaritätsbekundungen in seiner Hauspost eingebracht – aber auch viel Ablehnung, bis hin zu Rücktrittsforderungen und Beleidigungen.
Nein, mit der bloßen Menge an Rückmeldungen hätte er nie und nimmer gerechnet, sagt Rehm. Und die seien nach Bekanntwerden der Beerdigung einer Mitte-20-Jährigen auf dem Stadtfriedhof auf allen Kanälen erfolgt: Internet, Post, Telefon. Teils gehe es dabei auch ums Eingemachte der übleren Sorte: Aufrufe seien gestartet worden, man möge doch nach Rain kommen – dort würden „Partys mit 100 Gästen“erlaubt, wie es Rehm zitiert. Beleidigungen seien gefallen, mittlerweile habe er, sagt Rehm, seine private Facebook-Seite gesperrt, seine Frau habe nachgezogen, nachdem auch hier die Kommentierungen keinen Halt gemacht hätten.
Diese „Macht des Internets“habe ihn erschreckt – zumal er sich keiner Schuld bewusst sei. Er habe menschlich handeln wollen, betont das Stadtoberhaupt, „deeskalierend“, wie es in der Sprache der Behörden heißt.
Am Freitagnachmittag waren nach Angaben Rehms etwa 100 Trauergäste – „teils aus dem ganzen Bundesgebiet“– nach Rain gekommen, um eine junge Frau zu Grabe zu tragen. Zuvor habe deren Familie versucht, eine Ausnahmegenehmigung in Bezug auf die wegen der Corona-Auflagen geltende Maximalzahl an Teilnehmern zu erwirken. „Ich habe das zweimal abgelehnt“, erklärt Rehm.
Da bekannt war, dass die Beerdigung stattfinden wird, habe die Polizei die Lage beobachtet. Gegen 13
Uhr habe sich abgezeichnet, dass sich mehr Menschen als die aktuell wegen der Pandemie erlaubten 25 eingefunden haben auf dem Friedhofsgelände. Er sei daraufhin sofort vor Ort gewesen, berichtet Rehm.
Ebenfalls eingefunden hatte sich Ralf Schurius, Leiter der Polizeiinspektion in Rain. „Der Verdacht war im Vorfeld da, dass es mehr werden könnten“, sagt der Beamte. Deswegen habe er sich mit Bürgermeister Rehm beraten und frühzeitig entschieden, die Lage im Blick zu behalten, präsent zu sein. Am frühen Nachmittag, als rasch klar war, dass die Höchstzahl von 25 Personen mindestens um das Vierfache überschritten worden war, habe man dennoch „nicht einsam entschieden“: Die Entscheidung „Deeskalation“mittels einer Ausnahmegenehmigung sei „mit Stadt und Präsidium gemeinsam erfolgt“, bestätigt Schurius. Jener Beitrag zur Deeskalation sei immens wichtig gewesen.
Das Infektionsschutzgesetz biete in diversen schwierigen Lagen die
Möglichkeit der Ausnahmeregelung, erklärt Schurius. Das Landratsamt teilt hierzu am Montag mit: „Für die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen nach dem Infektionsschutzgesetz wäre grundsätzlich die Kreisverwaltungsbehörde, also das Landratsamt, zuständig gewesen. Die Information über das Ereignis in Rain lag der Kreisverwaltungsbehörde jedoch nicht vor.“
Dies klingt bis dato nicht nach Rückendeckung aus Donauwörth.
Schurius sieht das Nein zur Auflösung der Veranstaltung – dann womöglich unter Zwang – auch drei Tage später als alternativlos an: „Ich kenne keinen Fall aus ganz Bayern, wo eine Trauerfeier gewaltsam aufgelöst wurde.“Eine abrupte behördliche Beendigung wäre schlicht und ergreifend „nicht verhältnismäßig“gewesen.
Trotzdem habe man darauf eingewirkt, dass der Kern des Infektionsschutzgesetzes durchgesetzt worden sei, sagt Schurius: „Die Menschen haben sich auf dem Friedhof an die Hygieneregeln gehalten“, berichtet der Revierleiter. Eigentlich sei alles schnell gegangen: „Die Menschen sind gekommen, die Trauerfeier hat stattgefunden, sie sind zu ihren Autos gegangen und abgereist.“Keine besonderen Vorkommnisse, wie Schurius resümiert. Karl Rehm sagt, er habe sogar Zuspruch vom Pfarrer bekommen; er hätte richtig entschieden. Erbaulich seien solche Rückmeldungen nach diesem aufgewühlten Wochenende. Unterdessen erklärt Rehm auf den Einwand, ob er nicht die Ausnahmegenehmigung aus dem Landratsamt hätte anfragen und abwarten sollen: „Wir mussten wirklich sehr schnell reagieren.“Und er wiederholt die Schilderung der Lage – die Menschen waren bereits vor Ort, sie hätten getrauert. Er habe entschieden handeln müssen. Und er würde jene Entscheidung gemeinsam mit der Polizei im Notfall wohl wieder so treffen. Etwas anderes wäre letzten Endes „jämmerlich“gewesen.
Das Landratsamt war nicht informiert